Armando Lucas Correa - Autor
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Autor

Armando Lucas Correa

Armando Lucas Correa lebt in Manhattan und arbeitet dort als Herausgeber des wichtigsten Magazins der spanischen Gemeinschaft in den USA, People en Español. Zuvor arbeitete er auf Kuba als Herausgeber eines Kulturmagazins. Für seine journalistischen Arbeiten wurde er bereits mehrfach ausgezeichnet, unter anderem von der National Association of Hispanic Publications und der Society of Professional Journalism. DAS ERBE DER ROSENTHALS ist sein erster Roman.

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Steckbrief

Autorensteckbrief: Armando Lucas Correa „Das Erbe der Rosenthals"

Die Stelle im Buch, die am schwierigsten zu schreiben war? Das Kapitel, das in Kuba spielt. Ich musste alltägliche Dinge aus der Sicht einer 12jährigen deutschen Jüdin beschreiben.Der optimale Soundtrack zum Buch?Die Moonlight Serenade von Glenn Miller & His Orchestra.Der perfekte Ort, um das B...


Die Stelle im Buch, die am schwierigsten zu schreiben war?
Das Kapitel, das in Kuba spielt. Ich musste alltägliche Dinge aus der Sicht einer 12jährigen deutschen Jüdin beschreiben.
Der optimale Soundtrack zum Buch?
Die Moonlight Serenade von Glenn Miller & His Orchestra.
Der perfekte Ort, um das Buch zu lesen?
Überall, wo es still ist.
Welchem Prominenten würden Sie Ihr Buch gern überreichen und welche Widmung stünde drin?
Charlotte Rampling. „Sie sind Hannah.“
Was darf beim Schreiben auf keinen Fall fehlen – abgesehen von Rechner, Schreibmaschine oder Stift?
Musik und Bücher.
Was ist schöner: den letzten Satz zu Ende gebracht zu haben oder das fertige Buch in Händen zu halten?
Den letzten Satz geschrieben zu haben.
Wer oder was hilft, wenn es mal schwierig ist, weiterzuschreiben?
In diesen Fällen hilft Lesen.
Was war zuerst da: die Story oder eine Figur aus dem Buch?
Die Story.
Wie wichtig sind Freunde, Familie, Berater beim Schreiben?
Sie sind meine ersten Leser. Sie kennen die Geschichte, bevor sie sie lesen. Ich höre mir ihre Hinweise und Vorschläge an.
Lieber akkurat durchplanen oder erstmal drauflosschreiben?
Drauflosschreiben und dann akkurat durchplanen, wie es weitergeht. Mit einem neuen Projekt anzufangen, ist einfach.
Welche Farbe hätte das Cover auf keinen Fall haben dürfen und warum?
Rot, weiß oder schwarz, denn diese Farben hat die Fahne, die Hannah und Leo verabscheuen.
Wer das Buch liest, fühlt sich nach der letzten Seite…?
Erlöst.

Interview

Armando Lucas Correa über den Hintergrund zu seinem neuen Buch "Die Reisenden der Nacht" | 26.05.2023

Liebe Leserinnen und Leser, an dem Tag, an dem meine Kinder Anna und Lucas sieben Jahre alt wurden, begann ich mit dem Schreiben von Liliths Geschichte, aus der Die Reisenden der Nacht werden sollte. Die Zahl Sieben wurde zu einer Obsession. Ich erinnere mich an einen Satz, der tagelang über einer ...

Liebe Leserinnen und Leser,

an dem Tag, an dem meine Kinder Anna und Lucas sieben Jahre alt wurden, begann ich mit dem Schreiben von Liliths Geschichte, aus der Die Reisenden der Nacht werden sollte. Die Zahl Sieben wurde zu einer Obsession. Ich erinnere mich an einen Satz, der tagelang über einer leeren Seite schwebte, und von Ally, Liliths Mutter, handelte: „Sie wollte, dass die Tage stillstehen, dass Lilith nicht wächst, dass sie nie ihren siebten Geburtstag feiern müssen. Wenn wir doch nur die Zeit anhalten könnten, dachte sie.“ Es war um Liliths siebten Geburtstag herum, dass Allys Albträume begannen. Genau wie meine.

Manchmal stand ich vor meinen Kindern (ich habe drei: Emma, 17, Anna und Lucas, 13) und studierte ihre Gesichtszüge, betrachtete ihre Profile, analysierte ihre Hautfarben, die alle so unterschiedlich sind. Den Farbton ihrer Augen, die Beschaffenheit ihrer Haare, die Größe ihrer Stirnen, die Form ihrer Nasen.

Im Rahmen meiner Recherchen für meine historischen Romane habe ich mich mit den Nürnberger Gesetzen befasst und mich gefragt, ob meine Kinder überlebt hätten. Die Gesetze der Nazis im Rahmen der Eugenik basierten auf Forschungen von Ärzten aus Pasadena, Kalifornien. In der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts führte die von diesen Ärzten entwickelte Methode zur Zwangssterilisation von etwa 70.000 Menschen in den USA. In einigen Bundesstaaten, darunter Virginia und Kalifornien, wurde die Sterilisation noch bis 1979 praktiziert.

An diesem siebten Geburtstag meiner Kinder wurde die Geschichte von Die Reisenden der Nacht geboren – eine Geschichte, die sich von Berlin in den 1920ern bis nach Havanna in den 1940ern, über New York und Düsseldorf in den 1970ern bis nach Berlin und Havanna in der Gegenwart erstreckt. Eine Geschichte über vier Generationen von Frauen, die durch die Zeit getrennt und durch ihre Aufopferung vereint sind.

Als ich Die Reisenden der Nacht fertigstellte, durchlebten wir gerade die Katastrophe der ausgesetzten Kinder an der Grenze zwischen Mexiko und den USA. Familien wurden getrennt und Kinder in behelfsmäßigen Käfigen gefangen gehalten. Während meiner journalistischen Berichterstattung über diese Krise habe ich immer wieder gehört, wie die Frauen, die ihre kleinen Kinder allein schickten, verurteilt und in Frage gestellt wurden.

Welche Entscheidungen müssen Mütter oder Väter treffen, um ihr eigenes Kind zu retten?

Ich dachte an die Eltern, die ihre Kinder (etwa 10.000) im Rahmen der Kindertransporte nach England schickten, um sie vor den Vernichtungslagern der Nazis zu retten. An die mehr als 14.000 Kinder, die von kubanischen Eltern allein in die USA geschickt wurden (Operation Peter Pan), um sie vor der Kommunistischen Partei zu schützen.

Leider neigt die Geschichte dazu, sich zu wiederholen.

Bei der Premiere von Das Erbe der Rosenthals in Australien 2017 fragte mich jemand aus dem Publikum, ob mein Roman von der Flüchtlingskrise inspiriert sei. Zu dieser Zeit überquerten zehntausende syrische Flüchtlinge die Grenzen in Europa und versuchten, ein Land zu finden, das sie aufnehmen würde. Nein, stellte ich klar, ichhatte mein Buch 2015, zwei Jahre zuvor, fertig geschrieben. Ich bin auch ein Flüchtling, fügte ich hinzu.

Seitdem ist mir klar geworden, dass alle meine Romane auf ihre eigene Art und Weise die Angst behandeln, die wir vor den „Anderen“ haben: Denjenigen, die eine andere Hautfarbe haben, an einen anderen Gott glauben, mit einem anderen Akzent sprechen, eine andere sexuelle Orientierung haben. Ich bin überzeugt, dass an dem Tag, an dem wir unsere Unterschiede akzeptieren und respektieren, die Welt zu einem besseren Ort wird.

Armando

Interview

Im Interview: Armando Lucas Correa über seinen Roman „Das Erbe der Rosenthals" | 21.11.2017

Worum geht es in dem Roman?Mein Roman, Das Erbe der Rosenthals, ist die Liebesgeschichte zweier Kinder, Hannah und Leo, beide 12 Jahre alt, die in einer unbeständigen Zeit der Geschichte geloben, einander bis ans Ende ihres Lebens zu lieben. Es geht in meinem Roman um Verluste. Alle Figuren – und da...

Worum geht es in dem Roman?
Mein Roman, Das Erbe der Rosenthals, ist die Liebesgeschichte zweier Kinder, Hannah und Leo, beide 12 Jahre alt, die in einer unbeständigen Zeit der Geschichte geloben, einander bis ans Ende ihres Lebens zu lieben. Es geht in meinem Roman um Verluste. Alle Figuren – und damit meine ich wirklich alle – haben einen Menschen verloren. Es geht um Verlust und Wiedergutmachung.
Was hat es mit der 1939 erfolgten Irrfahrt der St. Louis auf sich und welche Verbindung hat diese zu Ihrem Roman?
Die St. Louis war ein deutsches Luxus-Passagierschiff, das 1939 weit über 900 jüdische Flüchtlinge von Hamburg vor die Küste Kubas transportiert hat, wo sie hätten von Bord gehen können, da sie über gültige Einreisegenehmigungen verfügten. Als das Schiff dort ankam, verweigerte der kubanische Präsident ihnen die Einreise, und das gleiche taten anschließend, nachdem man das Schiff zum Verlassen des kubanischen Hafens gezwungen hatte, auch die Vereinigten Staaten und Kanada. Daraufhin kehrte die St. Louis nach Europa zurück, und für die Passagiere endete die Überfahrt in Großbritannien, Frankreich, Holland und Belgien. Ein paar Monate später kam Hitler in ganz Europa an die Macht – mit Ausnahme von Großbritannien –, und viele der Passagiere der St. Louis wurden in den Konzentrationslagern der Nazis ermordet. Ich bin Kubaner. Meine Großmutter, die Tochter spanischer Einwanderer, war schwanger mit meiner Mutter, als die St. Louis in Havanna einlief. Was dort vorgefallen – und was passiert ist, nachdem diese Menschen den Hafen von Havanna verlassen mussten –, hat sie seelisch enorm belastet, und als ich ein Kind war, wurde sie nicht müde, mir immer wieder zu erklären, Kuba würde im Verlauf der nächsten 100 Jahre für das, was sie den jüdischen Flüchtlingen angetan hatten, einen hohen Preis zahlen müssen.
Der erste Satz von „Das Erbe der Rosenthals" ist sehr eindrucksvoll. „Ich war knapp zwölf, als ich mir vornahm, meine Eltern umzubringen.“ Wie ist dieser Satz entstanden?
Zu Beginn war es eine ganze Seite lang, dann schrumpfte es zu einem Absatz zusammen, und im Endeffekt wurde dann ein einziger Satz daraus. Dafür habe ich drei Monate gebraucht. Ich wollte mit einem Satz die gesamte innere Anspannung zum Ausdruck bringen, der ein 12jähriges Mädchen in seinem Leben ausgesetzt ist.
Das Erbe der Rosenthals spielt zunächst auf zwei Zeitebenen und hat zwei Protagonistinnen, die 1939 zwölf Jahre alte Hannah Rosenthal und ihre Großnichte, die 2014 zwölf Jahre alte Anna Rosen. Wie schwierig war es, sich beim Schreiben in zwei derart junge Mädchen hineinzuversetzen?
Ich habe während meiner Arbeit an dem Buch die ganze Zeit meine Kinder in den Protagonistinnen Hannah und Anna, gesehen und hatte gewaltiges Mitgefühl mit den Eltern. Hannah ist ein Teil der Vergangenheit, Anna ist die Gegenwart. Diese Perspektive zu haben, war unerlässlich. Das war ein Gerüst, das ich im Detail ausgearbeitet hatte, bevor ich mit dem Schreiben anfing. Die größte Herausforderung bestand darin, diesen Ton glaubwürdig hinzubekommen. Dabei musste ich manchmal die Intensität herunterschrauben, denn obwohl Hannah in einer wechselvollen Zeit der Geschichte lebte und Anna mitten in einer familiären Krise steckte, woran beide Mädchen „reifen“, durften sie nicht allzu erwachsen herüberkommen. Wie auch immer, wer meine Tochter Emma kennt, weiß, dass sie genauso spricht wie Anna und Hannah.
Was ist die zentrale Botschaft, die Sie dem Leser nahebringen wollen?
Die Geschichte wiederholt sich. Im Grunde ist „Das Erbe der Rosenthals" eine Geschichte über die Ablehnung, mit der anderen Menschen begegnet wird, Menschen, die eine andere Hautfarbe oder einen anderen Akzent haben oder an einen anderen Gott glauben.
Gab es eine Textstelle, die für Sie besonders schwierig zu schreiben war? Und falls ja, aus welchem Grund?
Das Kapitel, das in Kuba spielt. Ich musste alltägliche Dinge aus der Sicht einer 12jährigen deutschen Jüdin beschreiben.
Was sind für Sie die zentralen Probleme der heutigen Zeit? Wie hoch schätzen Sie die Gefahren ein, dass sich vergangene Ereignisse wie der Holocaust oder 9/11 in Zukunft wiederholen?
Die Auswirkungen des Holocausts sind nahezu grenzenlos. Die Nazis haben eine ganze Generation zugrunde gerichtet, und ihre Handlungen werden noch viele weitere Generationen beeinträchtigen. Die Irrfahrt der St. Louis war für viele Menschen eine Geschichte, die in Vergessenheit geraten ist. Viele wissen gar nicht, dass Kuba jemals etwas mit dem Holocaust zu tun hatte. Für mich war es sehr wichtig, dass die Geschichte eine Tragödie schildert, die sich im 20. Jahrhundert mitten im zivilisiertesten und demokratischsten Kontinent der Welt abgespielt hat und dass die ganze Welt tatenlos zugeschaut und erst reagiert hat, als ihr keine andere Wahl mehr blieb. „Das Erbe der Rosenthals" ist ein historischer Roman über ein entsetzliches Kapitel des Holocausts, das Auswirkungen bis in die heutige Zeit hat. Die Angst vor einem weiteren Holocaust, die Angst vor Flüchtlingen. Den Kopf wegzudrehen und so zu tun, als würde man nichts sehen, ist einfach, aber sich der Gefahr zu stellen, ist eine Herausforderung.
Gibt es noch Überlebende der St. Louis, die Sie interviewen konnten, und wenn ja, wie belastend war das? Empfinden Sie eine literarische Verantwortung als Autor diesen Menschen gegenüber?
Ich habe mich erst nach Fertigstellung des Romans mit Überlebenden unterhalten. Vorher habe ich das vermieden, da ich wollte, dass die Story meine Vision der Geschichte wird und ich sie aus meiner Perspektive erzähle. Also habe ich mich erst mit Überlebenden getroffen, als das Buch bereits lektoriert wurde. Und ja, das waren emotionsgeladene Begegnungen. Ich besuche diese Menschen von Zeit zu Zeit, gehe in ihre Gemeinschaften und stelle das Buch vor. Das Erbe der Rosenthals ist drei Überlebenden gewidmet, mit denen ich mich unterhalten habe.
Als Anna 2014 mit ihrer Mutter nach Kuba reist und die Bekanntschaft ihrer Großtante macht, gelingt es beiden – dem Kind und der alten Frau –, die fehlenden Fragmente ihrer beiden Leben zu finden – und darüber Sinn und Hoffnung. Wie schwierig war es, dieses ganze Drama in eine derart unterhaltsame Form zu bringen, und was war dabei die größte Herausforderung?
Das war überhaupt nicht schwierig. Ich wollte eine emotionale Verbindung zwischen den beiden herstellen, was meiner Meinung nach gelungen ist. Die größte Herausforderung bestand für mich darin, das Drama der Geschichte aus der Perspektive und in der Sprache eines jungen Mädchens zu erzählen, weil das nach meinem Empfinden überzeugender war.
Sie sind in Kuba geboren und aufgewachsen, leben aber seit 1991 in New York City. Wie kam es dazu? Und hat Ihnen der Umstand, selbst Exilant zu sein, dabei geholfen, sich in Hannah und ihre Mutter hineinzuversetzen?
Ja. Ich bin in Havanna aufgewachsen, im Stadtteil Vedado. Ich habe zusammen mit meiner Großmutter, meiner Mutter und meiner Schwester in einem Haus gelebt, das mir als Vorlage für das kubanische Haus in Das Erbe der Rosenthals gedient hat. Auf dem College habe ich Dramenanalyse und Journalismus studiert und meine berufliche Laufbahn als Theater- und Tanzkritiker begonnen. Ich war der Herausgeber von Tablas, einem Kunstmagazin. In den 90er Jahren hat man es mir ermöglicht, in New York an einer Konferenz des Pratt Institutes teilzunehmen, und ich bin in den USA geblieben. Ich bin 1991 in Miami angekommen und habe zu Anfang als freier Journalist für El Nuevo Herald gearbeitet, der spanischen Schwesternausgabe von The Miami Herald. Ich bin Teil der Diaspora. Auch meine Familie war überall verstreut.
Wie lange haben Sie an Das Erbe der Rosenthals gearbeitet und wie haben Ihre Recherchen ausgesehen?
An einigen Kapiteln habe ich über zehn Jahre geschrieben, aber nachdem ich den Vertrag mit meinem Verlag unterschrieben hatte, habe ich das Buch innerhalb eines Jahres fertiggestellt. Ich habe mir fast die gesamte Literatur beschafft und zu Rate gezogen, die über die St. Louis existiert, über das Leben der Juden in Deutschland 1939 und über das Leben der Juden in Kuba von den 30er Jahren bis zum heutigen Tag. Ich hatte Zugriff auf mehr als 1.000 Originalunterlagen, in Form von Fotos, Briefen und Telegrammen, die die Reise der St. Louis nach Kuba dokumentieren. Das Ganze hat sich für mich zu einer Art Sucht entwickelt, die mein Antrieb war, die zwei Wochen zu rekonstruieren, bevor die Passagiere von Bord gehen wollten. Als das Buch lektoriert wurde, habe ich mich mit Überlebenden getroffen. Ich bin nach Berlin gereist und bin durch die gleichen Straßen gelaufen, durch die ich Hannah und Leo habe streifen lassen. Ich bin nach Hamburg gefahren und habe ein Boot bestiegen, und zwar zur gleichen Zeit, am gleichen Tag und an der gleichen Stelle, an der auch die St. Louis ausgelaufen ist. Ich habe Auschwitz besucht und ich bin natürlich in Havanna gewesen.
Sie arbeiten in Manhattan als Herausgeber des Top-Unterhaltungsmagazins People en Español und sind für Ihre journalistischen Arbeiten bereits mehrmals ausgezeichnet worden. Warum hat es so lange gedauert, bis Sie Ihren ersten Roman geschrieben haben?
Ich bin ein Zuwanderer; ich war in meinen Dreißigern, als ich in die USA kam, und wie alle Immigranten musste ich meinem Leben einen ganz neuen Sinn geben, arbeiten und überleben. Dass ich einen Roman schreiben wollte, musste da erst einmal in den Hintergrund treten. Heute bin ich für das spanischsprachige Magazin People en Español in den USA tätig. Ich gehe zwar in meiner Arbeit auf, aber dieser Job ist ein knallhartes Geschäft, ausgesprochen stressig und verschlingt einen Großteil meiner Zeit. Und einen Roman zu schreiben, dauert seine Zeit. Die Grundvoraussetzung dafür, in dieser Phase meines Lebens einen Roman zu schreiben und dieser Aufgabe zahllose Stunden meines Lebens zu opfern, war das Interesse eines Verlages. Nachdem ich einen Verlag gefunden hatte, war es wie eine Wohltat für mich, mit dem Schreiben anzufangen. Die Ideen schwirrten mir bereits seit Jahren durch den Kopf, aber ich glaube auch, dass man, um schreiben zu können, ein gewisses Maß an Reife benötigt.
Das Erbe der Rosenthals wurde im Februar dieses Jahres kurz vor Beginn der Buchmesse in Havanna in Kuba konfisziert. Was genau ist da passiert, und wie war das für Sie persönlich? Ist Ihr Roman den Lesern jetzt wieder frei zugänglich?
Man hatte mich zusammen mit einer Gruppe von Lektoren aus den USA zur Buchmesse von Havanna eingeladen. Das Jüdische Zentrum in Havanna trat ebenfalls an mich heran, und ich nahm ihre Einladung an, den Roman dort vorzustellen. Darüber hinaus hatte ich mich bereit erklärt, viele der sich auf die St. Louis beziehenden Dokumente, Bücher und Bilder, die ich für meine Recherchen benutzt hatte, einem kleinen Holocaust-Museum zu überlassen, das sie 2011 in diesem Zentrum eingerichtet hatten. Das war mir extrem wichtig, da sämtliche Dokumente, die mit der St. Louis zu tun hatten, aus dem Kubanischen Nationalarchiv verschwunden waren. Mein Originalverlag brachte für die Buchmesse 100 Exemplare von Das Erbe der Rosenthals nach Havanna, und die wurden konfisziert. Das waren Tage, die von Terror und schrecklicher Angst geprägt waren. Regierungsbeamte haben getan, was sie konnten, damit meine Buchpräsentation im Jüdischen Zentrum abgesagt wurde, aber der Direktor des Zentrums hat sich nicht beirren lassen, und die Präsentation fand statt. Es ist mir gelungen, so ungefähr 30 Exemplare von Das Erbe der Rosenthals in einigen Jüdischen Zentren in Havanna zu lassen.
Warum haben Sie gerade jetzt dieses Buch geschrieben?
Schauen Sie sich an, wie heute überall auf der Welt mit den Flüchtlingen umgegangen wird. Ich wollte, dass sich die Tragödie dieser St. Louis-Flüchtlinge wie eines der Dramen liest, die wir heute erleben. Ich habe direkte Bezüge zu Juden, Hitler, Fidel Castro vermieden. Das Ganze ist eine Art von Märchen, das zwei Mädchen erzählen, die in schwierigen Zeiten aufgewachsen sind. Vor einigen Monaten erhielt ich ein Video von einer spanischen Kongressabgeordneten, die im Kongress auf den Völkermord in Aleppo verwiesen und dabei „Das Erbe der Rosenthals" angeführt hat.
Ihr Debütroman war in den USA ungemein erfolgreich. Schreiben Sie bereits an Ihrem nächsten Werk und wenn ja, worum wird es darin gehen?
Diesem Erfolg ist zu verdanken, dass mein Originalverlag meine nächsten beiden Romane eingekauft hat. Meine St. Louis-Manie fängt jetzt erst so richtig an. Wenn ich die Geschichte von „Das Erbe der Rosenthals" in einem Satz zusammenraffen müsste, würde ich sagen, dass es in diesem Buch um die Passagiere ging, denen erlaubt wurde, in Havanna an Land zu gehen. In meinem zweiten Roman, The Daughter’s Tale, wird es um die Passagiere gehen, die in Frankreich endeten. Und auch hier steht wieder ein kleines Mädchen im Mittelpunkt. Um ihr Leben zu retten, schickte man sie fort. Sie bekam eine neue Identität und verehrte einen neuen Gott. Man ließ sie im Stich und vergaß sie – bis heute. Im dritten Buch, The Night Traveler, wird es um diejenigen gehen, denen man gar nicht erst erlaubt hat, an Bord zu gehen, jüdische Mischlinge.
Video

Armando Lucas Correa im Videointerview

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