Michael Peinkofer - Autor
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Michael Peinkofer

Michael Peinkofer, Jahrgang 1969, studierte in München Germanistik, Geschichte und Kommunikationswissenschaft. Seit 1995 arbeitet er als freier Autor, Filmjournalist und Übersetzer. Unter diversen Pseudonymen hat er bereits zahlreiche Romane verschiedener Genres verfasst. Bekannt wurde er durch den Bestseller "Die Bruderschaft der Runen" und der Abenteuerreihe um Sarah Kincaid, deren abschließender vierter Band mit "Das Licht von Shambala" vorliegt. Michael Peinkofer lebt mit seiner Familie im Allgäu.

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Interview

"Die Mythisierung Kaiser Barbarossas hat viele Wurzeln - aber irgendwann ist Friedrich ein gewöhnlicher Mann gewesen, ein Junge, ein Kind - und genau da setzt meine Erzählung an" | 28.01.2022

Neben Historischen Romanen haben Sie bereits zahlreiche Kriminal-, Fantasy- und Science-Fiction-Romane veröffentlicht – wie ist die Idee zu BARBAROSSA -IM SCHATTEN DES KAISERS entstanden?Bisher waren meine Historischen Romane meist zeitlich im Mittelalter und geografisch in Schottland oder im Orient...

Neben Historischen Romanen haben Sie bereits zahlreiche Kriminal-, Fantasy- und Science-Fiction-Romane veröffentlicht – wie ist die Idee zu BARBAROSSA -IM SCHATTEN DES KAISERS entstanden?
Bisher waren meine Historischen Romane meist zeitlich im Mittelalter und geografisch in Schottland oder im Orient angesiedelt. Den Wunsch, einmal eine Figur der deutschen Geschichte in den Fokus zu rücken, hatte ich schon länger, zumal ich mich bereits im Studium mit Kaiser Friedrich beschäftigt habe. Die Verbindung nach Cappenberg und die Tatsache, dass das Geburtsjahr des Kaisers heute genau 900 Jahre zurückliegt, waren weitere Faktoren, die mein Interesse erregt haben. Nach neun Jahrhunderten der Mythisierung hat es mich gereizt, einen Blick auf den Menschen Barbarossa zu werfen – und dies auf unterhaltsame Weise zu tun.
Erzählt wird die Geschichte aus der Perspektive von Arndt, der als Waise im Kloster von Cappenberg aufwächst und von Otto von Cappenberg unter seine Fittiche genommen wird. Hier begegnet er schon bald dem Patenkind des Grafen – Friedrich von Staufen. Und Otto von Cappenberg macht Arndt zu Friedrichs specialis custos, seinem Leibwächter und Schatten. Ist der Ritter Arndt von Cappenberg eine historische Figur?
Arndt von Cappenberg selbst ist eine fiktive Figur – die Funktion eines specialis custos, also eines persönlichen „Bodyguard“, wie wir es heute wohl nennen würden, ist für die Zeit aber durch Quellen belegt. Und auch die Figur seines Mentors Otto von Cappenberg ist durch und durch historisch. Als Taufpate Barbarossas spielt er im Roman eine wichtige Rolle.
Auf welche historischen Quellen haben Sie sich bei Ihren Recherchen stützen können?
Wenn es um Friedrich Barbarossa geht, sind die Gesta Friderici Imperatoris aus der Feder Ottos von Freising und seines Sekretärs Rahewin die wichtigste und auch ergiebigste Quelle. Allerdings muss man dazusagen, dass zeitgenössische Geschichtsschreibung im Mittelalter in den seltensten Fällen aus wissenschaftlichem Interesse entstand – wer hätte dafür auch aufkommen sollen? Herrschergeschichten wurden in Auftrag gegeben oder von Leuten geschrieben, die im Ansehen der Potentaten aufsteigen wollten – entsprechend neigen solche Historien dazu, Loblieder zu singen. Negative Kritik wird man allenfalls zwischen den Zeilen finden. Anders sieht es aus, wenn man nach Italien blickt. Die Gegner des Kaisers, und davon gab es viele, haben Rotbart von jenseits der Alpen verständlicherweise weniger wohlwollend beschrieben. Für mich bestand die Herausforderung beim Schreiben darin, Licht und Schatten in ein vernünftiges Verhältnis zu setzen und den Menschen zu finden, der sich irgendwo zwischen Heldenverklärung und Dämonisierung versteckt. Eine große Hilfe sind mir dabei die Werke Ferdinand Oppls und Knut Görichs gewesen, der beiden wohl profundesten Barbarossa-Kenner.
Wie kamen Sie auf die Idee, Arndt zum Erzähler Ihrer Geschichte zu machen?
Ich wollte die Geschichte aus der Perspektive eines Beobachters erzählen, der einerseits nahe dran und Friedrich emotional verbunden, jedoch auch unabhängig genug sein könnte, um im Lauf der Handlung seine eigene Sichtweise zu entwickeln. Arndts Geschichte ist auch eine Geschichte der Emanzipation von seinem Herrscher, er musste also jemand sein, der über ein gewisses Maß an Bildung und Reflexionsvermögen verfügt. Und mich hat die historische Figur des Otto von Cappenberg fasziniert, der Arndts Mentor ist und damit seinen ganz eigenen Plan verfolgt. Dass Arndt auch Erzähler ist, hat mit der inneren Struktur des Romans zu tun, der – ohne zu viel verraten zu wollen – auch Elemente eines Kriminalromans enthält.
Sie beschreiben Friedrich als eine ambivalente Figur. Als König zeichnet er sich durch politisches Fingerspitzengefühl aus. Als Kreuzfahrer sowie in den blutigen Schlachten um die Vorherrschaft in Italien zeigt er sich als ein unbarmherziger, grausamer Gegner. Wie rechtfertigt der sonst um Frieden und Diplomatie bemühte Friedrich seine im Namen Gottes begangenen Taten?
Das ist eine Frage, die man natürlich im Hinblick auf alle mittelalterlichen Herrscher – und den Adel und das Feudalsystem überhaupt – stellen kann. Die einfache Antwort wäre vermutlich, dass die Zeiten eben rau waren und ein Menschenleben wenig wert, so dass hier keine Reflexion erfolgte, aber das ist so nicht richtig. Wir wissen, dass die Mächtigen jener Zeit ihr Handeln durchaus hinterfragt haben, schließlich war ihr Leben von tiefer Religiosität geprägt, und auch Könige und Kaiser fürchteten sich davor, der ewigen Verdammnis anheimzufallen. Der bestehende Widerspruch war den Zeitgenossen durchaus bewusst – deshalb schlossen sich ja auch viele Adelige so begeistert den Kreuzzügen an, weil die Teilnahme an einer solchen „bewaffneten Pilgerfahrt“ die Chance barg, mit dem Schwert in der Hand etwas für das eigene Seelenheil tun und den Widerspruch so gewissermaßen aufzulösen. Im Roman unterstelle ich, dass Friedrich durchaus um Ausgleich zwischen christlichem Anspruch und politischer Realität bemüht war, jedoch auch unter dem Einfluss mächtiger Einflüsterer stand. Vor allem aber hat wohl die Tatsache sein Handeln bestimmt, dass er sich als Kaiser in einer mehr als tausendjährigen Tradition gesehen hat, die er nicht verraten wollte.
Die Handlung umspannt über sechzig Jahre (von 1129-1190) und erzählt, neben der ausführlichen Beschreibung historischer Schauplätze und Schlachten, die Geschichte einer Freundschaft. Wieviel davon ist Fiktion?
Die Grenzen zwischen beidem zur Unkenntlichkeit zu verwischen, ist letztlich Aufgabe eines historischen Romans. Da die Figur des Arndt von Cappenberg fiktiv ist, sind natürlich auch Friedrichs Unterhaltungen mit ihm meiner Fantasie entsprungen, fußen aber stets auf tatsächlichen Ereignissen oder verbürgten Eigenschaften von Friedrichs Charakter. Was die Chronologie der Ereignisse betrifft oder auch die teils haarsträubenden Anekdoten etwa während der Italienzüge, habe ich mich jedoch eng an das gehalten, was historisch als gesichert gilt, mit gelegentlichen Abstechern in liebgewonnene Folklore, etwa wenn es um Friedrichs zweite Ehefrau Beatrix von Burgund geht.
Die kinderlose erste Ehe zu Adela von Vohburg, Tochter eines Markgrafen wird geschieden und der König und auch Adela heiraten später wieder – ungewöhnlich für diese Zeit?
Man ist versucht, sofort Ja zu sagen. Die Tatsache, dass Adela nach vollzogener Scheidung den Rest ihrer Tage nicht in einem Kloster fristete, sondern genau wie Friedrich noch einmal heiratete, mutet aus heutiger Sicht ungewöhnlich modern an, fast möchte man von Selbstbestimmung sprechen. Vielleicht war das Mittelalter in dieser Hinsicht offener, als wir gemeinhin annehmen – letztlich wissen wir es nicht, weil es aus jener Zeit nur wenig alltagsgeschichtliche Berichte gibt und die Annalen bevorzugt von den Mächtigen berichten. Anderseits könnte es aber auch sein, und dieser Annahme gehe ich im Roman nach, dass hier noch ganz andere, politische Beweggründe im Spiel waren.
Barbarossa war ein „Reisekönig“. Um seine Herrschaft zu festigen, kämpfte er in zwei Kreuzzügen, bereiste sein Königreich und gründete zahlreiche Städte, die sich noch heute als „Barbarossa-Städte“ verstehen, darunter Sinzig, Kaiserslautern, Gelnhausen, Altenberg und Bad Frankenhausen. Wie viele Kilometer haben Sie bei Ihrer Recherche auf Barbarossas Spuren zurückgelegt?
Wann immer es möglich ist, unternehme ich gerne Reisen zu den Schauplätzen meiner Romane. Bei historischen Romanen ist das natürlich nur eingeschränkt möglich, da wäre eine Zeitmaschine dienlich (lacht). Bei Barbarossa war es so, dass ich viele der italienischen Städte, die der Kaiser bereist, nicht selten belagert und manchmal auch in Schutt und Asche gelegt hat, bereits von eigenen Reisen recht gut kenne, da gab es reichlich Material, auf das ich zurückgreifen konnte. Der Löwenanteil der Recherche fand diesmal zwar auf Kaiser Friedrichs Spuren, aber überwiegend in Büchern und auf Landkarten statt.
Anlässlich des 900. Jubiläums von Barbarossa gibt es in diesem Jahr gleich zwei große Ausstellungen zum Staufenkaiser zu sehen: Auf Schloss Cappenberg, Selm (16.9.2022 - 5.2.2023) und im LWL-Museum für Kunst und Kultur, Münster (28.10.2022 - 5.2.2023). Welche interessanten, bisher noch wenig bekannten Fakten kann man dort und beim Lesen Ihres Romans BARBAROSSA - IM SCHATTEN DES KAISERS entdecken?
Ich denke, am spannendsten ist es immer, den Menschen hinter dem Mythos zu entdecken. Friedrich Barbarossa ist im Lauf der Jahrhunderte als historische Figur derart überhöht worden, dass man Probleme hat, sich diese Überfigur als realen Menschen vorzustellen. Diese Mythisierung hat viele Wurzeln – dazu gehört natürlich Friedrichs für die Zeitgenossen unbegreiflicher, weil so plötzlicher Tod. Und auch so manches Motiv aus dem Geschichtenkreis um den sagenhaften britannischen König Artus mag in die Überlieferung mit eingeflossen sein. Aber irgendwann ist Friedrich ein gewöhnlicher Mann gewesen, ein Junge, ein Kind – und genau da setzt meine Erzählung an.
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