Tag 7/12: Die Autoren-Kollegin

Erica Jong

Kurzbiografie

Erica Jong wurde 1942 in Manhattan / New York geboren und studierte an der Columbia University Englische Literatur. Von 1966 bis 1969 lebte sie in Heidelberg. Sie schrieb Zeitschriftenartikel und publizierte mehrere Lyrikbände. Mit ihrem ersten Roman, „Angst vorm Fliegen“, der 1973 in Amerika erschien, gelang ihr der internationale Durchbruch als Schriftstellerin. Nach diesem Erfolg veröffentlichte sie weitere Bücher, zuletzt erschien ihr Roman „Angst vorm Sterben“. Erica Jong lebt in New York.

Sie verbindet eine langjährige Freundschaft mit Ken und Barbara Follett, Sie treffen sich immer wieder, wie bei der Feier zu seinem 65. Geburtstag in Stevenage oder bei Ihrer Book Release Party in New York. Wie haben Sie sich kennengelernt?

Ken und ich hatten eine bemerkenswerte Lektorin namens Elaine Koster, die sowohl Ken Follett und Erica Jong als auch Stephen King und Khalid Hosseini entdeckt hat. Mit anderen Worten war sie ein Mensch, der einem großartigen Buch vertraute, einem großartigen Schriftsteller und nicht auf ein bestimmtes Genre fixiert war. Sie war eine ganz besondere Person. Und so haben Ken und ich uns bei einer Buchmesse in Chicago kennengelernt – die wir auf Einladung unserer Verleger besuchten. Schauen Sie sich bitte das Foto (s. Bildergalerie) an, das Ken Follett und mich auf dieser Buchmesse in Chicago zeigt – vor vielen, vielen Jahren. Wir fingen auf der Stelle an zu flirten – man beachte das Kleid von Thea Porter. Aber im Laufe der Zeit sind wir einander dann liebe Freunde geworden.

Wie muss man sich eine Freundschaft zwischen zwei internationalen Top-Autoren vorstellen: Tauschen Sie sich regelmäßig über Ihre Bücher aus?

Ideen tauschen wir nie aus, weil Ken eine ganz andere Art von Schriftsteller ist als ich. Ich habe als Dichterin begonnen, und jedem meiner Romane sind ein, zwei Lyrikbände vorausgegangen. Poesie hilft mir, ins Unbewusstsein und zu dem vorzudringen, was das denkt, ohne dass ich mir dessen bewusst bin. Ken verfügt indes über die meisterhafte Gabe des Geschichtenerzählens. Die Arbeit an jedem seiner Romane beginnt mit einer äußerst detaillierten Gliederung, die er seinen Töchtern zeigt und anderen Menschen, die ihm nahestehen. Eine seiner Töchter, Jann, ist Schriftstellerin und Filmregisseurin, die Ahnung davon hat, wie man eine Geschichte aufbaut. Eine andere Tochter, Marie Claire, ist Sängerin und Schauspielerin. Eine weitere Tochter ist Ärztin, die auf die weltweite Gesundheit von Frauen spezialisiert ist. Diese drei und seine fantastische Ehefrau Barbara sind in der Regel seine ersten Leser. Ich glaube, dass seine Fähigkeit, Frauenfiguren zu schreiben, auf der Tatsache beruht, dass er gelernt hat, die Gefühle der Frauen in seinem Leben an sich heranzulassen, was mich zu dem hier bringt... (Foto)

Was schätzen Sie persönlich am Schriftsteller Ken Follett am meisten?

Viele Männer kommen nie so weit, die Frauen in ihrem Leben zu verstehen. Wenn sie jung sind, verzehren sie sich so sehr nach der Anerkennung der Frauen, dass sie uns möglicherweise gar nicht als menschliche Wesen wahrnehmen. Das kann ich nachvollziehen, weil ich mich so nach der Anerkennung der Männer verzehrt habe, dass ich sie im Grunde nie verstanden habe. Junge Männer und Frauen sind unterschiedlichen Planeten treu. Frauen sind dem Planeten Eierstock treu ergeben, dem Planeten Bovary und dem Planeten Küche. Einige von uns möchten gern dem Planeten Macho treu ergeben sein, und wir ziehen es vor, einen maßgeschneiderten Smoking zu tragen, Wildpferde zu reiten und so zu tun, als wären wir maskuliner als die Männer. Und bei einigen von uns bleibt das sogar so.

An einem gewissen Punkt im Leben öffnen wir uns aber mehr, vorausgesetzt, wir lernen, wie man das macht. Das Leben der Männer beginnt auf dem Planeten Schmusen, aber groß werden sie auf dem Planeten Brauch-Die-Mama-Nicht-Mehr. Danach sind sie entweder dem Planeten Penis treu ergeben oder den Planeten Krummsäbel und Dolch. Manche Männer bleiben ihr gesamtes Leben dort, auch dann noch, wenn ihre Waffen gar nicht mehr funktionstüchtig sind. Die wahrhaft großen Männer entdecken indes, dass wir zwar auf unterschiedlichen Planeten herangewachsen sind, aber trotzdem alle Menschen sind, die Liebe brauchen, Anerkennung, Kreativität, langjährige Übung, Mysterium, Sex, Erziehung (die nicht von leiblichen Eltern kommen muss), die Möglichkeit zu lehren und zu lernen, und Meditation. Ken ist einer der wenigen männlichen Schriftsteller, die allem offen gegenüberstehen, was Frauen werden können.

Haben Sie aus Ken Folletts Büchern etwas gelernt, was Sie vorher noch nicht wussten?

Ken hat eine Leidenschaft für Architektur und weiß mehr über deren Geschichte als die meisten Architekten. Ken, Barbara, Ken Burrows und ich haben zusammen die Welt bereist. Wir haben Indien erkundet, China, die Karibik, die Antarktis, das Schottische Hochland, Venedig, Paris, die französischen Kanäle mit ihren Fahrradwegen, ihren grandiosen Kathedralen und Schlössern...

Mit Ken zu reisen, ist ein Erlebnis, weil er den Hintergrund von Bauweise und Architektur erfasst und ein fantastisches Auge hat – wenn es um die Schönheit von Bauwerken geht, fast das Auge eines Malers. Ich schaue auf eine Brücke und sehe sie mit den Augen der Malerin, die ich früher einmal war. Er schaut auf eine Brücke und sieht den Prozess ihrer Erbauung und deren Geschichte bis zurück zu dem ersten Menschen, der je eine Brücke gebaut hat. Er schaut auf eine Kathedrale und weiß, wann jeder Einzelteil angefügt wurde. Er schaut in Italien auf einen Palazzo und kennt die gesamte Geschichte vom Mittelalter bis Palladio, der jeden beeinflusst hat, von Thomas Jefferson bis zu den Architekten der Gegenwart.

Derweil war Barbara Parlamentsabgeordnete und kennt von allem die politische Geschichte – der Aufstieg der Demokratie, der Fall von Republiken, die Tugenden und Laster des Britischen Empires, des Französischen Kaiserreiches, des Römischen Reiches. Zudem hat sie noch das praktische Wissen einer Frau, die jahrzehntelang Abgeordnete und Ministerin war. Sie hat die Revolution in Südafrika miterlebt, die letzten Endes Mandela an die Macht gebracht hat, sodass sie weiß, wohin Macht führen kann, wo sie der Menschheit helfen, und wo sie ihr schaden kann. Mit ihr zu reisen ist genauso faszinierend, wie mit Ken zu reisen.

Mein Ken und ich langweilen uns nie. Wir lesen gemeinsam Bücher über die Orte, die wir bereisen. Wir debattieren, und manchmal sind wir anderer Meinung. Als wir in Russland auf einer Kreuzfahrt von Moskau nach St. Petersburg und zurück waren, haben wir jedes Buch gelesen, das wir über russische Zaren, russische Diktatoren, Kommunistenführer und Kapitalisten-Kleptokraten finden konnten, und sind nicht müde geworden, über unsere Ansichten zu diskutieren. Es ist keineswegs so, dass wir uns in allen Punkten einig sind, wir erkennen aber an, dass der andere eine andere Meinung hat. Fakt ist, dass uns einige unserer kontroversesten Auseinandersetzungen über Geschichte ein besseres Verständnis beschert haben.

Welche Bücher bevorzugen Sie, seine Thriller oder seine historischen Romane?

Ich bin sehr stolz darauf, dass Ken den tapferen Übergang von Thrillern zu historischen Romanen gewagt hat. Ken ist besessen von Geschichte – genau wie ich. Er will unbedingt begreifen, wie die Menschen die Welt verbessern können. Er will sich Wissen über verschiedene Regierungsformen aneignen und darüber, wie sie die Welt verändert haben. Seine Denkweise ist aber eine geisteswissenschaftliche und keine trocken theoretische. Mein Professor für Englische Literatur des 18. Jahrhunderts an der Columbia University hat immer gesagt: „Du kannst eine andere Epoche nicht verstehen, wenn du die Transportmittel der damaligen Zeit nicht kennst, nicht weißt, ob die Straßen beleuchtet oder dunkel waren, ob Frauen Korsetts trugen oder nicht, wie das Essen gekocht wurde, wo es gekocht wurde, wie die Menschen auf die Toilette gingen und wo...“.

Wenn man einen Roman von Ken Follett liest, kennt man die Antworten auf all diese Fragen. Die besten Autoren historischer Romane beantworten nicht nur diese Fragen, sondern zeigen zugleich auf, dass sich zwar die Technologie verändert, die Menschen jedoch nicht. Wir fahren heute zwar nicht mehr mit Kutschen über holperige Straßen, empfinden das Reisen aber nach wie vor als strapaziös. Wir verstehen neue Traditionen, Sprachen und Speisen immer noch nicht. Und je offener wir uns all diesen Dingen stellen, desto mehr können wir von unseren Mitmenschen lernen. Wir brauchen alle Liebe. Wir erleiden alle Verluste. Wir müssen alle Sinn aus unserer Herkunft und unserer Sterblichkeit machen. Am glücklichsten sind diejenigen von uns dran, die mit Tieren zusammenleben und sich in denen widergespiegelt sehen. Kens Romane erzählen uns alles über diese Dinge.

Haben Sie ein Lieblingsbuch unter den Romanen von Ken Follett?

Es ist unfair, da nur einen Roman herauszugreifen.

Über welche Epoche/welches Ereignis würden Sie gerne ein Buch von Ken Follett lesen?

Er hat das Mittelalter und die Elisabethanische Zeit am liebsten. Selbstverständlich hat er auch über viele andere Epochen geschrieben, aber ich halte seinen neuen Roman für den bislang besten, weil er die Elisabethanische Zeit auf eine Weise interpretiert, wie es noch nie getan wurde. Er demonstriert in Das Fundament der Ewigkeit die Brutalität und die Schönheit dieser Ära. Es ist eine Ära, die mich ungemein fasziniert. Ich kann kaum noch überblicken, wie viele Bücher ich über Cromwell und Elisabeth I. von England gelesen habe. Sogar meine neuneinhalbjährige Enkeltochter wollte als Siebenjährige das Hatfield House besuchen, weil sie so fasziniert von Elisabeth und den Elisabethanern war. Ich hoffe, dass Ken noch weitere Bücher über diese Epoche schreiben wird, würde einem Schriftsteller aber niemals sagen, was er schreiben soll.

Ich glaube, wir treffen die Entscheidung, welches Thema wir wählen, an einem Ort, der tief in unserem Unterbewusstsein liegt. Ich denke dabei an die Tatsache, dass Gore Vidal immer historische Romane über das Alte Rom oder den Amerikanischen Bürgerkrieg schrieb – zwei Epochen, die sich in vielerlei Hinsicht recht ähnlich waren. Wie ich Ken kenne, gehe ich davon aus, dass er weiterhin an Epochen der Geschichte arbeiten wird, die ihn am meisten faszinieren, und das ist eine unglaublich persönliche Entscheidung. Meine historischen Romane spielen im Europa des 18. Jahrhunderts – in einer Epoche, auf die ich mich während meines Studiums spezialisiert hatte. Die Zeit Shakespeares fasziniert mich auch, ebenso wie das Griechenland der Antike. Ich arbeite im Moment zum einen an einem Roman, der im New York der Gegenwart angelegt ist, und zum anderen an einem Roman über eine Malerin, der zur Zeit der Französischen Revolution spielt. Das Frankreich zur Zeit der Revolution und Trumplandia weisen meines Erachtens viele Ähnlichkeiten auf. Göttin helfe uns!

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