Ursula Trüper - Autor
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Autorin

Ursula Trüper

Ursula Trüper wurde 1949 in Karlsruhe geboren und studierte Literaturwissenschaft, Geschichte und Kunstgeschichte. Längere Forschungsaufenthalte führten sie nach London, Namibia, Südafrika. Heute lebt und arbeitet Ursula Trüper  als freie Journalistin und Autorin in Berlin.

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Interview

»ZARA, ENDLICH BIST DU NICHT MEHR UNSICHTBAR.« | 02.09.2022

In ihrem Buch „Zara oder das Streben nach Freiheit“ gelingt es Ursula Trüper meisterhaft, das Schicksal einer Missionarsfamilie über mehrere Generationen mit der Zeitgeschichte zu verweben. Das Besondere: es ist Ursula Trüpers eigene Familie, die wir in der Zeit der Kolonialisierung Afrikas begleite...

In ihrem Buch „Zara oder das Streben nach Freiheit“ gelingt es Ursula Trüper meisterhaft, das Schicksal einer Missionarsfamilie über mehrere Generationen mit der Zeitgeschichte zu verweben. Das Besondere: es ist Ursula Trüpers eigene Familie, die wir in der Zeit der Kolonialisierung Afrikas begleiten.
„Zara oder das Streben nach Freiheit“ heißt Ihr neues Buch – wer ist Zara?
Zara Hendrich ist meine Ururur-Großmutter. Sie war eine Khoekhoe aus Südafrika, die erste Taufschülerin meines Ururur-Großvater Johann Hinrich Schmelen, der ein deutscher Missionar war. 1814 haben die beiden geheiratet.
Wie sind Sie auf Zara gestoßen, obwohl sie bzw. ihre Herkunft ein lang gehütetes Familiengeheimnis war?
Meine Mutter hatte sich verplappert. „Ihr habt je eine Afrikanerin im Stammbaum“, sagte sie eines Tages zu mir. Dabei hatte sie meinem Vater bei der Verlobung versprechen müssen, künftigen Kindern nie „darüber“ zu erzählen. Anders als meiner Mutter war meinem Vater die Schwarze Vorfahrin lange Zeit peinlich.
Was hat Sie dazu bewegt, die Geschichte Ihrer Vorfahren aufzuschreiben?
So ein Familiengeheimnis macht ja immer neugierig. Bei meinen Recherchen habe ich bald gemerkt, dass es nicht etwa mein Ururur-Großvater Schmelen war, der das Neue Testament ins Khoekhoegowab, die Sprache der Khoekhoe, übersetzt hat und damit diese Sprache erstmals schriftlich erfasste. So stand es damals noch in allen Lexika. Doch Schmelen gibt in seinen Briefen offen zu, dass er Zeit seines Lebens diese Sprache nur sehr rudimentär beherrschte. Die eigentliche Übersetzerin war Zara, seine Frau. Als mir das klar wurde, hat es mich geärgert, dass die Leistung meiner Ururur-Großmutter einfach verschwiegen wurde. Zara war über die Generationen hinweg regelrecht „unsichtbar“ gemacht worden. Dem wollte ich ein Ende setzen.
Das Buch ist äußerst sorgfältig und eingehend recherchiert. Wie sind Sie bei der Recherche vorgegangen?
Schmelen war nicht der letzte Missionar in der Familie. Viele seiner Nachkommen haben ebenfalls diesen Beruf ergriffen. Als Missionare waren sie verpflichtet, regelmäßig ihrer Missionsgesellschaft über ihre Tätigkeit zu berichten. Diese Dokumente sind bis heute in den Missionsarchiven einsehbar.
Sie beschäftigen sich schon sehr lange mit der Geschichte der Kolonialisierung. Wie nehmen Sie den aktuellen Diskurs darüber wahr?
Mein Gefühl ist, dass es da Bewegung gibt. Noch vor wenigen Jahren wurde ja praktisch geleugnet, dass der deutsche Kolonialismus irgendwelche Auswirkungen hatte. Der Versuch des deutschen Kaiserreiches, die Nama und Herero im heutigen Namibia auszurotten, durfte beispielsweise nicht „Völkermord“ genannt werden. Das ist heute anders, wie man beispielsweise an den Debatten um das Berliner „Humboldt-Forum“ sehen kann. Aber es gibt natürlich in dieser Frage noch viel Luft nach oben.
Wie wirkt sich der Kolonialismus noch heute in Namibia, wo Ihre Urururgroßeltern einst gelebt haben, aus?
Noch immer ist dort der Reichtum im Wesentlichen in den Händen der Weißen. Von den Bürger*innen Namibias wird das Ende der Apartheid und die Gleichberechtigung zwischen Schwarz und Weiß zwar als großer Fortschritt empfunden. Aber was nun dringend notwendig wäre, wäre auch eine soziale Chancengleichheit. Namibia gehört zu den Ländern mit dem größten Unterschied im Lebensstandard zwischen Schwarz und Weiß. Ein Schritt in die richtige Richtung wäre, wenn die Bundesregierung endlich Reparationen für den Völkermord zahlt.
Die christlichen Missionare waren sowohl Kritiker, aber vor allem auch Wegbereiter des Kolonialismus. Welche Verantwortung sehen Sie bei den missionierenden Kirchen, wenn es um die Aufarbeitung dieser ambivalenten Rolle geht?
Offenheit! Die Taten der Missionare sind in den Missionsarchiven dokumentiert. Diese Archive müssen für alle Interessierten zugänglich sein. Bei den Missionsgesellschaften, mit denen ich zusammengearbeitet habe, der London Missionary Society und bei der Vereinten Evangelischen Mission, wird das auch so gehandhabt. Bei beiden Missionsgesellschaften bin ich bei meiner Forschungstätigkeit auf große Unterstützung gestoßen.
Wenn Sie auf die lange Reihe Ihrer Ahnen seit Zara zurückblicken – wen hätten Sie gern getroffen und was hätten Sie gern gefragt, besprochen oder geklärt?
Am liebsten hätte ich Zara kennengelernt. Sie muss eine außergewöhnliche Frau gewesen sein. Es gibt eine Menge, das ich sie gerne gefragt hätte: wie sie gelebt hat bevor sie Schmelen kennenlernte; aus welcher Familie sie stammte; warum sie diesen armen und nicht mehr ganz jungen Missionar geheiratet hat. Vor allem: ob sie sie am Ende ihres Lebens das Gefühl hatte, ein glückliches Leben geführt zu haben.
Stellen Sie sich vor, Sie könnten Zara ein Exemplar Ihres Buches überreichen. Mit welchen Worten würden Sie dies tun?
Endlich bist du nicht mehr unsichtbar.
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