Michaela Grünig - Autor
© Inga Sommer

Autorin

Michaela Grünig

Michaela Grünig, geboren und seelisch beheimatet in Köln, war lange Jahre im Ausland tätig. Dort kam sie nicht nur mit interessanten Menschen und ihren Geschichten zusammen, sie entdeckte auch ihre große Liebe zum Reisen. Seit 2010 hat sie ihr Hobby, das Schreiben, zum Beruf gemacht. Zusammen mit ihrer Familie und vielen Tieren lebt sie in der Westschweiz.

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Steckbrief

Steckbrief von Michaela Grünig zu ihrer Blankenese-Reihe

Lieblingssätze aus dem Buch:John blickte aus dem Fenster. Äußerlich hatte sich Hamburg nicht verändert, die altbekannten Fassaden zogen an ihm vorbei, als sein Chauffeur den Wagen beschleunigte. Doch dahinter, in den Wohnungen und Häusern, war alles anders. Angst und Sorge um die Zukunft bestimmten ...

Lieblingssätze aus dem Buch:
John blickte aus dem Fenster. Äußerlich hatte sich Hamburg nicht verändert, die altbekannten Fassaden zogen an ihm vorbei, als sein Chauffeur den Wagen beschleunigte. Doch dahinter, in den Wohnungen und Häusern, war alles anders. Angst und Sorge um die Zukunft bestimmten das Denken der Menschen. Schon wieder musste sich jeder selbst der Nächste sein, um sein Leben zu meistern. Niemand wusste, wie es weitergehen würde, und diese Ratlosigkeit hatte Deutschland auch politisch in ein heilloses Durcheinander gestürzt.
Die Stelle im Buch, die am schwierigsten zu schreiben war:

Die Ereignisse der Reichskristallnacht und die Auswirkungen auf beide Familien.

Der optimale Soundtrack zum Buch:
Ich finde es schwer, bestimmte Künstler:innen oder eine spezielle Gattung von Musik zu nennen. Der Handlungszeitraum umfasst 20 Jahre und schließt die Goldenen Zwanziger Jahre mit ihren frechen Liedern genauso mit ein wie die schwere, getragene Musik, die zu den Entwicklungen in der Nazizeit passen würde.
Der perfekte Ort, um das Buch zu lesen:
In einem gemütlichen Blankeneser Café, vielleicht dem Kaffeegarten Schuldt mit seinem wunderbaren Blick auf die Elbe und das Treppenviertel.
Welcher prominenten Person würden Sie Ihr Buch gern überreichen und welche Widmung stünde drin?
Leider ist diese Person bereits verstorben … Ich würde das Buch am liebsten Max Warburg überreichen, und als Widmung würde drinstehen: „Ich danke Ihnen für die Inspiration. Schenken Sie mir eine Stunde Ihrer Zeit, um über Ihr Leben zu sprechen? Ich habe noch so unendlich viele Fragen.“
Was darf beim Schreiben auf keinen Fall fehlen – abgesehen von Rechner, Schreibmaschine oder Stift?
Die Hunde zu meinen Füßen, die Katzen vor mir auf dem Tisch und eine stets gefüllte Kaffeetasse.
Was ist schöner: den letzten Satz zu Ende gebracht zu haben oder das fertige Buch in Händen zu halten?
Definitiv das fertige Buch in Händen zu halten. Zwischen dem beendeten Manuskript und dem Druck kann noch so unendlich viel passieren.
Wer oder was hilft, wenn es mal schwierig ist, weiterzuschreiben?
Schwierige Stellen lese ich gern meiner Mutter und meiner Schwester am Telefon vor. An ihrer Reaktion merke ich sofort, ob ich nachbessern oder neu schreiben muss.
Was war zuerst da: die Story oder eine Figur aus dem Buch?
Bei mir fängt immer alles mit einer bestimmten Szene an. Diesmal war es Lenis und Johns erstes Treffen an der Elbe. Ich habe die beiden Figuren mit all ihrem emotionalen Gepäck dabei direkt vor Augen gehabt und aus dieser Eingebung den Plot entwickelt.
Wie wichtig sind Freund:innen, Familie und Berater:innen beim Schreiben?
Meine Mutter und meine Schwester sind in dieser und jeder anderen Hinsicht unersetzlich. Gerade, weil sie einen so unterschiedlichen Literaturgeschmack haben und immer ehrlich sind!
Lieber akkurat durchplanen oder erstmal drauflos schreiben?
Ich gehöre der „akkurat durchplanen“-Fraktion an. Bei über 500 Seiten dicken historischen Romanen geht es meines Erachtens gar nicht anders. Sonst verzettelt man sich. Bevor ich ein neues Buch anfange, entwickle ich zuerst eine Kapitelübersicht, die ich auch mit meiner Lektorin abstimme.
Welche Farbe hätte das Cover auf keinen Fall haben dürfen und warum?
Das ist eine sehr lustige Frage. Ich habe nämlich jahrelang unter meinem Nachnamen „Grün-ig“ gelitten. Alle vorherigen Verlage wollten mir bewusst oder unbewusst immer gern grüne Cover geben, und ich bin dem Bastei Lübbe Verlag sehr dankbar, dass diesem Trend ein Ende gesetzt wurde und man mir immer sehr schöne Cover vorschlägt.
Wer das Buch liest, fühlt sich nach der letzten Seite…?
Hoffentlich ein bisschen durch den emotionalen Fleischwolf gedreht. Ich wünsche mir, dass die Leser:innen mit den Figuren mitfiebern und sich schon auf die Fortsetzung der Reihe freuen.

Interview

„Es gibt nichts Spannenderes, als über die Lebenswege der Menschen zu lesen, auf deren Schultern unser eigenes Dasein fußt“ | 29.11.2022

Wie sind Sie auf die Idee zu Ihrem neuen Roman gekommen?Blankenese hat schon auf früheren Reisen einen unglaublichen Eindruck auf mich gemacht. Dieses fast mediterrane Flair der Elbgemeinde mit den bunten Fischerhäuschen, verwinkelten Gassen und weißen Villen ist einzigartig. Zudem bin ich durch mei...

Wie sind Sie auf die Idee zu Ihrem neuen Roman gekommen?
Blankenese hat schon auf früheren Reisen einen unglaublichen Eindruck auf mich gemacht. Dieses fast mediterrane Flair der Elbgemeinde mit den bunten Fischerhäuschen, verwinkelten Gassen und weißen Villen ist einzigartig. Zudem bin ich durch meine Recherchen für die „Palais Heiligendamm“-Reihe auf die Biographie von Max Warburg gestoßen, einem bedeutenden deutschen Bankier, der in Blankenese gelebt hat und mit unglaublichem Mut und unter größtem persönlichen Einsatz 75.000 Juden zur sicheren Auswanderung verholfen hat. Das hat mich inspiriert, besonders nachdem ich das Warburg-Archiv auf dem Kösterberg besuchen durfte, in dem alle Vorgänge zu dieser Rettung lagern. Er war es auch, der mich zu der Figur Max Wehrmann, dem Patenonkel von John Casparius, inspiriert hat. Er weist viele Ähnlichkeiten zu der realen Figur auf.
Wovon handelt Ihre neue Familiengeschichte?
Vom Schicksal zweier Familien, die unterschiedlicher nicht sein könnten und doch durch Liebe, Hass, Intrigen und Geheimnisse aufs Engste miteinander verbunden sind: auf der einen Seite die Familie Casparius, vornehme Reedereibesitzer, die eine herrschaftliche Villa an der Elbchaussee bewohnen, zum anderen die Hansens, eine Kapitänswitwe und ihre Kinder, die aus ärmlichen Verhältnissen stammen und in einer Tweehus-Hälfte im Treppenviertel leben. In diesem ersten Band, der sich den Ereignissen der Jahre 1919 bis 1939 widmet, erzähle ich von John Casparius, einem desillusionierten Kriegsheimkehrer, der lebenslustigen und tatkräftigen Lena Hansen und ihrer Mutter Irma, die alles tut, um ihre Lieben über Wasser zu halten.
Blankenese ist ein ehemaliges Fischerdorf und heutzutage als Hamburger Ortsteil bekannt für seine schöne Architektur und die Nähe zur Elbe. Was fasziniert Sie persönlich, wenn Sie durch Blankenese spazieren?
Blankenese hat sich erst über viele Jahrzehnte zu dem großbürgerlichen Villenviertel entwickelt, das wir heute kennen. Diese Historie ist daher voller spannender Kontraste, die meinem Roman die perfekte Kulisse bieten. Neben dem unglaublichen Ausblick auf die Elbe und der Schönheit der Umgebung, fasziniert mich, wie sich die Menschen in diesem Mikrokosmos verhalten haben. Welche Umstände haben beispielsweise dazu geführt, dass damals die Mehrheit der Blankeneser:innen die Machtübernahme durch die NSDAP begrüßt hat?
Ihr Roman beginnt im Jahr 1919, woher stammt Ihr Wissen über diese Zeit?
Ich habe generell große Freude daran, durch die Recherchen zu meinen Büchern in die Vergangenheit zu reisen. Es gibt viele gute Quellen, um sein Wissen über diese Zeit aufzufrischen und zu erweitern, zum Beispiel durch Tagebucheinträge von Zeitzeug:innen oder Aufsätze von Historiker:innen. Diesmal bin ich aber auf eine wahre Goldader gestoßen: Der Förderkreis Historisches Blankenese hat die Lokalgeschichte in mehreren Büchern auf das Wunderbarste dokumentiert. Dadurch konnte ich meine Figuren noch tiefer mit dem realen Zeitgeschehen verflechten.
Die Geschichte von Leni und John spielt in etwa zur gleichen Zeit wie Ihre dreiteilige Reihe „Palais Heiligendamm“, was genau interessiert Sie an dieser Zeit?
Ist es nicht faszinierend, dass zwischen 1919 bis 1971 und 1971 bis 2023 genau die gleiche Anzahl von Jahren liegt? Für die jüngere Generation scheint 1919 ferne Vergangenheit zu sein, aber im Grunde haben die Menschen damals wie heute mit den gleichen Problemen zu kämpfen. Nehmen wir doch nur die Inflation. Der erste Weltkrieg war durch Anleihen finanziert, in denen die Bevölkerung ihre ganzen Ersparnisse investiert hatte. Die Geldentwertung von 1923 hat diese Schulden des Staates dahinschmelzen lassen, ohne für einen Ausgleich zu sorgen. Das hat den Glauben der Menschen in ihre demokratisch gewählte Regierung zerstört und sie nach einem „starken Mann“ rufen lassen. Führt die Verzweiflung der Menschen über die heutige Inflation nicht ebenfalls zu politischen Verwerfungen und einem Zulauf bei den Randparteien? Auch die plakativen Schwarz- Weiß-Argumente der heutigen Zeit waren damals schon geläufig.
Warum haben Sie mit „Blankenese - Zwei Familien“ eine weitere Familiengeschichte geschrieben? Was gefällt Ihnen daran?
Ehrlich gesagt, lese ich selbst am liebsten Familiengeschichten. Die Figurenkonstellation „Vater, Mutter, Geschwister“, das Miteinander, aber auch die Konflikte sind mir vertraut, und ich finde es inspirierend zu erleben, wie es in anderen Familien zugeht. Gleichzeitig erlauben die verschiedenen Perspektiven eines solchen Charakterensembles und die Zeitspanne einer Reihe, die Ursachen für die gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen Deutschlands widerzuspiegeln. Man kann selbst gegensätzliche Beweggründe plausibel darstellen und animiert die Leser:innen dadurch, sich selbst Gedanken zu machen.
Immer wieder taucht Hamburger Plattdeutsch im Roman auf. Die Charaktere benutzen Wörter wie „Törfkopp“ oder „Botterbroot“. Woher kennen Sie den Dialekt so gut?
Vielen Dank … aber ehrlich gesagt, spreche ich kein Wort Platt! Die Einschübe im „O-Ton Nord“ verdanke ich einigen guten Hamburger Freunden und dem plattdeutschen Konversationshandbuch „Nich lang schnacken“ von Olaf Wolkenhauer.
Warum haben Sie das Cinderella-Motiv (reicher Mann/arme Frau) in der Liebesbeziehung zwischen John und Leni aufgegriffen?
Es hat mich schon früher geärgert, dass eine solche Beziehung selten realistisch mit all ihren Schwierigkeiten geschildert wird. Friede, Freude, Eierkuchen herrscht eher selten, wenn so unterschiedliche Welten wie die von John und Leni kollidieren. Deshalb ging es mir darum, alle Schwierigkeiten eines solchen gesellschaftlichen Aufstiegs auszuloten: Die mangelnde Akzeptanz der feinen Gesellschaft einerseits, aber auch die Unsicherheiten, die aus der unterschiedlichen Bildung und Erfahrung stammen. Gegen Ende des Buchs gibt es dann eine Umkehr des Schicksals, und aus der armen Leni wird die gesellschaftlich akzeptierte Arierin, aus dem vermögenden John der verachtete „Halbjude“.
Was möchten Sie mit Ihren Romanen bei Ihren Leser:innen erreichen?
Natürlich möchte ich meine Leser:innen in erster Linie so gut wie möglich unterhalten. Ich würde mir wünschen, dass das Schicksal meiner Figuren emotional berührt und mitfiebern lässt. Darüber hinaus fände ich es schön, wenn meine Bücher den Leser:innen die deutsche Geschichte etwas näherbringen. In meinen Augen gibt es nichts Spannenderes, als über die berührenden Lebenswege derjenigen Menschen zu lesen, auf deren Schultern unser eigenes Dasein fußt.
Geht es mit Blankenese weiter? Wenn ja, werden wir bekannte Figuren wiedersehen?
Ich sitze gerade an der Recherche für den zweiten Band der Reihe. Darin geht es unter anderem um ein Gebäude der Warburgs, in dem von 1945 bis 1947 ein Heim für jüdische Kinder eingerichtet wurde, die das KZ Bergen-Belsen überlebt haben. In 2005 gab es eine Zusammenkunft dieser ehemaligen Kinder, die über die ganze Welt verstreut leben und sich alle in Blankenese wiedergetroffen haben. Und natürlich wird es ein Wiedersehen mit den hoffentlich liebgewonnenen Figuren geben. Allerdings wird diesmal der Fokus auf der jüngeren Generation liegen, genauer gesagt auf Fanni, Kurt und Sonja.

Interview

„Außerdem ist Heiligendamm als erstes deutsches Seebad ein sehr geschichtsträchtiger Ort, an dem man wunderbar die wechselhafte Chronik unseres Landes nachverfolgen kann.“ | 22.10.2020

Wie ist die Idee zu Ihrer dreiteiligen Familiensaga entstanden?Wie so oft war es reiner Zufall. Mir ist ein alter Artikel über das G8-Treffen in Heiligendamm in die Hände gefallen. Darin stand, dass Adolf Hitler immer noch als Ehrenbürger in Bad Doberan geführt wird und sich die Rechtsgelehrten unei...

Wie ist die Idee zu Ihrer dreiteiligen Familiensaga entstanden?
Wie so oft war es reiner Zufall. Mir ist ein alter Artikel über das G8-Treffen in Heiligendamm in die Hände gefallen. Darin stand, dass Adolf Hitler immer noch als Ehrenbürger in Bad Doberan geführt wird und sich die Rechtsgelehrten uneins darüber wären, ob dieser Zustand mit seinem Tod erloschen sei oder, ob ihm diese Auszeichnung extra aberkannt werden müsse. Das hat umgehend mein Kopfkino anlaufen lassen … wie haben die Menschen wohl damals dort gelebt?
Der Schauplatz Ihres Romans ist Heiligendamm. Was fasziniert Sie so sehr an diesem Ort?
Die Atmosphäre. Niemand, der je auf der sturmumtosten Seebrücke gestanden und auf die wie Perlen aufgereihten schneeweißen Gebäude geblickt hat, wird sich der Schönheit und Anmut dieser außergewöhnlichen Landschaft entziehen können. Außerdem ist Heiligendamm – als erstes deutsches Seebad – ein sehr geschichtsträchtiger Ort, an dem man wunderbar die wechselhafte Chronik unseres Landes nachverfolgen kann.
Der Roman zeichnet sich durch seine besonderen Figuren aus. Eine ist beispielsweise die eigensinnige Tochter Elisabeth, die viel kaufmännisches Geschick besitzt und die das Luxushotel ihres Vaters weiterführen will, eine andere ihr Bruder Paul, der die klassische Musik und das Klavierspiel liebt und seine Zukunft nicht im familieneigenen Hotel sieht. Was war Ihnen bei der Figurenkonzeption besonders wichtig?
Auch wenn sich einige Klischees sicherlich nicht vermeiden lassen, wollte ich vor allem authentische Charaktere erschaffen. Vielschichtige Figuren, die sowohl positive als auch negative Eigenschaften haben – wie wir alle eben. Gleichzeitig hat mich die damalige Rolle der Frau interessiert. Unter welchen Umständen konnte man aus dem engen gesellschaftlichen Korsett ausbrechen? Die Figur des Paul Kuhlmann hat mir dagegen erlaubt, ein Schlaglicht auf die schwierige Lage von homosexuellen Männern zu werfen, die unter dem Damoklesschwert des Paragraphen 175 leben und lieben mussten.
Gibt es Figuren, die Ihnen beim Schreiben besonders ans Herz gewachsen sind? Welche sind das? Und gibt es Vorbilder im realen Leben?
Da ich mich mit Elisabeth, Paul und Minna am meisten beschäftig habe und aus ihrer Perspektive schreibe, stehen die drei mir natürlich sehr nahe. Hm … Vorbilder. Vielleicht ist Elisabeth in gewisser Weise meiner Großmutter nachempfunden, die eine ziemlich umtriebige, geschäftstüchtige und selbstbewusste Frau war. Nachdem sie in Dresden ausgebombt worden war, ist sie am nächsten Tag erneut in das einsturzgefährdete Gebäude gegangen, um möglichst viele Wertgegenstände zu retten. Diese Wertsachen hat sie dann auf der Flucht vor der Roten Armee in Lebensmittel eingetauscht und auf diese Weise verhindert, dass ihre Familie Hunger litt. Paul hat wahrscheinlich viele Eigenschaften meines homosexuellen Großonkels „geerbt“, der ein ausgesprochen schöner, kunstbeflissener und liebenswerter Mann war.
Sie selbst stammen von einer Hoteliersfamilie ab. Wie viel Autobiografisches steckt in Ihrem Roman? Gibt es besondere Anekdoten aus dieser Zeit?
Durch die Erzählungen meiner Mutter ist die spannende Welt von früher wieder für mich zum Leben erweckt worden. Viele Kleinigkeiten sind mir dabei überliefert worden: zum Beispiel, wie großzügig die Küchenangestellten ihr Leckerbissen zugesteckt haben. Der Geruch von frischem Bohnerwachs am Morgen. Der Duft der schweren Parfüms der Damen am Abend, der bis in ihr Schlafzimmer hinaufzog. Es gab auch negative Seiten: dass bei ihren Eltern die Gäste grundsätzlich vor der eigenen Familie kamen. Und dass die ganze Familie, selbst bei Schicksalsschlägen, wie aus dem Ei gepellt gekleidet sein musste. Überhaupt war die gesellschaftliche Etikette meinen Großeltern immens wichtig. Das habe ich auch am eigenen Leib gespürt. Bevor ich als Kind mit ihnen in Urlaub fahren und im öffentlichen Speisesaal essen durfte, musste ich auf dem Zimmer die richtigen Essmanieren einstudieren.
Wo finden Sie Inspiration für Ihre Geschichten?
Meistens beflügeln Zeitungsartikel oder Gespräche mit Familie, Freunden und Bekannten meine Fantasie. Ich habe schon immer gern geträumt und Geschichten weitergesponnen. „Was wäre, wenn …“ sind meine Lieblingsworte.
Wie verbringen Sie Ihre freie Zeit?
Auch wenn ich da wahrscheinlich ein Klischee bediene: Ich lese wahnsinnig viel. Zum Ausgleich gegen das Sitzen, reite ich, fahre leidenschaftlich gern Ski und gehe mit meinen Hunden im Wald spazieren.
Gibt es außer Heiligendamm noch weitere Sehnsuchtsorte, die Sie gerne bereisen?
Vielleicht ist das einzig Positive an dieser schrecklichen Pandemie, dass wir uns darauf besinnen, dass es auch wunderschöne Sehnsuchtsorte in Deutschland und der nahen Umgebung gibt. Spontan fallen mir zum Beispiel der Chiemsee bei Seebruck und das Schloss Wernigerode im Harz ein. Aber auch in Lausanne, wo ich seit fünfzehn Jahren wohne, stockt mir immer noch der Atem, wenn ich nach einer steilen Kurve, plötzlich das zauberhafte, von Bergen gesäumte Seepanorama erblicke …
Ihr Roman spielt Anfang des 20. Jahrhunderts und sie verarbeiten Themen, wie die Stellung der Frau, Homosexualität und Diversität, die bis in die heutige Zeit aktuell sind. Wie stehen Sie persönlich zu diesen Themen?
Alle diese Themen sind mir sehr wichtig. Zum Beispiel ist es mir ein Anliegen die LGBT in unserer eher „heteronormativen Welt“ durch meine Charaktere ein wenig sichtbarer werden zu lassen. Eins meiner absoluten Lieblingsbücher ist „Maurice“ von E. M. Forster. In meinen Augen ist es ein unglaublich romantisches Buch. Herzzerreißend romantisch sogar. Forster erzählt darin die Geschichte eines jungen Mannes zur Jahrhundertwende, der sich während seines Studiums in Cambridge in seinen Kommilitonen verliebt und sich dadurch seiner Homosexualität bewusst wird. Deshalb hat es mich natürlich sehr interessiert, wie homosexuelle Männer damals in Deutschland gelebt haben.
Wie haben Sie für den ersten Teil von Palais Heiligendamm – Ein neuer Anfang recherchiert und sich mit der Zeit Anfang des 20. Jahrhunderts vertraut gemacht?
Die Geschichte Deutschlands hat mich schon immer fasziniert. Deshalb war ich sehr dankbar für die Zeit, in der ich mich ausschließlich mit der Recherche über die Kaiserzeit, den Ersten Weltkrieg und die Weimarer Republik befassen konnte. Eigentlich dachte ich, dass ich schon viel wüsste …, doch dann habe ich noch viele neue Facetten entdeckt. Zum Beispiel, wie sehr sich die narzisstischen Persönlichkeiten von Kaiser Wilhelm II. und Donald Trump ähneln. Beim ersten Band haben mir besonders zwei Bücher die Recherche erleichtert: „Verborgene Chronik 1915 – 1918“, hrsg. vom Deutschen Tagebucharchiv, in denen die Tagebucheinträge verschiedener Zeitgenossen gesammelt sind, und „Pro Fide et Patria“, die Kriegstagebücher eines katholischen Feldgeistlichen im Großen Hauptquartier des Kaisers, hrsg. von Frank Betker und Almut Kriele.
Haben Sie literarische Vorbilder oder Lieblingsautoren?
Am besten beschränke ich mich auf die deutschsprachige Literatur, sonst sind es zu viele: Ich liebe Erich Kästner, Erich Maria Remarque und Stefan Zweig. Von den modernen Autoren lese ich gern die Bücher von Rebecca Gablé, Marie Lamballe, Eva Völler und die Krimis von Andreas Föhr.
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