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Clemens Traub

Clemens Traub, geboren 1997 in Karlsruhe, studiert Politik an der Johannes-Gutenberg-Universität zu Mainz und arbeitet als studentischer Mitarbeiter in der heute-Redaktion des ZDF. Seinen Freundeskreis beschreibt er als sehr grün, er selbst ist SPD-Mitglied. Bei »Fridays for Future« mitzulaufen ist für viele in seinem Umfeld Pflicht. Traub wuchs in einem verschlafenen Dorf auf und kritisiert heute die moralische Überheblichkeit seiner großstädtischen Freunde. Sein kritischer Artikel über die »Fridays for Future«-Bewegung hat weithin Beachtung gefunden.

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Interview

"Mehr Vielfalt könnte zu einer großen Chance für Fridays for Future werden" | 06.02.2020

Mit FUTURE FOR FRIDAYS? veröffentlichen Sie einen sehr kritischen Beitrag zur aktuellen Diskussion um die Klimabewegung Fridays for Future, die wöchentlich weltweit etliche Jugendliche auf die Straße bringt. Warum hatten Sie das Gefühl, das Buch schreiben zu müssen?Klimaschutz ist mir persönlich ein...

Mit FUTURE FOR FRIDAYS? veröffentlichen Sie einen sehr kritischen Beitrag zur aktuellen Diskussion um die Klimabewegung Fridays for Future, die wöchentlich weltweit etliche Jugendliche auf die Straße bringt. Warum hatten Sie das Gefühl, das Buch schreiben zu müssen?
Klimaschutz ist mir persönlich ein Herzensanliegen. Die Vorstellung, mit anderen Jugendlichen für die Zukunft unseres Planeten auf die Straße zu gehen, löste in mir deswegen zunächst auch Stürme der Begeisterung aus. Doch je häufiger ich an Demonstrationen teilnahm, desto fremder wurde mir die Klimabewegung. Ich habe generell den Eindruck: immer mehr Menschen kehren Fridays for Future den Rücken. Und das trifft längst nicht nur auf unbelehrbare Klimawandelleugner zu.
Auch bei vielen ganz „normalen“ Menschen, die für den Klimaschutzgedanken an und für sich viel übrighaben, verspielt sich die Bewegung gerade massenhaft die Sympathien. Sehr schade! Denn eine beliebte Klimabewegung, an der sich die deutliche Mehrheit der Bevölkerung erwärmen kann, ist im Kampf gegen den Klimawandel eigentlich genau das, was wir so dringend benötigen.
Sie beschreiben den Kontrast zwischen der urbanen Lebenswelt Ihrer Kommilitonen und der Ihrer Freunde in der pfälzischen Provinz. Anfangs haben Sie noch versucht, für Fridays for Future zu werben und Ihren Freunden die Bewegung zu erklären. Was hat dazu geführt, dass dann auch in Ihnen die Skepsis gegenüber FfF gewachsen ist?
Ich bemerkte schnell, dass Fridays for Future in meiner dörflich geprägten Heimat keinen Stich machte. Was in meiner Universitätsstadt das größte Thema war, sorgte dort nur für Unmut. Sie betrachteten Fridays for Future vor allem als Bewegung abgehobener Großstädter. Insbesondere störte sie die moralische Überheblichkeit, mit der viele Demonstrierende in der Regel auftreten. Dafür, dass wir in den Großstädten immerhin auch für die Zukunft ihres Planeten auf die Straße gingen, könnten sie uns doch wenigstens etwas dankbarer sein, dachte ich zunächst.
Es brodelte in den nächsten Wochen ordentlich in mir. Was ich mir damals nicht hätte vorstellen können: Mit den Erlebnissen aus meiner Heimat im Hinterkopf verflog die anfängliche Begeisterung für Fridays for Future schnell. Immer mehr begann ich Verständnis für die Vorwürfe meiner alten Bekannten zu entwickeln. Wer ihre Verärgerung über Fridays for Future nur als das Resultat vermeintlich uninformierter Provinzler oder populistischer Klimawandelleugner abtun möchte, macht es sich zu einfach. In ihrer Kritik steckt sehr viel Wahrheit. Eine Wahrheit, für die mir erst die Augen geöffnet werden musste.
Was genau ist Ihre Kritik an der Bewegung Fridays for Future? Was sind die wichtigsten Kritikpunkte?
Die meisten meiner Fridays for Future-Bekannten fürchten sich vor einer düster ausgemalten Klimaapokalypse. Sie fordern radikale politische Schritte! Für Kompromisse in der Klimapolitik haben sie keinerlei Verständnis. In ihren Augen sind Kompromisse nämlich nur der Ausdruck reiner politischer Verlogenheit. In ihrer oftmals radikalen Denkhaltung werden Politiker schnell per se zu einem Feindbild im Kampf um unsere Zukunft erklärt. Mir gefällt das nicht, denn langfristig betrachtet schadet dies unserer Demokratie! Auch darüber muss endlich offen diskutiert werden.
Die Tatsache, dass viele Demonstranten lieber andere Menschen und deren klimaschädlichen Lebensstil abkanzeln, anstatt mit ihnen ins Gespräch zu kommen, störte mich zudem auch immer mehr an Fridays for Future. Der erhobene moralische Zeigefinger wurde schnell zum Wiedererkennungsmerkmal der Bewegung! Wer mit seinem Lebensstil nicht den rigorosen Anforderungen der jungen Demonstranten entspricht, wird rasch zum vermeintlichen „Klimasünder“. Kein Wunder, dass sich so viele Menschen von Fridays for Future vor den Kopf gestoßen fühlen.
Kohlearbeiter und Bandarbeiter in der Automobilindustrie fürchten angesichts möglicher Klimamaßnahmen um ihre berufliche Zukunft. Anstatt den besorgten Menschen mit Mitgefühl zu begegnen, wird Arbeitslosigkeit unter jungen Klimaaktivisten nicht selten als Kollateralschaden im Kampf gegen den Klimawandel betrachtet. Fridays for Future macht sich so sehr viele Feinde. Das kann auch sehr gefährlich werden: Denn aus Klimakampf kann auf diese Weise ein gefährlicher Kulturkampf werden! Und das möchte nun wirklich niemand.
Sie kritisieren unter anderem, dass die FfF-Bewegung fast ausschließlich gebildete, privilegierte Großstädter motiviert und inspiriert. Sie selbst studieren gerade Politik. Könnte es nicht gerade ein überdurchschnittlicher Bildungsstand sein, der erst ein Bewusstsein für das große Ganze und die Dimension der Klimakatastrophe stärkt?
Ja das nehme ich an. Das Politikinteresse ist in bürgerlichen Milieus anscheinend stärker ausgeprägt als in anderen. Fridays for Future ist tatsächlich vor allem eine Bewegung des wohlhabenden Bildungsbürgertums. Das haben auch bereits Studien gezeigt. An sich ja eigentlich kein Problem, könnte man annehmen. Ich habe nur oft das Gefühl, dass viele Fridays for Futureler aus ihrer hippen Blase nicht heraustreten können.
Die meist privilegierten Demonstranten kennen nämlich die Lebenswelt vieler ganz normaler Bürger kaum. Dass Menschen in ihren Alltagssorgen beispielsweise Klimaschutz oftmals als Luxusproblem empfinden, können die jungen Demonstranten überhaupt nicht nachvollziehen. Dadurch prallen schnell zwei unterschiedliche Welten aufeinander. Viele Bürger können sich deshalb kaum mit der Bewegung identifizieren. Meine Forderung: Fridays for Future braucht endlich mehr Diversität in ihren Reihen!
Jede Bewegung ist zunächst auf ein bestimmtes Milieu, einen Teil der Gesellschaft oder eine gewisse Gruppierung begrenzt. Warum vertut Fridays for Future Ihrer Sicht die Chance, den Protest gegen die derzeitige Klimapolitik in die Breite der Gesellschaft?
Sie bleiben lieber an ihren kuschligen Gymnasien und flauschigen Universitäten. Man fischt eben lieber in seinen eigenen Gewässern. Der Applaus ist hier nämlich meist garantiert und auf Widerspruch stoßen sie ohnehin nicht. Aber Fridays for Futures muss dringend aus den eigenen Wohlfühloasen raus! Ihr Ziel sollte es nämlich auch sein, Menschen für ihre Ideen zu gewinnen, die ihnen bisher noch skeptisch gegenüberstehen. Warum deswegen nicht einfach mal eine Berufsschule oder einen Handwerksbetrieb besuchen gehen?
Mehr Vielfalt könnte zu einer großen Chance für Fridays for Future werden: Man stelle sich beispielsweise eine Bewegung vor, deren Aushängeschilder bestens wissen, dass ein Auto kein teuflisches Klimamonster, sondern ein lebensnotwendiges Fortbewegungsmittel ist, für das viele Familien jahrelang sparen müssen. Ein neues bodenständigeres Auftreten könnte aus Fridays for Future endlich eine Bewegung aus der Mitte unserer Gesellschaft machen. Eine einfühlsame Bewegung. Nicht nur für unseren Planeten, sondern vor allem auch für die Menschen, die auf ihm leben!
Nicht erst seit Instagram und Facebook bedarf es prägnanter Slogans und eingängiger Symbole, um eine Botschaft zu vermitteln. Das gilt natürlich auch für die Anliegen der Klimabewegung – Greta Thunberg und auch Luisa Neubauer liefern zuverlässig immer wieder medientaugliche Bilder und News: „perfekte Selbstvermarktung statt Rebellion von unten“, schreiben Sie. Wann ist für Sie die Grenze zwischen geschickter PR und Personenkult überschritten?
Klar, auch Fridays for Future möchte natürlich mit ihren Anliegen in den sozialen Medien gehört werden. Daran lässt sich an sich auch gar nichts kritisieren: Denn jede meinungsstarke Bewegung hat das Recht gehört zu werden. Doch bedenklich wird es vor allem dann, wenn die persönliche Inszenierung bei den Aktivisten höchste Priorität genießt, oder wenn dies zumindest so empfunden wird. Viele Menschen stört die immer professionellere Selbstvermarktung einer Luisa Neubauer oder einer Greta Thunberg. An vorderster Stelle ein Aushängeschild der Fridays for Future-Bewegung zu sein, ist natürlich das i-Tüpfelchen eines perfekten Lebenslaufs. Aus der Klimabewegung ist vor allem eines geworden: Ein Karrieresprungbrett des ehrgeizigen Elitennachwuchses.
Besonders fatal daran: Die Bewegung in ihrem Elfenbeinturm merkt dabei gar nicht, dass ihre lautstarke Kritik vor allem den Lebensstil vieler sozial Schwächerer trifft, die nicht jeden Tag in den Bio-Laden um die Ecke gehen können. Genau diese Menschen bekommen dann das Gefühl, dass eine Luisa Neubauer auf Kosten vieler normaler Menschen ordentlich Karriere macht. Wut und Unverständnis ist nur die logische Folge.
Was muss sich aus Ihrer Sicht ändern, damit konsequente Klimapolitik möglich und von einer Mehrheit getragen wird?
Statt über eine intelligente klimapolitische Strategie für die nächsten Jahrzehnte zu diskutieren, handeln wir lieber mit viel Empörung das unmoralische Konsumverhalten unserer Mitbürger ab. Auch Annegret Kramp-Karrenbauer zeigte sich zuletzt in einem Interview mit der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ auffällig nachdenklich: „Ich respektiere jeden, der auf Fleisch verzichtet oder auf ein Auto, weil er C02 sparen will. Aber ich will keine Politik, die aus privaten Entscheidungen eine moralische Frage von richtig oder falsch, von gut oder schlecht macht.“ Lasst uns endlich wieder über durchdachte Konzepte diskutieren, anstatt uns ausschließlich über die richtige Moral den Kopf zu zerbrechen.
Klimapolitische Maßnahmen dürfen nicht auf Kosten der Geringverdiener in unserer Gesellschaft gehen: Wie in Frankreich, in Form der aufständischen Gelbwestenbewegung, kann Klimapolitik nämlich auch in Deutschland schnell als ein „Elitenprojekt“ der gesellschaftlich Privilegierten empfunden werden. Dies würde nicht nur die Akzeptanz für eine zukünftige Klimapolitik zerstören. Nein, es würde auch die ohnehin schon bestehenden Gräben unserer Gesellschaft nur noch weiter vertiefen. Deswegen: Klimapolitik muss gerecht sein!
Was würden Sie sich in Sachen Klima von der aktuellen Regierung oder auch von Ihrer Partei, der SPD, wünschen?
In den letzten Monaten hatte ich den Eindruck, dass viele Politiker zu Getriebenen eines medialen Fridays for Future-Hypes wurden. Alles fing an mit Christian Lindner: Die Öffentlichkeit verriss ihn nach seinem berühmt berüchtigten „eine Sache für Profis“-Interview. Niemand wollte seinem Beispiel folgen und in ein ähnliches Fettnäpfchen treten. Fortan passten sich die meisten Politiker den Spielregeln der Öffentlichkeit eben an. Jeder wollte auf der richtigen, also auf der guten Seite der Debatte stehen: Deutschland sucht den Super-Klimaretter!
Kluge Diskussionen und durchdachte Konzepte blieben dabei leider auf der Strecke. Symbolpolitische Forderungen gaben den Ton der Debatte an. Feuerwerkverbote oder die Einführung des Tempolimits werden die Klimakatastrophe allerdings nicht stoppen. Wenn ich einen Wunsch frei hätte: Politiker müssen endlich wieder zu nachhaltigen Gestaltern einer innovativen Klimapolitik werden! Verstand, statt Emotion und Opportunismus.
Welchem Politiker würden Sie gern Ihr Buch persönlich überreichen und welche Widmung stünde drin?
Ich würde das Buch gerne dem Parteivorsitzenden der Grünen, Robert Habeck, und dem Fraktionsvorsitzenden der AfD im Bundestag, Alexander Gauland, persönlich überreichen. Die Widmung für Robert Habeck würde wie folgt aussehen: „Wir brauchen eine konsequente Klimapolitik unbedingt, aber nicht auf Kosten des gesellschaftlichen Zusammenhalts!“ Bei Alexander Gauland wäre diese Widmung angebracht: „Man kann Klimapolitik und Klimabewegungen auch kritisieren ohne dabei Hass und Feindbilder zu schüren!“ Vielleicht melden Sie sich ja bei mir, über eine kontroverse Diskussion mit den beiden Politikern würde ich mich sehr freuen.
Und mit welchen Worten würden Sie FUTURE FOR FRIDAYS? Luisa Neubauer empfehlen?
Wir brauchen endlich eine inklusivere Klimabewegung, hinter der sich tatsächlich die gesamte Breite der Bevölkerung versammeln kann. Nur so kann das Thema aus der elitären Blase heraustreten. Erst dann bekommt eine konsequente Klimapolitik auch wirklich Rückhalt aus der breiten Gesellschaft. Die wichtigste Voraussetzung um unsere Erde doch noch retten zu können. FUTURE FOR FRIDAYS kann auf diesem Weg ein wichtiger Denkanstoß sein.
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