Vanessa Del Rae - Autor
© Carolin Saage

Autorin

Vanessa Del Rae

Vanessa del Rae, 1962 geboren, ist Leiterin der Berliner Sensuality School sowie Coach für Sexualität und Kommunikation. Zuvor war sie fast 30 Jahre als Krankenschwester in unterschiedlichen Bereichen der Pflege tätig und leitete zuletzt verschiedene Pflegeeinrichtungen im Kölner und Berliner Raum. 2012 erschien ihre DVD Silber sinnlich sexy, bei deren Produktion sie als Co-Autorin und Moderatorin mitwirkte. In ihrer Schule gibt sie Seminare zum Thema „Wie finde ich meinen Traummann?“, „Wie berühre ich eine Frau?“ und „Wie genieße ich meine Weiblichkeit?“. In Senioren- und Pflegeheimen veranstaltet sie regelmäßig Seminare und Workshops für die dort Beschäftigten. Mehr auf www.sensuality-school.com.

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Interview

Interview | 01.10.2014

Vanessa del Rae, 1962 geboren, ist Leiterin der Berliner Sensuality School sowie Coach für Sexualität und Kommunikation. In ihrem Buch »Sex Deluxe« macht die Autorin anhand ihrer eigenen Geschichte Mut, sich auf die Veränderungen des Körpers einzulassen und neue Träume zu entwickeln. Im Interview er...

Vanessa del Rae, 1962 geboren, ist Leiterin der Berliner Sensuality School sowie Coach für Sexualität und Kommunikation. In ihrem Buch »Sex Deluxe« macht die Autorin anhand ihrer eigenen Geschichte Mut, sich auf die Veränderungen des Körpers einzulassen und neue Träume zu entwickeln. Im Interview erklärt sie, wie man auch im Alter ein erfülltes Sexualleben behält.
Frau del Rae, in Ihrem Buch „Sex Deluxe“ geben Sie eine Menge Tipps für ein tolles Liebesleben im Alter. Sollten erwachsene Menschen – erst recht, wenn sie 50, 60, 70 oder noch mehr Jahre zählen – nicht längst wissen, wie Sex funktioniert?
Ja, das sollte man meinen, aber leider ist es nicht so. Sex ist omnipräsent in unserer Gesellschaft, aber viele verbinden das nicht mit sich selbst. Die reine Funktion ist den meisten zwar bekannt, aber es gibt eben etliche Facetten und Spielarten, die viele nicht kennen – oder sich nicht trauen, sie zu leben. Frauen wie Männer kennen ihren eigenen Körper oft nicht gut genug, um zu wissen, was sie beim Sex brauchen und wie sie ihn haben wollen. Die Erwartung, dass der Partner das schon wissen wird, wird meist enttäuscht, und das führt zu viel Streit und Unzufriedenheit.
Was sind die häufigsten Probleme für ältere Menschen, was das Liebesleben angeht? Sind das im Grunde die gleichen wie bei den Jungen oder stellen sich für Ältere ganz andere Fragen?
Die Probleme und Fragen sind so vielfältig wie die Menschen selbst. Älteren stellen sich natürlich auch ganz spezifische Fragen: Wie soll ich einen neuen Partner finden, wenn ich verwitwet oder geschieden bin? Was tun, wenn das beste Stück des Mannes nicht mehr will oder kann? Viele Frauen vor allem sind unbefriedigt oder haben gar noch nie einen Orgasmus erlebt. Jedenfalls keinen „richtigen“.
Insbesondere unzählige Frauen hadern mit ihrem Körper. Das ist ein Phänomen, das auch schon junge Menschen betrifft. Aber wenn die Anzeichen des Älterwerdens hinzukommen, mögen Frauen sich oft nicht mehr zeigen. Daraus ergibt sich leider oft, dass Frauen sich in ihrer Weiblichkeit nicht mehr finden können, sich nicht als Frau fühlen.
Was ist Ihrer Erfahrung nach entscheidend dafür, ob jemand mit Sexualität entspannt oder verkrampft, verschämt oder offen, ängstlich oder lustvoll umgeht?
Die Gründe dafür sind vielfältig und komplex. Die Erziehung, die Sozialisierung und die Aufklärung in der Kindheit spielen eine große Rolle. Ein entspannter, offener und lustvoller Umgang mit Sex ist für viele Menschen immer noch nicht selbstverständlich. Eigentlich wünscht sich das jeder, aber vielen fehlen das Selbstbewusstsein und der Mut, sich von Konventionen und der Meinung anderer frei zu machen.
Woher wissen Sie überhaupt so viel über Sex und Sinnlichkeit?
Mit vierzig habe ich noch geglaubt, dass alle Menschen alles über Sex wissen, bloß ich nicht – heute bin ich eines Besseren belehrt. Das funktionale Wissen hatte ich natürlich durch meine Ausbildung und Arbeit als Krankenschwester, aber mir fehlte die Erfahrung. Glücklicherweise haben sich meine Lebensumstände so entwickelt, dass ich, gepaart mit meiner Neugier und meinem Lebenshunger, auch den Mut aufbringen konnte, Gelegenheiten zu nutzen und, wenn Sie so wollen, „Feldforschung“ zu betreiben. Damit kam für mich auch der Genuss hinzu. In unzähligen Gesprächen und durch meine Beobachtungen habe ich viel über Sex erfahren. Wie sehen Menschen aus, die ihre Sexualität leben, wie verhalten sie sich? Welche Auswirkungen hat erfüllte Sexualität auf den Alltag? Welche Probleme tauchen auf? Meine Coachingausbildung, Seminare zum Thema sowie einschlägige Lektüre haben das Ganze theoretisch untermauert.
Was waren Ereignisse, Erfolge oder Geschichten, an die Sie sich aus Ihrer Arbeit als Sexcoach besonders gern erinnern?
Oh, da gibt es viele, ich mache das ja schon viele Jahre. Es gab etliche Frauen, die sich im Striptease-Workshop innerhalb weniger Stunden geradezu verwandelt haben. Kürzlich hatte ich eine ältere Frau mit starken Kniebeschwerden im High-Heels-Training. Sie fiel mir um den Hals, als sie danach wieder Treppen steigen konnte. Sie hatte im Training einiges über Körperhaltung und Präsenz erfahren und konnte sich nun ganz anders bewegen.
Eine andere Frau hatte in ihrer Anmutung große Ähnlichkeit mit einem Kaktus. Sie kam, weil sie so gern wieder einen Partner haben wollte. Aber ihre negative Ausstrahlung schlug alle Männer in die Flucht. Sie lernte, sich selbst und ihr Männerbild in einem neuen, positiven Licht zu sehen und auf eine andere Art zu kommunizieren. Es dauerte eine Weile, aber sie hat einen tollen Mann gefunden und das Glück steht ihr heute im Gesicht.
Ein Mann, der nach über zwanzigjähriger Ehe von seiner Frau verlassen worden war, kam zu mir – verbittert, wütend und sexuell ausgehungert. Er kam ziemlich arrogant rüber. Ich begleitete ihn über ein Jahr hinweg. Heute ist er ein ausgesprochen charmanter, ausgeglichener und fröhlicher Mensch.
In „Sex Deluxe“ habe ich ja auch viele Beispiele beschrieben, und auf meiner Webseite gibt es teilweise sehr berührende Berichte zu lesen von Frauen und Männern, die an verschiedenen Workshops und Seminaren teilgenommen haben und deren Leben sich dadurch verändert hat.
Im Buch geht es nicht nur um Sex, sondern auch um Lebensglück, Erfüllung und Zufriedenheit. Ist das nicht wahnsinnig individuell? Gibt es trotzdem Tipps und Anregungen, die allen helfen?
Natürlich ist das individuell, aber oft ist das Problem, dass Menschen zu fremdbestimmt leben, das heißt, sie sind ständig damit beschäftigt, die Erwartungen anderer zu erfüllen, beruflich und privat. Die eigenen Wünsche bleiben da auf der Strecke. Wenn aber ein Mensch sich selbst ausdrücken kann und auch den Freiraum besitzt, seinen Talenten und Wünschen – auch den sexuellen – Platz zu geben, ergibt sich daraus eine hohe Zufriedenheit in so ziemlich allen Bereichen.
Wichtig ist, sich bei jeder Entscheidung selbst zu fragen: „Ist es das, was ich wirklich will?“
Im Buch gibt es wunderschöne Fotos eines älteren Liebespaars im Bett. Die Beiden müssen unheimliches Vertrauen in Sie haben, um sich ganz nackt ablichten zu lassen. Wie schaffen Sie es – auch in Ihren Workshops und Seminaren – dieses Vertrauen aufzubauen?
Ja, die Fotos sind wirklich wunderschön. Lina und Edward waren ohnehin sehr offen, und es waren ja noch mehr Leute anwesend bei der Fotosession. Es ist uns gelungen, eine lockere Atmosphäre zu schaffen in einer sehr schönen Umgebung – das zusammengenommen hat zum Gelingen beigetragen.
Als Krankenschwester habe ich ja immer auch innerhalb des Intimbereiches gearbeitet, dort, wo eigentlich niemand hin darf. Das war eine gute Schule. Vielleicht ist es auch ein bisschen meine Gabe, Vertrauen herzustellen. Ein geschützter Rahmen ist jedenfalls eine der wichtigsten Voraussetzungen dafür, dass Menschen sich bei diesem sensiblen Thema öffnen können.
Was ist das Besondere an „Sex Deluxe“?
Ich wollte, dass es dem Inhalt entsprechend ein sinnliches Buch wird, das man gern – immer wieder – zur Hand nimmt. Ich finde, das ist gelungen. Es lässt sich in einem Rutsch lesen, aber auch jedes Kapitel ist in sich geschlossen. Das Besondere ist die Praxisnähe, mit Anregungen, die für jeden umsetzbar sind. Die „Dinge“ sind beim Namen genannt, und in den wahren Geschichten kann man neben theoretischen Hintergründen vielleicht auch sich selbst wiederfinden.
Wer sollte Ihr Buch unbedingt lesen?

Jeder, der neugierig und an Sinnlichkeit und Sex interessiert ist. Aber auch diejenigen, die meinen, schon alles zu wissen, oder ältere Menschen, die denken, es sei alles vorüber, können vielleicht Neues erfahren oder andere Sichtweisen entdecken. Ein großes Kapitel ist auch der Sexualität von Menschen in Pflegeeinrichtungen gewidmet. Es ist somit interessant für Pflegende, Betreuende, Angehörige und Leitungskräfte. Auch wenn sich das Buch an die „Best Ager“ richtet, können Jüngere, nachdem sie das Buch gelesen haben, vielleicht mehr Verständnis für Ältere aufbringen oder für sich selbst Anregung finden.

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