Shari Lapena - Autor
© Tristan Ostler

Autorin

Shari Lapena

Shari Lapena arbeitete als Rechtsanwältin und Englischlehrerin, bevor sie sich dem Schreiben von Romanen widmete. Ihr Thrillerdebüt THE COUPLE NEXT DOOR sorgte bereits vor seiner Veröffentlichung international für Furore. Der Roman wurde in 28 Länder verkauft, stand wochenlang auf Platz 1 der SUNDAY-TIMES-Bestsellerliste sowie auf der Bestsellerliste der NEW YORK TIMES und wurde vielfach hymnisch besprochen. Mit ihrem zweiten Thriller A STRANGER IN THE HOUSE konnte sie an den sensationellen Erfolg des Vorgängers anknüpfen, auch dieser Roman wurde zu einem internationalen Bestseller. Shari Lapena lebt mit ihrem Ehemann und den beiden gemeinsamen Kindern in Toronto. 

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Interview

Shari Lapena spricht im Interview über ihren neuen Roman „A Stranger in the House" | 18.07.2018

Ihr Thriller-Debüt „The Couple Next Door" wurde auf Anhieb ein internationaler Bestseller. Es gab sicher hohe Erwartungen im Hinblick auf „A Stranger in the House". Wie sind Sie mit diesem Druck umgegangen?Was über das „schwierige zweite Buch“ behauptet wird, entspricht der Wahrheit. Es gibt eine Vi...

Ihr Thriller-Debüt „The Couple Next Door" wurde auf Anhieb ein internationaler Bestseller. Es gab sicher hohe Erwartungen im Hinblick auf „A Stranger in the House". Wie sind Sie mit diesem Druck umgegangen?
Was über das „schwierige zweite Buch“ behauptet wird, entspricht der Wahrheit. Es gibt eine Vielzahl von Gründen, warum ein zweiter Roman schwieriger ist als der erste, und einer dieser Gründe ist die Erwartungshaltung, die mit dem zweiten Buch verbunden ist. „The Couple Next Door" hatte mehr Erfolg, als ich es mir in meinen kühnsten Träumen hätte ausmalen können. Außerdem gibt es plötzlich erheblich mehr Ablenkungen – sehr viele Reisen und Anfragen für PR-Aktionen, die allesamt Zeit kosten, die man eigentlich fürs Schreiben benötigt. Und ja, zu Anfang habe ich mich mit „A Stranger in the House" schwergetan. Ich glaube, dass ich mir zu viele Gedanken gemacht habe. Aber nachdem ich erstmal mit dem Schreiben angefangen hatte, entwickelte sich das Buch ebenso von selbst wie „The Couple Next Door". Jedes Buch hat seine eigenen Herausforderungen, denn jedes Buch ist anders.
„A Stranger in the House" steht seinem Vorgänger in punkto Erfolg und Spannung in nichts nach: Geheimnisse, Lügen, Verbrechen, Sex und Intrigen in der scheinbar perfekten Vorstadtidylle. Woran liegt es, dass diese Kulisse die Geschichte noch unheimlicher macht, als sie eh schon ist?
Meiner Meinung nach macht es die Geschichte besonders unheimlich, dass ein Mensch scheinbar unverschuldet in Gefahr gerät. Wenn man allein durch eine finstere Gasse läuft, ist es nicht gerade verwunderlich, wenn man plötzlich von jemandem überfallen wird. Sehr viel beunruhigender ist es, wenn etwas komplett Unerwartetes in ein scheinbar völlig vorhersehbares Leben einbricht.
In „A Stranger in the House" ist die Figur des Tom Krupp seit zwei Jahren glücklich mit Karen verheiratet, als er eines Abends nach Hause kommt und sie spurlos verschwunden ist. Stunden später erfährt er, dass sie einen Autounfall hatte und die Polizei sie eines Mordes beschuldigt. Toms Liebe zu seiner Frau verwandelt sich in Angst, Zweifel, Misstrauen. Warum entspricht ein derart schneller Sinneswandel der menschlichen Natur?
Ich glaube, dass es in der menschlichen Natur liegt, nach Antworten zu suchen, wenn wir Fragen haben. Nach dem Unfall ist Tom misstrauisch, denn er fragt sich, warum seine Frau überhaupt am Unfallort gewesen ist. Es ist nur natürlich, dass er Antworten will. Vor allem in Stresssituationen springt der menschliche Verstand auf der Suche nach Antworten von einer Möglichkeit zur anderen und entwickelt dabei die absonderlichsten Theorien. Wir wissen alle, wie schnell wir auf Grundlage sehr weniger Informationen voreilige Schlüsse ziehen. Und wir wissen, dass menschliche Gedanken und Gefühle leicht zu manipulieren sind. Menschen können äußerst emotional reagieren. Das ist es, was an Thrillern so viel Spaß macht. Der Autor spielt in gewisser Weise mit den Gedanken und Gefühlen seiner Leser, suggeriert Ideen und Möglichkeiten und vermag es, den Leser damit auf die Folter zu spannen. Er überlässt es ihm, die Lücken zu füllen, und gedanklich ein paar beängstigende Wege einzuschlagen.
Karen erleidet bei dem Unfall eine Gehirnerschütterung und behauptet, sich an nichts mehr erinnern zu können. Etwas Licht scheint die Nachbarin Brigid ins Dunkel zu bringen. Können Sie Ihren deutschen Lesern etwas über die besondere Beziehung der beiden Frauen erzählen?
Die Beziehung zwischen Karen und ihrer Nachbarin Brigid ist kompliziert. Ich möchte nicht allzu viel verraten, aber Brigid ist von Natur aus wissbegierig und neugierig. Sie hat ganz persönliche Gründe dafür, dass sie sich Karen gegenüber so verhält, wie sie es tut. Dies sind Gründe, von denen Karen nichts weiß.
Brigid und ihr Ehemann Bob haben Eheprobleme, weil Brigid trotz Fruchtbarkeitsbehandlungen nicht schwanger wird, den ganzen Tag am Fenster sitzt, Babysachen strickt und die Krupps beobachtet. Brigid ist eine großartige Figur. Wie viel Spaß hat es gemacht, sie zu konzipieren?
Oh, es hat ungemein viel Spaß gemacht: Brigid ist eine meiner Lieblingsfiguren! Sie löst so viele ambivalente Gefühle aus. Einerseits hat man großes Mitleid mit ihr, weil sie unter ihrem unerfüllten Kinderwunsch leidet, aber für ihre schwangeren Freundinnen Babysachen strickt – weil sie eine Strickgöttin ist. Aber andererseits hat sie auch etwas Dreistes an sich, das man sich zu Anfang gar nicht so recht erklären kann. Sie ist eine komplizierte Figur und ich habe es sehr genossen, mich in sie hineinzuversetzen und mir vorzustellen, was sie wohl als nächstes tun würde. Es macht besonders großen Spaß Figuren zu schreiben, die ausgesprochen emotional, neurotisch und in mancherlei Hinsicht ein bisschen „von der Rolle“ sind, weil sie einen immer überraschen.
Was war der Auslöser, der Sie auf die Idee gebracht hat, „A Stranger in the House" zu schreiben?
Das kann ich gar nicht mehr genau sagen. Ich wusste, dass ich eine Geschichte über eine Frau schreiben will, die vor irgendetwas flüchtet und einen Unfall erleidet. Die mysteriösen Umstände des Vorfalls sollten sowohl bei ihrem Ehemann als auch bei der Polizei die Alarmglocken läuten lassen. Mir gefiel die Vorstellung, was passiert wäre, wenn es nicht zu diesem Unfall gekommen wäre. Womit wäre diese Frau dann ungestraft davongekommen?
Sie waren vor Ihrer Autorenkarriere als Rechtanwältin und Englischlehrerin tätig. Wie sind Sie zum Schreiben gekommen?
Ich wollte immer Schriftstellerin werden, schon als Kind, aber ich hielt das nicht gerade für eine sehr aussichtsreiche Wahl. Also habe ich mich für andere, pragmatischere Berufe entschieden. Wie Ihnen aber jeder Autor bestätigen wird, ist diese Sehnsucht zu schreiben, wie eine Sucht, die man nur für gewisse Zeit ignorieren kann. Nachdem ich mein erstes Kind bekommen habe, war ich erstmal nicht berufstätig, weil ich mich zu Hause um meinen Sohn kümmern wollte. Das habe ich als Gelegenheit genutzt, mit dem Schreiben anzufangen. Heute wünschte ich, ich hätte schon früher damit begonnen. Ich rate meinen Kindern immer zu tun, was sie interessiert und ihren Interessen nachzugehen.
Ihre ersten Romane sind 2008 und 2011 erschienen. Beides waren erfolgreiche Komödien. Dann haben Sie angefangen, Thriller zu schreiben. Wie kam es dazu? Was fasziniert Sie an diesem Genre am meisten?
Ich wollte einen Thriller schreiben, weil ich dieses Genre immer leidenschaftlich gern gelesen habe. Ich war Zeit meines Lebens von Thrillern begeistert und wollte mich schon lange selbst an einem versuchen. Ich dachte jedoch, ich sei extrem schlecht darin, ein Handlungsgerüst zu erstellen. Als ich meine ersten beiden Bücher schrieb, hatte ich überhaupt keinen Plan, wie ich beim Schreiben vorgehen sollte. Ich hatte zu Anfang lediglich eine Idee. Dann habe ich mich hingesetzt und die Bücher runter geschrieben. Ich dachte, einen Thriller müsse man im Vorfeld sehr viel sorgfältiger planen, weil der Plot unglaublich wichtig für den Spannungsbogen ist. Als ich es dann einfach versuchte, entstand „The Couple Next Door". Was mich an diesem Genre so fasziniert, ist der Umstand, dass ich selbst eine sehr emotionale Autorin bin. Ein Thriller erlaubt es einem, sich tief in menschliche Gefühle hineinzuversetzen – in sämtliche Gefühle, sogar die finsteren –, und das ist aufregend.
„A Stranger in the House" macht so süchtig, dass man sich gern dafür eine Nacht um die Ohren schlägt. Wie konzipieren Sie eine derart komplexe Story, in der der Leser immer zum richtigen Zeitpunkt die genau richtige Art und Menge an Informationen erhält?
Ich wäre froh, wenn ich das wüsste! Ich beginne mit einer Prämisse, die im Hinblick auf die Figuren und die Richtungen, die sie einschlagen könnten, sehr viel Potential hat. Solange die Prämisse ausreichend Raum lässt, um damit zu arbeiten, entwickelt sich die Geschichte in vielerlei Hinsicht von selbst. Allerdings muss ich, sobald ich die erste Rohfassung fertig habe und die Grundzüge der Geschichte kenne, sehr vieles immer wieder neu umschreiben, damit der Plot so viel Spannung wie eben möglich enthält. Das heißt, dass Dinge anders angeordnet werden müssen, geklärt werden muss, welche Informationen der Leser wann bekommt, und es muss entschieden werden, wie und wann der Leser gezielt in die Irre geführt wird. Ich liebe es, den Leser am Ende eines Kapitels mit einem Cliffhanger zu konfrontieren.
Ihre Bücher wurden bislang in 28 Länder verkauft. Wie viele von denen haben Sie bereits besucht und wo hatten Sie bisher am meisten Spaß?
Es sind inzwischen schon 35 für „The Couple Next Door" und fast ebenso viele für „A Stranger in the House". Bislang, das heißt, seit Erscheinen von „The Couple Next Door", bin ich in England gewesen, in den USA, in Deutschland – was mir wahnsinnig gut gefallen hat! –, in der Türkei, in Dubai, in China und in Griechenland, und in Kürze werde ich nach Island fliegen. Ich reise leidenschaftlich gern. Jedes dieser Länder ist anders und für mich persönlich exotisch. Es ist immer ein Abenteuer, eine andere Kultur zu erleben.
Nun ist das Leben eines Bestsellerautors längst nicht so beschaulich, wie die Leser sich das vielleicht vorstellen: Pressereisen, Signierstunden, Buchmessen, Interviews und soziale Netzwerke müssen absolviert und bedient werden, während eigentlich das nächste Buch ansteht. Und darüber hinaus haben Sie ein ganz normales Familienleben mit Mann und Kindern. Wie bringen Sie das alles unter einen Hut und wie sieht ein ganz normaler Tag bei Ihnen aus?
Wie ich das alles bewältige, weiß ich manchmal selbst nicht! Es gibt Phasen, in denen es total hektisch zugeht – in der Regel in den Wintermonaten, wenn ich unter Zeitdruck redigiere, weil ich Abgabetermine habe, und die Kinder sehr beschäftigt sind. Dann arbeite ich sieben Tage in der Woche. In anderen Phasen wie im Frühjahr und Sommer, wenn ich ein Buch abgegeben habe und gerade mit einem neuen anfange, ist alles leichter zu bewältigen. Im Moment sieht ein normaler Tag wie folgt aus: Sobald die Kinder in der Schule sind, beantworte ich dringende Emails und arbeite anschließend an meinem neuen Buch (mein Ziel sind 1500 Worte pro Tag). Wenn ich damit fertig bin, befasse ich mich mit PR-Anfragen, schreibe Artikel oder plane Veränderungen an meiner Website. Wenn ich unterwegs bin, habe ich nicht die Zeit zum Schreiben, also muss ich das dann hinterher irgendwie nachholen. Es gibt immer viel zu tun, das steht fest!
„A Stranger in the House" nimmt am Ende derart spektakuläre Wendungen, dass sich die Frage einfach stellt: Wie viele Menschen haben Sie bereits angefleht, eine Fortsetzung zu schreiben?
Haha! Mich haben schon SO VIELE Menschen um eine Fortsetzung von „A Stranger in the House" gebeten, dass ich nahezu Gewissensbisse habe, sie nicht geschrieben zu haben. Im Moment arbeite ich an meinem vierten Buch, das nichts mit diesen Figuren zu tun hat, aber man weiß ja nie ...

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