Michaela Beck - Autor
© Barbara Dietl

Autorin

Michaela Beck

Michaela Beck ist freiberufliche Autorin, Dramaturgin und Dozentin - hauptsächlich im Bereich Drehbuch. Neben einem Kinofilm und Drehbüchern für verschiedene TV-Serien hat sie auch Radiofeatures, ein Hörspiel und einen Krimi veröffentlicht. Ihre Web-Graphik-Novel „Ninette“ war für den Grimme-Online-Award und ihr Manuskript „Ein Himmel voller Eskimos“ für den Oldenburger Kinder- und Jugendbuchpreis nominiert. Michaela Beck lebt mit ihrem Mann in Berlin.

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Steckbrief

Steckbrief mit Michaela Beck über ihren Roman „Das Licht zwischen den Schatten“

Lieblingssatz aus dem Buch: Das war damals so.Der optimale Soundtrack zum Buch: Leider bin ich nicht so musik- wie wasseraffin. Für Andrés Kindheit gäbe es da ein Lied zum Altstoffe sammeln: „Ham‘se nicht noch Altpapier, liebe Oma, lieber Opa, klingeling“.Der perfekte Ort, um das Buch zu lesen: Na, ...

Lieblingssatz aus dem Buch:
Das war damals so.
Der optimale Soundtrack zum Buch:
Leider bin ich nicht so musik- wie wasseraffin. Für Andrés Kindheit gäbe es da ein Lied zum Altstoffe sammeln: „Ham‘se nicht noch Altpapier, liebe Oma, lieber Opa, klingeling“.
Der perfekte Ort, um das Buch zu lesen:
Na, so einen Ziegelstein liest man gern im Urlaub am Strand, in der Ski-Baude oder vor einem Berlin-Urlaub. Dann könnte man viele der im Roman erwähnten Orte besuchen und sich anschauen, wie sie heute, dreißig Jahre nach der Wende aussehen. Also man könnte vom Müggelsee mit dem Dampfer nach Mitte fahren und von dort mit der U-Bahn in die Schönhauser Allee und mit der Tram zurück in die Kastanienallee. Über Berlin Mitte geht es dann weiter mit der S-Bahn nach Charlottenburg und anschließend nach Kreuzberg, in die Zossener Straße zur Heiligen Kreuz Kirche.
Wie wichtig sind Freunde, Familie, Berater beim Schreiben?
Ein paar aufbauende Worte sind schon toll. Die ersten Seiten habe ich an Kollegen und Freunde geschickt und zitternd auf die Antworten gewartet. Später nicht mehr, denn generell erzähle ich nicht viel von meinen Projekten.
Wer oder was hilft, wenn es mal schwierig ist, weiterzuschreiben?
Termindruck. Prinzipiell versuche ich jeden Tag an meinen Projekten zu arbeiten. Wenn ich aber mal nicht weiterkomme, lenke ich mich ab, in dem Vertrauen darauf, dass mein Unterbewusstsein beim Fernsehgucken, beim Sport, beim Einkaufen, beim Treffen mit Freunden weiter nach Lösungen sucht. Das funktioniert, braucht aber manchmal etwas Zeit.
Welche Farbe hätte das Cover auf keinen Fall haben dürfen und warum?
Die Farbe war mir nicht wichtig, aber ich hatte auch keine richtige Vorstellung vom Cover. Drei Biografien in einem Umschlag zu fassen und dann auch noch den Ton des Romans zu treffen, das kann, meiner Meinung nach, nur jemand von außen. Und ich finde, der Verlag, meine Lektorin Stefanie Zeller und die Grafiker haben großartige Arbeit geleistet.
Was darf beim Schreiben auf keinen Fall fehlen – abgesehen von Rechner, Schreibmaschine oder Stift?
Nichts Besonderes. Ich habe zwar einen festen Arbeitsplatz, aber ich schreibe auch in der Bibliothek und unterwegs im Urlaub, wenn ein Termin drückt. Dann wandere ich eben nur zwei Stunden oder laufe nur am Nachmittag Ski. Das kennt mein Mann schon.
Welchem Prominenten würden Sie Ihr Buch gern überreichen?
Maria Furtwängler. Ihre Darstellung in „Die Flucht“ hat mich sehr beeindruckt und darin bestärkt, weiter für meinen Stoff zu werben. Damals noch in Form eines Treatments für einen TV-Mehrteiler, den ich an die Drehbuchautorin der „Flucht“ und Filmproduzentin Gabriela Sperl schickte. Oder an Jan Josef Liefers, den ich mir als älteren Konrad sehr gut vorstellen könnte.
Was ist schöner: den letzten Satz zu Ende gebracht zu haben oder das fertige Buch in Händen zu halten?
Definitiv das Buch in den Händen. Denn nach dem letzten Satz kommen die Lektorate. Inhaltlich. Faktisch. Orthografisch. Ich habe in vier Monaten dreimal komplett gelesen und Anmerkungen eingearbeitet, anders formuliert, Szenen hinzugeschrieben, nachrecherchiert und auch auf Tippfehler gelesen. Dreimal 850 Seiten. Das nächste Buch wird kürzer. 😊
Wer das Buch liest, fühlt sich nach der letzten Seite…?
Ich glaube, man braucht erst einmal Zeit, um alles zu überdenken. Da der Roman nicht chronologisch erzählt ist, sind die Hinweise, die zu diesem Ende führen, überall verstreut. Im besten Falle hat man erst am Ende den kompletten Überblick, warum alles so gekommen ist, wie es am Ende kommt.

Interview

„Ich hatte weniger Figuren vor Augen, sondern eher Haltungen“ | 13.06.2023

Liebe Frau Beck, wie sind Sie auf die Idee zu Ihrem Buch gekommen? Das ist ewig her. 2000 lief „Sunshine“ von István Szabó im Kino, eine Familiengeschichte über vier Generationen. Ein Freund aus einer jungen Filmproduktion sprach mich an, ob ich mir so etwas auch für die deutsche Geschichte vorstell...

Liebe Frau Beck, wie sind Sie auf die Idee zu Ihrem Buch gekommen?
Das ist ewig her. 2000 lief „Sunshine“ von István Szabó im Kino, eine Familiengeschichte über vier Generationen. Ein Freund aus einer jungen Filmproduktion sprach mich an, ob ich mir so etwas auch für die deutsche Geschichte vorstellen könnte. Unter seiner dramaturgischen Begleitung entwickelte ich in vielen Gesprächen und noch mehr Papieren drei Biografien, Arbeitstitel: „Familie Deutschland“. Es sollte ein Dreiteiler für das Fernsehen werden. Ist es aber nie geworden, auch keine Serie, da damals niemand Serien wollte, wie wir sie heute kennen. Ich habe mich dann sehr viel später drangesetzt und den Roman begonnen, weil ich den Stoff immer noch gut und wichtig fand.
Das Buch beginnt mit einem Gedicht. Abschnitte davon stehen den fünf Teilen Ihres Romans voran. Was ist Ihre Intention dahinter?
Ich habe das Gedicht als eine Art Zusammenfassung des Romans geschrieben, um es als Motto voranzustellen. Es geht in allen drei Biografien mehr oder weniger um die Liebe: zu einer Frau, zu einem Kind und zu den nicht vorhandenen Eltern. Die Gliederung des Romans in Teil 1 bis 5, die für verschieden Phasen im Erzählbogen des Romans stehen, gab es schon. Irgendwann dachte ich, es wäre gut, das Gedicht auch auf die Teile aufzusplitten. Dafür habe ich das Gedicht etwas angepasst. So ist der Roman nicht nur in fünf Lebensabschnitte unterteilt, sondern es werden durch die Gedichtzeilen auch Erwartungen für den nächsten Abschnitt geweckt.
Vom Ersten Weltkrieg über die Weimarer Republik, die Diktatur der Nationalsozialisten, den Zweiten Weltkrieg, die deutsche Teilung, den Terror der RAF bis zur Wiedervereinigung: Ganz schön viel Stoff für ein Buch! Was war Ihnen besonders wichtig zu erzählen?
Alles. Ich wollte zeigen, wie das eine das andere bedingt. Die Ereignisse der deutschen Geschichte sollten von Beginn an der rote Faden der Geschichte sein. Insofern war das Gerüst vorgegeben, obwohl ich da auch ausgewählt habe. Als jemand aus dem Osten, wollte ich die Ereignisse auch im Osten stattfinden lassen. Die Herausforderung war, die Auswirkungen der politischen Ereignisse auf eine einzige Familie glaubhaft zu erzählen.
Können Sie die drei Protagonist:innen Ihres Romans, die in Deutschland zu verschiedenen Zeiten und in verschiedenen gesellschaftlichen Systemen leben, kurz beschreiben?
Charaktere werden durch ihre unterschiedliche Reaktion auf Ereignisse, durch ihr Handeln oder Nichthandeln sichtbar. Deshalb hatte ich weniger Figuren vor Augen, sondern eher Haltungen, also eine bestimmte Art zu reagieren: KONRAD: schüchtern, zögernd, bescheiden und unentschieden. BRIGITTE: spontan, oft rücksichtslos, ehrlich, aber selbstgerecht. ANDRÉ: wankend zwischen Verunsicherung und Selbstbewusstsein, einen Platz für sich suchend. Und jede Figur hat ein anderes Ziel im Leben: KONRAD, ein Arbeiterkind aus Berlin Prenzlauer Berg, verliebt sich mit elf Jahren in die bürgerliche Selma und versucht alles, um diese Liebe wahrwerden zu lassen. Als er sie hat, versucht er sie zu bewahren. BRIGITTE wird gleich durch drei Gesellschaftssysteme sozialisiert. Erst durch die Nazizeit, dann durch die Nachkriegszeit im Osten und gleich darauf durch die Nachkriegszeit im Westen. Jedes Mal muss sie sich neu anpassen und neu orientieren. Sie will sich emanzipieren, aber als sie es schafft, kommt ihr ihr Sohn abhanden, und die Suche nach ihm bestimmt ihr weiteres Leben. ANDRÉ hingegen fehlt komplett die familiäre Orientierung und er weiß nicht, wer er ist, woher er kommt. Er wächst ohne Eltern auf, aber die Informationen über sie sind widersprüchlich und bald weiß er nicht mehr, wem er überhaupt trauen kann. Doch er gibt die Suche nicht auf.
Der Roman springt zwischen den einzelnen Lebensläufen und ist demzufolge auch nicht chronologisch erzählt. Warum?
Ich wollte, dass alle drei Biografien im selben Alter, mit elf Jahren beginnen. So können Leser:innen parallel eine Kindheit um 1919, um 1950 und um 1976 erleben, miteinander vergleichen und die unmittelbaren Resultate aus dem Handeln oder Nichthandeln der vorangegangenen Generation spüren. Auch erhöht es die Spannung. Der Roman springt permanent in der Zeit und ist nur innerhalb der Biografien chronologisch erzählt. Am Anfang könnten Leser:innen deshalb glauben, dass es drei zufällig ausgewählte Biografien sind. Von Kapitel zu Kapitel wird jedoch klarer, dass es Verbindungen gibt, sich wiederholende Namen und Ereignisse, die von den drei Protagonist:innen aber manchmal unterschiedlich bewertet werden. So entstehen auch falsche Fährten. Man fragt sich beim Lesen, wie alles zusammenhängt. Das erzeugt eine große Spannung.
Gibt es reale Vorlagen zu ihren Romanfiguren?
Eher für die Situationen: Einer meiner Onkel musste zum Beispiel 1953 wie Johann in den Westen flüchten, weil er am 17. Juni in Berlin „ne´ kesse Lippe markierte“, wie meine Oma immer sagte, die das charakterliche Vorbild für Bertha Sollmann war. Und André habe ich Kunstspringer werden lassen, weil ich mich als ehemalige Kunstspringerin, die auch zwei Jahre die Sportschule besuchte, in dieser Sportart gut auskenne. Meinen Hass auf einen meiner alten Trainer habe ich in einer Kinderbadszene verarbeitet. 😊
„Das Licht zwischen den Schatten“ spielt hauptsächlich in Berlin. Sie selbst sind gebürtige Berlinerin und leben bis heute in der Hauptstadt. Hat das die Recherche vereinfacht?
Ja und Nein. Ich dachte, ich kenne mich gut aus, aber meine Lektorin Frau Dr. Geuder hat mir ziemlich oft bewiesen, dass ich gerade die Orte, die ich gut zu kennen glaubte, falsch geschrieben oder sogar falsch erinnert habe. Orte, Personen und Ereignisse aber, die ich recherchieren musste, waren dafür richtig. Dass der Roman hauptsächlich in Berlin spielt, war auch Programm. Ich wollte zeigen, wie sich das Leben am selben Ort durch Politik und Geschichte verändert. Und natürlich wollte ich auch Orte nehmen, die 1919, 1960 und 1980 dieselbe „Hülle“ dafür bieten.
Wie lief der Schreibprozess? Konnten Sie sich in alle Zeiten und Protagonist:innen gleich gut hineinversetzen?
Mir waren alle drei Protagonisten gleich lieb, vielleicht weil ich alle drei Charaktere in mir selbst vereine, nicht ganz so stark, aber Momente von Wankelmütigkeit (Konrad), von mit dem Kopf durch die Wand wollen (Brigitte) und von sich nicht zugehörig fühlen (André) kenne ich gut und kann darüber dann auch schreiben.
Sie haben das Drehbuch für einen Kinofilm und für verschiedene TV-Serien geschrieben. Was unterscheidet die Arbeit an einem Drehbuch von der an einem Roman?
Dass ich Gedanken und Gefühlsäußerungen und einiges mehr direkt einer Person in den Mund legen und auch mitten im Satz rückblickend und zusammenfassend erzählen kann. Im Drehbuch muss ich dafür Szenen, Flashbacks und Handlung erfinden, damit die Zuschauer:innen sehen, was die Person für eine Haltung, einen Charakter hat. Ich kann die Person im Film nicht nur stumm dasitzen und klug oder dumm gucken lassen, nach dem Motto: Oh, sie denkt. Deshalb sind viele enttäuscht, wenn ihr eher handlungsarmer Lieblingsroman verfilmt wird. Entweder es wird nur die Handlung des Romans umgesetzt, dann fehlen die inneren Gedanken und besonders der Ton der Autorin oder des Autors. Oder es werden Handlungen hinzuerfunden, um die Gedankenwelt der Personen zu zeigen, aber dann beschweren sich viele, dass das so nicht im Roman vorkam.
Planen Sie bereits ein neues Buch?
Ja, ich bin gerade bei der Stoffsammlung, arbeite an der Konzeption und habe eine Probe von etwa 30 Manuskriptseiten geschrieben. Mehr will ich erst einmal nicht verraten.

Interview

"Ich hatte schon lange geplant, über die 80er zu schreiben" | 06.09.2024

In DAS LAUTE IM LEISEN begegnen sich Uta und Renée beim Studium im Weimar Anfang der 80er. Wie sind die beiden, was macht sie aus?Während Renée aus einfachen Verhältnissen kommt, pflichtbewusst, zuverlässig und auch etwas naiv ist, ist Uta geradezu ein Freigeist. Ihr Vater ist Stadtarchitekt von Ros...

In DAS LAUTE IM LEISEN begegnen sich Uta und Renée beim Studium im Weimar Anfang der 80er. Wie sind die beiden, was macht sie aus?
Während Renée aus einfachen Verhältnissen kommt, pflichtbewusst, zuverlässig und auch etwas naiv ist, ist Uta geradezu ein Freigeist. Ihr Vater ist Stadtarchitekt von Rostock und dadurch genießt sie bereits als Kind viele Privilegien, die es ihr ermöglichen, ihre künstlerischen Begabungen auszutesten und sich über Grenzen hinwegzusetzen. Und dennoch lernt nicht nur Renée von Uta, sondern beide junge Frauen wachsen aneinander.
Warum ist DAS LAUTE IM LEISEN ein so persönliches Buch?
Weil es durchaus auf meine eigenen Empfindungen und Erfahrungen in meiner Studienzeit als Architekturstudentin in Weimar Anfang der 80er Jahre zurückgreift, ohne in jedem Detail jedoch mit meinen Erlebnissen übereinzustimmen.
Wie hat es sich angefühlt, über Damals zu schreiben?
Insgesamt gut. Ich hatte schon lange geplant, über diese Zeit zu schreiben. Allerdings war es manchmal nicht einfach, sich von dem real Erlebten zu trennen, um eine nachvollziehbare Geschichte zu erzählen. Manches musste ich zeitlich zusammenlegen oder entzerren, anderes überhöhen, um es deutlicher und die damalige Zeit für heute verständlicher zu machen.
Wie hat die Studienzeit Ihr späteres Leben geprägt?
Wenn es gut läuft, ist man als Student:in das erste Mal in seinem Leben tatsächlich auf sich selbst gestellt, fern der Familie und fern alter Freunde. Man kann praktisch noch einmal ganz neu anfangen - auch wenn man sich selbst ja immer im Gepäck hat. Aber wenn es gut läuft, trifft man auf ganz andere Leute, Lehrer und Freunde, die plötzlich in einem das zum Klingen bringen, was zwar vorher sicher schon da war, aber von dem man nicht wusste, dass es in einem schlummerte. Mir ist es damals jedenfalls so ergangen und deshalb ist meine Studienzeit mein schönster und intensivster Lebensabschnitt gewesen.
Wem empfehlen Sie Ihr Buch besonders und warum?
Allen, die gerade studieren oder sich darauf vorbereiten. Aber auch jenen, die ihr Studium bereits hinter sich haben und sich gern an diese schöne spezielle Zeit erinnern und die vielleicht immer noch darüber nachdenken, warum man eine damalige Freundin aus den Augen verloren hat, oder warum und woran diese Freundschaft vielleicht zerbrochen ist. Natürlich ist dieser Roman auch für die, die sich speziell für die Themen Architektur und Kunst interessieren, denn darum geht es zwischen Renée und Uta auch. Was in der Architektur möglich ist und was besonders in der DDR damals nicht möglich war.
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