Jannike Stöhr - Autor
© Robert Maschke

Autorin

Jannike Stöhr

Jannike Stöhr, geboren 1986, ist mit sieben Jahren mal auf einen rostigen Nagel getreten - direkt danach aber geimpft worden und hat, als sie 25 Jahre alt war, in China einen Skorpion gegessen. Der war aber tot, weil frittiert. Heute ist sie gelernte Kauffrau für Bürokommunikation und hat einen Bachelor of Science in Wirtschaftswissenschaften mit den Schwerpunkten Personal und Organisation. Eineinhalb Jahre arbeitete sie als Personalerin in Peking, die vergangenen 5,5 Jahre arbeitete sie im Personalwesen eines großen Industrieunternehmens.

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Interview

"Es hat mich sehr viel Überwindung gekostet, mich von meinem alten Leben und vor allem dem Lebensstandard zu trennen, von dem ich mir eingebildet hatte, ich bräuchte ihn." | 13.01.2016

Sie hatten all das, was man einen Traumjob nennt: eine anspruchsvolle Stelle in einem großen internationalen Unternehmen, ein gutes Gehalt und nette Kollegen. Wie haben gemerkt, dass Sie in Ihrem Job nicht glücklich sind? War es ein schleichender Prozess oder gab es ein Schlüsselerlebnis?Zu der Erke...

Sie hatten all das, was man einen Traumjob nennt: eine anspruchsvolle Stelle in einem großen internationalen Unternehmen, ein gutes Gehalt und nette Kollegen. Wie haben gemerkt, dass Sie in Ihrem Job nicht glücklich sind? War es ein schleichender Prozess oder gab es ein Schlüsselerlebnis?
Zu der Erkenntnis zu kommen, dass ich nicht wirklich glücklich war, war ein langer Prozess. Über Jahre probierte ich glücklich zu werden und zu bleiben. Aber ich merkte, egal was ich mir kaufte, wohin ich auch reiste, was für einen guten Job auch immer ich hatte, nach einer kurzen Zeit reichte es nicht mehr. Ich dachte, es müsste doch einen Zustand geben, wo es einfach gut ist. Ein Schüsselerlebnis wiederum veranlasste mich dann dazu, die Konsequenzen zu ziehen und mich auf die Suche zu begeben. Das war, als mein Vater an Krebs erkrankte, und ich intensiv mit der menschlichen Endlichkeit in Berührung kam, die ja letztendlich auch mich betrifft.
Viele Menschen kennen das Gefühl, beruflich am falschen Platz zu sein, statt im Traumjob nur in einem Brotjob festzustecken und nicht voranzukommen. Wie haben Sie es geschafft, diese Sackgasse zu verlassen?
Mir hat am meisten die Erkenntnis geholfen, dass das Leben endlich ist und dass es sich genau jetzt abspielt und nicht erst in der Zukunft. Das war sehr wichtig, weil es vieles wieder in das rechte Licht gerückt hat.
Hat es Sie Überwindung gekostet, Ihr altes, sicheres Leben loszulassen und noch einmal komplett von vorne anzufangen? Hatten Sie keine Angst vor dem Sprung ins kalte Wasser?
Es hat mich sehr viel Überwindung gekostet, mich von meinem alten Leben und vor allem dem Lebensstandard zu trennen, von dem ich mir eingebildet hatte, ich bräuchte ihn. Letztlich war das aber Quatsch und ich komme äußerst gut mit nur einem Bruchteil von dem aus, was ich früher besaß oder verdiente. Bevor ich das Projekt begann hatte ich auch viele Ängste. Ich wusste nicht, ob es überhaupt funktionieren würde, ob es der richtige Weg für mich ist und ich hinterher schlauer bin, ob ich finanziell über die Runden kommen würde, wie es ohne Zuhause sein würde.
Um Ihren Traumjob zu finden, haben Sie 30 Jobs in einem Jahr ausprobiert. Wie sind Sie dabei vorgegangen? Haben Sie sehr lange im Voraus geplant oder vieles dem Zufall überlassen? Wo fanden Sie Arbeitgeber, die Sie in ihren Berufsalltag mitnehmen?
Zu Beginn habe ich bei Freunden und Bekannten nach Empfehlungen gefragt. Das wichtigste Kriterium war die Leidenschaft für mich, die diese Person bei ihrer Arbeit haben sollte. Ich habe etliche Kontakte und sehr schnell erste Angebote erhalten, diese Menschen zu begleiten. Dabei habe ich circa ein bis zwei Monate im Voraus geplant. Mit der Zeit habe ich dann auch Zuschriften und Angebote von fremden Menschen bekommen, die mich von ihrem Traumjob überzeugen wollten. Das hat mein Projekt noch einmal um ein Vielfaches bereichert.
Sie haben unter anderem als Erzieherin, Winzerin, Reiseleiterin, Texterin, Karriereberaterin, Pathologin, Hebamme und Politikerin gearbeitet. Welcher Beruf hat Ihnen bislang am besten gefallen und was hat Sie daran besonders fasziniert?
Es ist schwer, genau einen Beruf zu nennen, da jede einzelne Woche auf ihre Weise so spannend war. Mir persönlich hat der Beruf als Journalistin sehr gut gefallen, da ich zum einen meine Liebe zum Schreiben entdeckt habe und mich gern mit den Verschiedensten Sachen beschäftige. Da kommt man als Journalist schon auf seine Kosten.
Gab es andererseits auch Berufe, bei denen Ihnen sehr schnell klar war, dass dies nicht Ihr Traumjob war? Woran haben Sie das gemerkt?
Es gab einige Berufe, die ich getestet habe, obwohl ich sie als Traumjob für mich im Vorfeld ausgeschlossen hatte. Das war vor allem in der zweiten Hälfte meines Projektes, in der ich etwas freier bei der Berufsauswahl geworden bin und zum Beispiel den Job als Tierpräparatorin, Pastorin und Opernagentin getestet habe. Es stellte sich im Nachhinein zwar auch heraus, dass sie nicht in die engere Auswahl kommen würden, aber dennoch hat mich jeder Job überrascht und ein paar Lektionen für mich bereitgehalten.
Die vielleicht wichtigste Frage zum Schluss: Haben Sie Ihren Traumjob gefunden?

Nein. Den einen Traumjob, so wie ich es mir im Vorfeld gewünscht habe, habe ich nicht gefunden. Dafür habe ich herausgefunden, was ich kann, was mir wichtig ist und was mir Spaß macht. Daraus ergeben sich jetzt glücklicherweise sogar mehrere Möglichkeiten, bei denen ich gerade schaue, welche davon sich in die Realität umsetzen lassen.

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