Johannes Ehrmann - Autor
© Manfred Eßer

Autor

Johannes Ehrmann

Johannes Ehrmann, geboren 1983, arbeitet als freier Journalist und Autor in Berlin. Sein Debütroman „Großer Bruder Zorn“ (Eichborn 2016) war für den Klaus-Michael-Kühne-Preis nominiert. 2017 erschien „Die Winzigkeit des Glücks“, ein literarischer Brief des Autors an seine Zwillingstöchter.

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Interview

"Meine Charaktere machen ziemlich auf lässig, tragen aber auch den Zorn mit sich rum, und er bricht sich hin und wieder Bahn." | 24.02.2016

Ihr Debütroman trägt den Titel Großer Bruder Zorn. Was hat es damit auf sich?Mir gefällt die Idee, dass die Wut, der Zorn, wie ein alter Bruder ist, den man nie ganz los wird. Der einem immer über die Schulter guckt. Meine Charaktere machen ziemlich auf lässig, tragen aber auch den Zorn mit sich rum...


Ihr Debütroman trägt den Titel Großer Bruder Zorn. Was hat es damit auf sich?
Mir gefällt die Idee, dass die Wut, der Zorn, wie ein alter Bruder ist, den man nie ganz los wird. Der einem immer über die Schulter guckt. Meine Charaktere machen ziemlich auf lässig, tragen aber auch den Zorn mit sich rum, und er bricht sich hin und wieder Bahn. Nach außen oder nach innen, gegen das eigene Scheißleben.
In "Großer Bruder Zorn" schildern Sie eine Woche im Leben von fünf verschiedenen Charakteren, die grundverschieden sind, aber alle dicht an dicht im Weddinger Kiez leben. Was verbindet diese Menschen über das Wohnviertel hinaus miteinander?
Sie kämpfen mit wechselndem Erfolg für ein besseres Leben, einen kleinen Aufstieg oder am besten gleich den ganz großen Wurf. Sie wollen sich nicht zufrieden geben mit dem ganzen Alltagsmist. Sie sind auf die Schnauze gefallen, einmal, mehrmals, aber sie stehen wieder. Und jetzt wollen sie es noch mal wissen. Egal, was die anderen sagen.
Wie ist die Idee zu Ihrem Buch entstanden?
Ich hatte schon vor, mal was Längeres über den Wedding zu machen. Da prallt ja so viel aufeinander. Ich hatte aber eher in Richtung Langzeit-Reportage oder so gedacht. Dann saß ich mit meinem Agenten Florian Glässing zusammen und habe ihm erzählt, was da so los ist und wen ich alles kennengelernt habe. Da hat er nur gesagt: Das sind doch Romanfiguren! Ich dachte: Okay...
Wie sind Sie beim Schreiben vorgegangen?

Ich hatte schon sehr früh eine ziemlich genaue Idee, was ich erzählen will und welche Figuren mit an Bord sein müssten, was für Grundkonflikte sie in sich tragen. Als das Grundgerüst der Handlung stand, hab ich mich dann von vorne bis hinten durchgeschlagen, Kapitel für Kapitel, jeden Tag ein kleines Stückchen weiter.

Sie leben selbst im Wedding und haben auch einige Zeit lang für den Tagesspiegel Reportagen und Porträts über den Wedding geschrieben. Wie erleben Sie den Weddinger Kiez? Was ist für Sie das Besondere an der Gegend?
Der Wedding ist schon speziell, weil er mitten in der Stadt liegt, aber für die meisten Nicht-Weddinger ein toter Winkel ist. Wedding, das war immer irgendwie pfui, wäh, bloß nicht. Lasst da mal die Türken hin und die Araber, dann müssen wir die nicht jeden Tag sehen. Nur dann sind überall sonst die Wohnungen unbezahlbar geworden. Und jetzt alle so: Aha. Wedding. Interessant...
Welches sind Ihre Lieblingsplätze im Wedding?
Och, kommt auf Laune und Wetter an. Aber wenn's wärmer wird, ist es an der Panke lang schon ganz fein. Bisschen urbane Romantik mit Backstein und Wasser. Nicht von ungefähr spielt der kleine Kanal auch eine wichtige Rolle im 'Großen Bruder', als Sehnsuchts- und Rückzugsort.
Für Ihren Text "Wilder, weiter, Wedding" gewannen Sie 2014 den Theodor-Wolff-Preis. Wie hat sich die Auszeichnung auf Ihr Schreiben ausgewirkt?
Das war eine Riesenbestätigung, klar. Hätte ja nie gedacht, dass sie einen mit so einer rotzigen Sprechsprache sowas Bedeutendes gewinnen lassen, mit Preisgeld, Gala und allem. Als es mit dem Roman losging, war dann auch direkt klar, in welche Richtung der Sound gehen muss...
Als Reporter und jetzt auch als Prosa-Autor: Welche Bedeutung hat das Schreiben in Ihrem Leben?
Ach, das Schreiben war immer schon da. Als Traum im Hintergrund. Neulich beim Keller-Ausmisten habe ich erst eine alte Weihnachtsgeschichte gefunden, mit irgendwelchen Wichteln, die beinahe Heiligabend verpassen. Ganz lustig. Die wurde damals an die ganze Family verschickt.
Haben Sie dann einfach immer weiter geschrieben?

Nein, gar nicht. Wie das mit Träumen so ist, sie sind die meiste Zeit ziemlich weit weg. Schule, Zivi, Uni, bla. Das einzige, was ich geschrieben habe, waren Semesterarbeiten. Dann hatte ich plötzlich fertigstudiert, die Freundin hatte sich auch gerade verabschiedet. Alles auf Null. Völlige Orientierungslosigkeit. Es gab nur dieses eine starke Gefühl: Schreiben, schreiben. Irgendwas, irgendwie. Los ging es mit Online-Texten über tolle Urlaubsziele und Segelyachten. Nie gesegelt, natürlich.

Haben Sie literarische Vorbilder? Gibt es Bücher, die Sie besonders geprägt haben?

Als ich gerade mit dem 'Großen Bruder' anfing, im Urlaub, hatte ich nur Jörg Fausers Rohstoff dabei. Fantastisch. Direkt dreimal gelesen. Moritz von Uslars Deutschboden war in punkto literarischer Journalismus ein Meilenstein für mich. Völlig umgehauen haben mich auch die Brenner-Romane von Wolf Haas. Kann ich aber leider nicht mehr lesen. Verhaut mir den Stil. Einfach zu gut.

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