"DER SALON ist ein Ort, an dem man die Seele baumeln lassen, sich neu erfinden und bei Bedarf sein Herz ausschütten kann. Eine Insel der Seligkeit – vorausgesetzt der Schnitt stimmt!“ | 26.01.2022
Wie der Titel Ihres neuen Romans verrät, sind Dreh- und Angelpunkt der Geschichte zwei Friseursalons. Der eine im ländlichen Hebertshausen, der andere im weltoffenen München. Wie kamen Sie darauf, ausgerechnet einen Salon im Wandel der Wirtschaftswunderjahre als Kulisse zu wählen?
Die Mode spiegelt immer schon den Zeitgeist und die gesellschaftspolitischen Gegebenheiten wider, das gilt für Kleider genauso wie für Frisuren und Make-up. Und so erzähle ich auch anhand der sich ändernden Moden, in einem Mikro-Kosmos, indem sich Frauen jeden Alters, Berufs oder jeder Herkunft begegnen, Träume und Schicksale. Der Salon ist das Abbild der Welt im Kleinen. Sie ist voller Versprechen und die Wirtschaftswunderjahre voller Hoffnungen.
Friseursalons sind für Viele Sehnsuchtsorte, die etwas Magisches haben. Warum ist das so?
Weil sich dort alles um Verwandlung dreht, das kleine Extra an Selbstvertrauen. Sie werden verwöhnt und es duftet wunderbar nach Shampoo. Man kann die Seele baumeln lassen, sich neu erfinden und schüttet bei Bedarf sein Herz aus. Eine Insel der Seligkeit – vorausgesetzt der Schnitt stimmt!
Im Mittelpunkt der Geschichte stehen drei junge Menschen, Leni, ihr Bruder Hans und Lenis Freundin Charlotte. Inmitten der 1950er Jahre lassen Sie uns an ihrem Schicksal und der Verwirklichung ihrer unterschiedlichen Träume teilhaben. Wonach sehnen sich Ihre Protagonist:innen?
Leni ist ein neugieriges Mädchen, das sich nach Selbstständigkeit und Selbstverwirklichung sehnt. Sie ist voller Pläne. Sich zu verlieben ist einer davon, aber ihre beruflichen Ambitionen sind fast noch größer.
Ihr Bruder Hans, der drei Jahre älter ist und den Krieg deshalb anders erlebt hat als Leni, ist eher introvertiert. Seine Trompete ist sein Leben. Auf Wunsch des Vaters, der immer noch nicht aus dem Krieg zurückgekommen ist, studiert er Medizin. Aber in seinen Träumen steht er mit Miles Davis und anderen Jazz-Größen auf der Bühne.
Und Charlotte? Nun, sie war Hausmannequin bei Bogner und Fotomodell, bevor sie geheiratet hat. Einen reichen Mann, der sie einsperrt und quält. Charlotte sehnt sich nach Rom zurück, wo Cecil Beaton sie auf der Via Veneto fotografiert hat, zu den Freundinnen von damals und danach, frei zu sein und geliebt zu werden.
Haben Sie eine Lieblingsfigur im Buch?
Ich bin hin und hergerissen. Lenis Chef, Herr Keller, der sich eine schillernde Biografie auf den Leib geschneidert hat, ist so eine Lieblingsfigur -– ein Leben vor Spiegeln, die nur die Illusion reflektieren -–, aber auch Lenis Mutter, die mit ihrer Bodenständigkeit besticht.
Existieren reale Vorbilder für Ihre Figuren?
Jein. Ich setze sie fast immer aus Figuren aus Serien und Filmen zusammen, denn ich bin ein Serien- und Film-Junkie. Leni zum Beispiel ist Saoirse Ronans Rolle aus dem Film „Brooklyn – Eine Liebe zwischen zwei Welten“ nachempfunden. Und eine ihrer Kundinnen werden Fans der Gilmore Girls in Stars Hollow wiederfinden. Sofort, ohne Probleme.
Jazzmusik spielt in der Geschichte von Hans eine große Rolle. Sind Sie auch privat Fan dieser Musik?
Mein Vater hat Jazz gehört, aber ich nicht. Ich hatte jedoch das Glück, dass mich ein Redakteur der Jazz-Redaktion des Bayerischen Rundfunks mit Informationen gefüttert und den Kontakt zu Prof. Joe Viera hergestellt hat, dem Begründer der Internationalen Jazzwoche Burghausen, der im Übrigen fast der gleiche Jahrgang ist wie Lenis Bruder Hans und auch in München aufgewachsen. Großartig! Als hätte ich mit meinem Hans selbst gesprochen – gut sechzig Jahre später.
Ich habe mich eingelesen, jede Menge Jazz gehört und dann beschlossen: Ich will die emotionale Komponente dieser Musik erzählen. Wo kommt sie her, was macht sie mit dir, wofür steht sie?
Ihr Roman beeindruckt durch sehr präzise, authentische Details. Sie lassen den Leser tief in die Zeit eintauchen. Wie sah die Recherche zu Ihrem Buch aus?
Unvorstellbar! Ich habe einen journalistischen Hintergrund, Recherche ist für mich das A und O, aber diesmal stellt sie alles in den Schatten. Die antiquarischen Bücher aus der Zeit stapeln sich, die Illustrierten, ich habe das Netz durchforstet, mit Zeitzeugen gesprochen und natürlich alle Orte besucht. Wobei München meine Heimatstadt ist, ich kenne sie in und auswendig.
Für die Recherche gilt: man muss möglichst 90% kennen, um entscheiden zu können, welche 5 % relevant sind. Andererseits entstehen meine Geschichten erst aus der Recherche. Die gibt mir die Impulse, was passieren kann und wo sich meine Figuren hin entwickeln.
DER SALON ist bereits ihr fünfter Roman. Woher nehmen Sie die Ideen für Ihre Bücher? Was inspiriert Sie?
Orte. Das war schon immer so. Sie müssen magisch und irgendwie besonders sein. Dann überlege ich, welche Figuren passen dorthin und aus dem Wo und Wer ergibt sich das Wie.
Von Ihrem aktuellen Roman ist schon ein zweiter Teil in Planung. Was erwartet uns?
Im nächsten Band wird Lenis Welt größer. Sie ist in Hebertshausen an die Grenzen ihrer kleinen Schneekugelwelt gestoßen und nach München gegangen, aber von dort aus geht die Reise weiter. Wird sie es schaffen, endlich ihren eigenen Salon zu eröffnen? Und wer wird der Mann an ihrer Seite sein?
Sie arbeiten nicht nur erfolgreich als Autorin, sondern auch als Schauspielerin, Moderatorin und Hörbuch- Sprecherin haben Sie sich einen Namen gemacht. Welcher der vielen Berufe begeistert Sie am meisten?
Im Sprechen bin ich natürlich am meisten zu Hause, von Kindesbeinen an. Ich erzähle die Geschichten anderer mit allergrößtem Vergnügen und liebe die Arbeit in Hörfunk und Fernsehen. Das Schreiben ist jedoch eine Leidenschaft, der ich mich nur schwer entziehen kann. Ein Gefühl zu erzählen, so genau, dass ich es ganz tief in mir spüre und Sie auch, ist befreiend. Die Formulierungen zu suchen, daran zu feilen und sich dem zu nähern, was man vermitteln möchte. Das ist ein stetiger Prozess und ein immerwährendes Wachsen und ich wachse wirklich gern.
Haben Sie literarische Vorbilder oder Lieblingsautor:innen?
Viele der Großen, deren Sprache die reinste Poesie ist. Die lese ich mit offenem Mund und kann kaum fassen, dass ein Mensch so schreiben kann: Zsuzsa Bánk, Isabel Allende, Gabriel García Márquez, Anne Michaels, Martin Walser oder Juli Zeh, um nur ein paar wenige zu nennen. Wobei mir die Geschichten dabei gar nicht so wichtig sind, es ist die Sprache, die mich einfängt. Das Musizieren mit Sprache und die gewaltigen, anrührenden Bilder, die diese Autoren malen finde ich unglaublich.