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Tristan Horx

Tristan Horx, Jahrgang 1993, ist Trend- und Zukunftsforscher beim Zukunftsinstitut und untersucht dort aus Perspektive der jüngeren Generationen die Themen Digitalisierung und Ökologie.

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Interview

»IRGENDWANN WERDEN DIE JETZIGEN CHEF:INNEN BLOSS TOURIST:INNEN IN UNSERER WELT SEIN!« | 01.02.2023

Dein aktuelles Buch trägt den Titel „Sinnmaximierung. Wie wir in Zukunft arbeiten“. Was gibt Arbeit einen Sinn?Das Problem: Wir sehen Arbeit sehr getrennt von unserem Leben. Man arbeitet, um zu leben. Ich finde das deprimierend. Als Menschen verspüren wir ein tiefes Bedürfnis, unser Umfeld, und dami...

Dein aktuelles Buch trägt den Titel „Sinnmaximierung. Wie wir in Zukunft arbeiten“. Was gibt Arbeit einen Sinn?
Das Problem: Wir sehen Arbeit sehr getrennt von unserem Leben. Man arbeitet, um zu leben. Ich finde das deprimierend. Als Menschen verspüren wir ein tiefes Bedürfnis, unser Umfeld, und damit die Gesellschaft, zu verändern und zu verbessern. Und das löst Dopamin aus und macht uns glücklich. Etwas zu finden, das man so liebt, dass sich die manchmal anstrengenden Teile von Arbeit nicht wie Arbeit anfühlen – das muss der Anspruch sein, damit sie für uns einen Sinn macht. Es ist immer alles mit Augenrollen und Anstrengung assoziiert, und ich will da ein anderes Bild aufzeigen: dass es sich lohnt, der Arbeit nachzugehen, die einem Spaß macht, in der man gut ist und die am Ende des Tages auch Geld generiert, von dem man leben kann.
Wann sind Menschen mit ihrem Job glücklich?
Wenn sie ihn eben nicht als „Job“ verstehen, als etwas Kurzzeitiges, das sie davor bewahrt, zu verhungern und zu erfrieren. Wir müssen weg von Jobs hin zu Berufen, in denen man seiner Berufung näherkommt. Meine Überzeugung: Jeder hat eine Passion. Was ich am Begriff Work-Life-Balance so tragisch finde: Er impliziert, dass man etwas Negatives (Work) mit etwas Positivem (Life) aufwiegen muss.
Was können andere Generationen von der Deinen in Bezug auf die Arbeitswelt lernen?
Was unsere Generation macht: Wir hinterfragen, wir stellen die Sinnfrage, wir können auch mal laut werden und protestieren. Wir rebellieren gegen den Status Quo, und das müssen die älteren Generationen ernst nehmen. Denn irgendwann werden die jetzigen Chef:innen bloß Tourist:innen in unserer Welt sein. Gerade wenn es um das Thema Arbeitszeit geht, sieht man ja ganz hart, wie stringent das gefahren wird. Die Älteren denken meist noch sehr industriell: Du musst acht Stunden absitzen – du musst da sein, ich schaue dir auf die Finger –, aber im Großteil der Berufe kann niemand acht Stunden lang produktiv sein. Heute regt man sich auf, dass wir von 40 Wochenarbeitsstunden runter wollen auf 32. Früher waren es 60. „Am Samstag gehört der Papa mir!“, das war ja der gewerkschaftliche Slogan. Doch wenn die Arbeitszeit reduziert wird, und wir nur noch vier Stunden unseres Tages der Arbeit schenken, dann sind wir entspannter, glücklicher und ausgeglichener. Allerdings: Die neuen Arbeitskonzepte – weniger Arbeitszeit, Homeoffice, flexibles Arbeiten –, die setzt man ja nicht um, weil es chilliger ist, weil keiner mehr arbeiten will, sondern weil es produktiver ist. Da muss man sich einfach die Zahlen anschauen. Deshalb heißt mein Buch auch „Sinnmaximierung“ – ein Mix aus etwas Weichem wie Sinn und etwas Kaltem wie Wirtschaftlichkeit, Effizienz. Und das ist sehr gut kombinierbar, weil man ja auch immer Menschen anstellt, nicht Positionen oder Berufe.
Was sollte ein Unternehmen bieten, um junge Leute für sich zu gewinnen?
Es sollte schon nach außen hin signalisieren: Wir haben verstanden, wo die Arbeitswelt hingeht, was ihr braucht. Meine größte Empfehlung für Unternehmen lautet, Leute aus den verschiedenen Generationen in die Führungsstrukturen einzubauen – dann umgeht man ganz viele Probleme. Sitzt einem Bewerber aus der jüngsten Generation Z beim Vorstellungsgespräch ein Marketing-Chef aus derselben Generation gegenüber, sagt das viel darüber aus, wie das Unternehmen denkt. Das soll aber nicht heißen, dass die ganze Firma übernommen wird von einer Meute an Jüngeren. Die Aufgabe ist, eine sinnvolle Kombination aus Erfahrung und gelegentlich auch Weisheit sowie Innovationswillen und einem gewissen Rebellentum hinzubekommen.
Du hast das Buch deinem Vater Matthias Horx gewidmet, dem Gründer des Zukunftsinstituts, für das auch Du tätig bist. Was ist ihm an der Einstellung Deiner Generation zur Arbeit fremd?
Gar nichts. Er hat nie seine Mission und sein Privatleben getrennt. Dass der mal einen Tag nicht arbeitet, das habe ich noch nie gesehen. Aber beim Mittagessen Thesen weiterzuentwickeln sieht er auch nicht als Arbeit an. Ich setze mich so für Work-Life-Blending ein, weil ich weiß, dass es funktioniert. Dabei vermischen sich Arbeit und Privatleben organisch. Dann kann ich problemlos auf dem Weg zur Arbeit mein Kind in die Kita bringen, und wenn ich auf dem Weg zum Fitnessstudio mit einem Kunden telefoniere, geht die Welt auch nicht unter.
Was war früher besser?
Die älteren Generationen sind in einer Zeit aufgewachsen, da konnte man mit 40 Stunden die Woche über die Runden kommen und ziemlich ok seine Familie ernähren. Man hat auch mal ein bisschen mehr Geld bekommen, einen dickeren Firmenwagen. Diese Realität stimmt schlicht und ergreifend für die Jüngeren nicht mehr. Sie steigen in den Beruf ein und müssen zwei Drittel ihres Gehalts für Fixkosten ausgeben, und werden dann noch beschuldigt, dass sie selbst dran schuld sind, weil sie zu faul sind. Früher war Loyalität gegenüber einem Unternehmen wertvoller. So eine Kontinuität, die sich auch in der Entlohnung darstellt, das gibt es nicht mehr. Wenn du heutzutage eine Gehaltserhöhung haben möchtest, musst du drohen zu kündigen oder dich abwerben lassen. Deswegen knarzt es da auch gerade so.
Du bist ein international gefragter Speaker zu Themen wie New Work. Wie siehst Du deine Rolle?
Ich sehe mich als eine Mischung aus Wanderprediger und Hofnarr. Um meine Mission unters Volk zu bringen, fliege ich die ganze Zeit durch die Gegend und schlafe in Hotels. Aber das ist ein Preis, den ich gerne dafür zahle. Ich rede vor C-Levels wie ein Hofnarr, der den Königen den Spiegel vorhält. Natürlich provoziere ich, aber produktiv. Die gute Nachricht: Auch wenn mich Manager eigentlich total ätzend finden, müssen sie mir zuhören. Wegen des Arbeits- und Fachkräftemangels richten sich immer mehr Führungskräfte danach, was die Jüngeren wollen. Aber es gibt halt ein Drittel, da hast du meiner Erfahrung nach keine Chance, etwas zu bewegen. Aber das sind auch die Unternehmen, die früher oder später Hopps gehen werden, weil ihnen schlicht und ergreifend die Nachwuchstalente fehlen. Dieses Problem wird der Markt lösen.

Interview

»DIE HÜTTE BRENNT!« | 24.08.2021

In Deinem Buch und auch in Deinem Job als Trendforscher beschäftigst Du Dich mit den Generationen unserer Zeit. Was sind heute die wirklich relevanten Trennlinien zwischen den Alten und den Jungen?Die Trennlinien sind gar nicht so scharf, wie man vermuten würde. Es ist innerhalb der älteren Generati...

In Deinem Buch und auch in Deinem Job als Trendforscher beschäftigst Du Dich mit den Generationen unserer Zeit. Was sind heute die wirklich relevanten Trennlinien zwischen den Alten und den Jungen?
Die Trennlinien sind gar nicht so scharf, wie man vermuten würde. Es ist innerhalb der älteren Generation zwar schon fast ein Reflex, schlecht über die Jugend zu sprechen: zu digital, verdummt, zu weich, undankbar. Oder für die Jüngeren, bei jeder Gelegenheit ein „OK, Boomer“ rauszuhauen. Aber eigentlich sind wir uns über die Generationen hinweg ähnlicher denn je, und wir stehen als Gesamtgesellschaft schlicht vor zu großen Herausforderungen, um übereinander herzuziehen. Der Wandel verlangt nach Solidarität.
Der Titel des Buchs „Unsere Fucking Zukunft“ liest sich einigermaßen wütend – was macht Dich so wütend am Mit- oder Gegeneinander der Generationen?
Wütend macht mich vor allem, dass wir tatsächlich eine Menge Scheinkonflikte austragen. Wir leben doch in einer fantastischen Welt. Wenn die Generationen ordentlich miteinander reden würden, könnten wir diese Welt gemeinsam in eine noch bessere Zukunft steuern. Wir müssen das Rad nicht neu erfinden, sondern einfach lernen, konstruktiv zu streiten.
Heute gehen die Jungen für das Klima auf die Straße – und die Eltern wählen grün. Ist da überhaupt eine echte Rebellion der Jugend zu erwarten? Warum findest Du, wir „müssen für den Wandel rebellieren“?
Klimaschutz ist de facto die Grundvoraussetzung dafür, dass wir überhaupt eine Zukunft haben – wir alle, egal wie alt, müssen da einem Strang ziehen, aber dieses gemeinsame Ziel hat eben auch das Potenzial, die Generationen zusammenzubringen. Mir geht es da ja gar nicht um eine Rebellion GEGEN die Alten, sondern FÜR den Wandel. Und es muss sich noch eine Menge tun in Sachen Digitalisierung, Wohlstandsverteilung, Wohnen, Arbeiten. Da brennt die Hütte!

Wie sahen und sehen die Konflikte bei Dir zu Hause aus? Matthias Horx ist Dein Vater UND Gründer des Zukunftsinstituts, für das Du arbeitest – worüber streitet Ihr am meisten?
Ich habe meine Rebellion eigentlich schon hinter mir, habe vor allem in der Pubertät versucht, von dem ganzen Zukunftsforschungszeug zu distanzieren. Aber da er ein alter Hippie ist, fand er all meine Rebellionsversuche eigentlich charmant, war sogar im Nachhinein betrachtet unterstützend. Natürlich streiten wir auch heute ab und zu, aber meistens produktiv.
Wo siehst Du derzeit Chancen im Sinne einer besseren Verständigung zwischen Alt und Jung? Was könnte unser gemeinsamer Nenner sein, über alle Generationen hinweg?
Zuerst brauchen wir eine gesunde Dosis radikaler Ehrlichkeit. Über alle Generationen hinweg sollten wir uns mal so richtig die Meinung sagen, befreit von Verletzung und Motzerei. Eine Zukunft, die sich für alle lohnt, kann nur entstehen, wenn alle mitmachen. Nur wenn wir das endlich hinkriegen, können wir eine bessere Nachwelt schaffen – auch für die Generationen, die wir niemals kennen lernen werden.
Was sind Deine zentralen Wünsche oder sogar Forderungen an uns oder auch an die Politik, um die Generationen zusammenzubringen?
Die jüngeren Generationen fühlen sich vom politischen System oft völlig entfremdet: bei den Fridays-Demos geht es um die Rettung der Welt, der Horizont der meisten Politiker:innen endet oft mit der aktuellen Legislaturperiode. Gerade in Fragen der Bildung sehen wir, wie sehr da die Weitsicht fehlt. Das muss sich ändern.
Wem empfiehlst Du Dein Buch?
Dem Boomer, der Sorgenfalten bekommt, weil tiktok seine geliebten Kinder verdummen könnte.
Dem Generation Xler, der sich vergessen fühlt.
Dem Millenial, der das Homeoffice schon vor Covid-19 geil fand.
Dem Generation Zler, der verunsichert in die Zukunft schaut.
Der Generation Corona, die gerade geboren wird.
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