Klaus Püschel - Autor
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Autor

Klaus Püschel

Klaus Püschel zählt zu den renommiertesten Rechtsmedizinern Deutschlands. Er ist Professor und Direktor des Instituts für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums Hamburg Eppendorf. Außerdem ist er der Herausgeber der Zeitschrift „Blutalkohol“, in der für die juristische und medizinische Praxis verkehrspolitische, juristische und medizinische Beiträge sowie aktuelle Forschungsergebnisse zur Wirkungsweise von Alkohol und Drogen auf die Fahrtauglichkeit veröffentlicht werden.

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Interview

»Bei uns geht es völlig anders zu als im ‚Tatort‘.« | 28.05.2021

Sie waren jahrzehntelang Leiter der Rechtsmedizin am Hamburger UKE – Professor Boerne in echt, sozusagen. Aber wie müssen wir uns Ihre Arbeit tatsächlich vorstellen, im Gegensatz zum sonntäglichen „Tatort“?In der Praxis geht es in der Rechtmedizin völlig anders zu. Der Rechtsmediziner ist eben kein ...

Sie waren jahrzehntelang Leiter der Rechtsmedizin am Hamburger UKE – Professor Boerne in echt, sozusagen. Aber wie müssen wir uns Ihre Arbeit tatsächlich vorstellen, im Gegensatz zum sonntäglichen „Tatort“?
In der Praxis geht es in der Rechtmedizin völlig anders zu. Der Rechtsmediziner ist eben kein Kriminalbeamter, er stellt keinerlei eigene Ermittlungen an, so wie das Börne immer macht. Und er hat auch niemals die Zeit, um sich um nur einen einzigen Fall zu kümmern. Es gibt immer mehrere Fälle gleichzeitig. Und speziell im Sektionssaal sieht es bei uns ganz anders aus als im Tatort: Der Kommissar kommt sicher nicht in Straßenkleidung da rein und wir trinken auch kein Glas Rotwein oder essen Butterbrote. Übrigens sind auch die Untersuchungsmethoden bei Börne manchmal ziemlich weit weg von der Realität.
Warum war es Ihnen wichtig, jetzt Ihr jüngstes Buch „Die Toten können uns retten“ zu schreiben?
Mehr zu schreiben war so oder so mein Plan gewesen für die Zeit im Ruhestand. Im letzten Jahr begann dann aber die Pandemie, und damit war das Thema des Buches im Grunde schon vorgegeben: Im Gegensatz zum RKI habe ich von Anfang an die Meinung vertreten, dass es extrem wichtig ist, die Toten zu untersuchen, um möglichst viel über Covid 19 zu lernen.
Welche Rolle spielt die Rechtsmedizin in der medizinischen Forschung?
Eine sorgfältige Untersuchung der Toten rettet Leben – das gilt nicht nur in der aktuellen Pandemie, auch für etliche andere Beispiele, die im Buch vorkommen, zum Beispiel den plötzlichen Kindstod. Eine der von uns am häufigsten untersuchte Todesursache ist ansonsten die Gewalt und auch da gilt: Wenn man etwas über die Gewalt lernt, lernt man immer auch etwas darüber, wie man Gewalt vermeidet. Die Rechtsmedizin kann also nicht nur dabei helfen, Gewalttäter und Mörder dingfest zu machen, sondern auch konkrete Hinweise darauf geben, wie man tödliche Abläufe vermeiden kann.
Ein für allemal: Was ist der Unterschied zwischen einem Pathologen und einem Forensiker (also Rechtsmediziner)?
„Forensiker“ ist kein geschützter Begriff – viele bezeichnen sich als Forensiker, die gar keine Ahnung von Rechtsmedizin haben. Rechtsmedizin hingegen ist eine Facharztdisziplin, genauso wie die Pathologie. Aber während sich die Pathologen mit natürlichen Todesfällen befassen, sind die Rechtsmediziner zuständig für ungeklärte Todesursachen und den gewaltsamen Tod. Das lässt sich in der Praxis nicht immer klar voneinander trennen.
Warum haben Sie sich als junger Arzt für diese Fachrichtung entschieden?
Ich habe zum Ende meines Studiums einfach in einer sauspannenden Vorlesung gesessen. Das war der beste Rechtsmediziner der Welt, Professor Brinkmann aus Hamburg, der diese unglaublich engagierte und spannende Vorlesung gehalten hat. Damals habe ich gedacht: So wie der will ich werden. Bis dahin dachte ich immer, ich würde Sportmediziner werden. Der Brinkmann wurde dann später übrigens Chef der Rechtsmedizin in Münster und ist das reale Vorbild für Boerne.
Was waren spektakuläre Fälle in Ihrem beruflichen Leben?
Da gibt es unheimlich viele. Ich kann aber ein paar nennen: Der Fall Barschel und der Fall Kachelmann als prominente Beispiele. Voodoo-Morde im Benin und die Taten des St. Pauli-Killers. Ganz besonders spannend sind aber oft eher die kleineren Fälle.
Wem empfehlen Sie das Buch herzlich?
Allen, die gerade Angst davor haben, an Covid zu sterben, oder glauben, wir hätten es mit einem „Killervirus“ zu tun. Und allen, die mehr wissen wollen über die Rechtsmedizin und darüber, was diese Disziplin alles leistet und noch zu leisten imstande ist. Wer mein Buch gelesen hat, weiß jedenfalls ganz sicher besser Bescheid als der durchschnittliche Tatort-Zuschauer.
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