Die Unschuldigen
 - Michael Crummey - eBook
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9,99

inkl. MwSt.

Eichborn Verlag
Gegenwartsliteratur
352 Seiten
Altersempfehlung: ab 16 Jahren
ISBN: 978-3-7325-9505-1
Ersterscheinung: 28.08.2020

Die Unschuldigen

Roman
Übersetzt von Ute Leibmann

(10)

Der elfjährige Evered und seine zwei Jahre jüngere Schwester Ada wachsen unter kargen Bedingungen auf. Sie sind die Kinder von Fischern, die allein inmitten der kanadischen Wildnis leben.

Als ihre Eltern sterben, sind die Geschwister auf sich allein gestellt; sie wissen nur das von der Welt, was sie von Mutter und Vater gelernt haben. Also führen sie deren hartes Leben nach Kräften weiter. Bis die Loyalität der Geschwister auf die Probe gestellt wird und sie für ihre Zukunft kämpfen müssen.

Rezensionen aus der Lesejury (10)

Barbara62 Barbara62

Veröffentlicht am 29.08.2020

Den Naturgewalten ausgeliefert

Eine Kanadareise führte uns 2014 von Montreal aus den Sankt-Lorenz-Strom entlang, bis wir bei Godbout nach Mantane übersetzten. Etwas wehmütig stellte ich fest, dass uns die Weiterfahrt am Strom bald nach ... …mehr

Eine Kanadareise führte uns 2014 von Montreal aus den Sankt-Lorenz-Strom entlang, bis wir bei Godbout nach Mantane übersetzten. Etwas wehmütig stellte ich fest, dass uns die Weiterfahrt am Strom bald nach Neufundland gebracht hätte – einem Ziel, das sich seither bei mir festgesetzt hat. Ein neufundländischer Roman des von dort stammenden Autors Michael Crummey weckte deshalb sofort mein Interesse, gemäß dem Motto meines Blogs: „Mit Büchern um die Welt“.

Alleingelassen
"Die Unschuldigen" beginnt Ende des 18. Jahrhunderts mit einer dreifachen Familientragödie. Nach dem Tod der jüngsten Tochter und der Eltern bleiben der elfjährige Evered und die neunjährige Ada völlig allein in einer einsamen Bucht zurück. Sie sind noch Kinder und verrichten doch seit Jahren Erwachsenenarbeit. Genau diese Kenntnisse werden nun überlebensnotwenig.

Sieben Jahre lang begleiten wir die Geschwister bei ihrem Kampf in einer teils verschwenderisch reichen und doch unbarmherzigen Natur. Der Zyklus der Jahreszeiten bestimmt ihr Leben, beginnend mit dem Packeis und den Robben im März, mit dem Laichen des Kapelans, den Kabeljauschwärmen im Sommer, dem Holzschlag und der Arbeit im mageren Gemüsegarten bis zum Beerensammeln im Herbst. Einzig die dunklen Wintermonate gewähren eine Ruhepause.

Sehnsüchtig erwartet und gefürchtet ist die Ankunft des Versorgungsschiffes „Hope“, das zweimal jährlich lebensnotwendige Güter bringt und zu ruinösen Bedingungen den Fang der Saison aufkauft. Oft wird die Nahrung lebensbedrohlich knapp:

"Die ganze Zeit über knurrte ihnen der Magen. Den Portwein hatten sie längst ausgetrunken und gossen sich nun Rum in den abendlichen Tee, um den schlimmsten Hunger zu betäuben und die vielfältigen Leiden zu lindern, die die Arbeit ihnen zugefügte. Ihr Zahnfleisch war durch den Nahrungsmangel im Frühjahr grau und schwammig geworden, sie hatten ständig einen leichten Blutgeschmack im Mund, und ihre Zähne waren so locker, dass man sie mit der Zunge hin und her bewegen konnte, als hingen sie an Scharnieren." (S. 159)

Für Abwechslung sorgt das Meer
Einmal ist es ein Sturm, der ihnen wertvolles Strandgut beschert, dann ein im Eis feststeckendes Schiff mit grausamer Fracht. Unerwartete Besucher kommen per Schiff, helfen in höchster Not, bringen Wissen, Geschichten und willkommene Abwechslung, stellen aber gleichzeitig das gemeinsame Leben in Frage:

"Ein Leben lang waren sie einander das gewesen, an dem der andere sich als Erstes und Letztes orientierte; die einzige Sache, die sie brauchten, um sich vollständig zu fühlen, egal, was ihnen sonst genommen wurde oder im Dunkeln verloren ging. Nun aber begann jeder auf seine Weise daran zu zweifeln, dass ihre Verbindung für das, was sie vom Leben wollten, notwendig war." (S. 289)

Während die Geschwister mit Zielstrebigkeit, Fleiß und Lehren aus Fehlern ihr Überleben immer besser sichern, stellt ihre mit der Pubertät erwachende Sexualität sie vor unbeherrschbare Rätsel. Sensibel, glaubhaft und aus beider Sicht beleuchtet der Roman dieses Thema in allen Facetten, beschreibt Sehnsüchte, Vergnügen, Zweifel, Unwissen, Schuldgefühle, Scham und die Hilflosigkeit bei der Benennung unverständlicher Dinge.

Ein Buch, das man nicht einfach zuklappt
Ein alter Zeitungsartikel über einen Geistlichen, der in einer einsamen Bucht einen Bruder und seine schwangere Schwester entdeckte, ließ Michael Crummey jahrelang nicht los, bis er diesen inzwischen preisgekrönten Roman zu Papier brachte. Für mich hat sich das packend geschriebene Buch doppelt gelohnt: Einerseits wurde mein Wunsch einer Neufundlandreise bestärkt, andererseits beschäftigt mich das Schicksal der Geschwister auch über die Lektüre hinaus.

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gagamaus gagamaus

Veröffentlicht am 12.10.2020

Überlebenskampf zweier KInder

Eine Geschichte, wie sie sich bei uns in Europa nicht mehr zutragen könnte. Zu dicht ist das Land besiedelt, zu nah sind sich die Menschen. Aber in den Weiten Kanadas schaut das ganz anders aus. Da kann ... …mehr

Eine Geschichte, wie sie sich bei uns in Europa nicht mehr zutragen könnte. Zu dicht ist das Land besiedelt, zu nah sind sich die Menschen. Aber in den Weiten Kanadas schaut das ganz anders aus. Da kann es geschehen, dass zwei Geschwisterkinder miterleben, wie kurz nacheinander erst die Mutter und dann der Vater stirbt. Und obwohl sie noch nicht mal Teenager sind und weit ab von jeder Zivilistation schaffen sie es zu überleben und sich in der harten Einöde zu behaupten. Und niemand holt sie von dort weg oder denkt sich viel dabei, dass die Kinder jahrelang in ihrer Hütte leben und langsam erwachsen werden.

Anfangs fand ich es unsagbar traurig, dass die Kinder die volle Härte des Lebens abbekommen. Und die Natur ist unbarmherzig und verzeiht keine Fehler. Aber nach und nach hat es mich fasziniert, dass die Kinder von ihren Eltern durchaus viele Dinge gelernt haben und trotz ihrer Jugend einen unbändigen Überlebenswillen und eine angeborere Klugheit an den Tag legen. Hier gibt es keine Telefone, kein fließendes Wasser, keinen Strom. Die beiden haben keine Zeit zu spielen und Kind zu sein und dennoch bewahren sie sich eine Unschuld, wie unsere Kinder sie in der modernen Welt schon sehr früh verlieren. Und diese Unschuld macht sie zu Menschen, die ihr Glück in den kleinen lebenswichtigen Dingen finden und im Vertrauen aufeinander und auf die eigene Stärke.

Eine Geschichte, die sich unglaublich gut liest. Auch dank der reduzierten und punktgenauen Sprache des Autors.

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jenvo82 jenvo82

Veröffentlicht am 14.04.2021

Der Mensch muss ertragen, was er nicht ändern kann

„Inzwischen wusste sie, dass sie allein sich selbst belogen hatte. Doch das machte es am Ende noch schlimmer. Freude und Scham. Scham und Freude. Das waren die Währungen der Welt. Und beide wurden gleichermaßen ... …mehr

„Inzwischen wusste sie, dass sie allein sich selbst belogen hatte. Doch das machte es am Ende noch schlimmer. Freude und Scham. Scham und Freude. Das waren die Währungen der Welt. Und beide wurden gleichermaßen ausgezahlt.“

Inhalt

Everett und Ada Best sind noch Kinder als ihre Eltern kurz nacheinander sterben und die beiden als Waisen an der einsamen Küste Neufundlands zurücklassen. Bisher führten sie schon ein bescheidenes Leben, mit klaren Strukturen, viel Arbeit und allerhand Entbehrungen, doch nun stellt sich bald heraus, wie behütet sie doch waren, als Everett noch der Handlanger seines Vaters war, während er nun allein mit seiner jüngeren Schwester zusehen muss, wie sie überleben können. Nur zweimal im Jahr hält die Hope, der einzige Handelspartner seiner Eltern an der zerklüfteten Küste und tauscht Grundnahrungsmittel aller Art gegen den gefangenen Fisch der Saison. Everett und Ada bemühen sich aus Leibeskräften, irgendwie in die Fußstapfen ihrer Eltern zu treten und das Abkommen weiterzuführen. Und so trotzen sie in den folgenden Jahren allen Widrigkeiten, entkommen manchmal nur knapp dem Verhungern, und bekommen mehr zufällig und kurzfristig Unterstützung von Fremden, die an ihrer Küste Halt machen. Doch als Everett und Ada immer älter werden, beide mittlerweile zu Jugendlichen gereift sind, wird ihr Verhältnis zueinander bedeutsamer, schamvoller und stiller – längst können sie nicht mehr so frei miteinander kommunizieren und ohne Hintergedanken im gleichen Bett schlafen …

Meinung

Der kanadische Autor Michael Crummey stammt selbst aus Neufundland und entwirft in diesem Roman ein beeindruckendes Porträt über das entbehrungsreiche Leben zweier Kinder, bestimmt von Naturgewalten. In der Einöde wird menschlicher Kontakt einerseits so dringend benötigt und andererseits bleibt kaum Zeit dafür, denn jeder Tag ist ein erbarmungsloser Kampf gegen die Natur, um die elementarsten menschlichen Bedürfnisse zu befriedigen. Doch hier bekommt die Dramatik der Stunde noch eine weitere Dimension, wenn man bedenkt, in welcher erbärmlichen Lage die Kinder tatsächlich feststecken. Sie können niemanden um Hilfe bitten, sie müssen sich ihr komplettes Wissen selbst aneignen und können nur durch unzählige Versuche einen Erfolg erreichen, weil ihnen für alles die Anleitung fehlt. Der Leser begleitet die beiden dabei über viele Jahre hinweg und erfährt, wie sie es dennoch schaffen, sich ganz ohne Eltern durchzuschlagen. Der ständig gleichbleibende Faktor ist dabei nur die Wiederkehr der Hope und damit vielleicht eines fernen Tages die Möglichkeit in zivilisiertere Gebiete überzusiedeln.

Der Handlungsverlauf des Romans gestaltet sich absolut spannend und nervenaufreibend, gerade weil die mühevollen Arbeiten detailliert beschrieben werden, ebenso wie die neu gewonnenen Fähigkeiten der Kinder, die im Laufe der Zeit tatsächlich nicht nur körperlich reifen, sondern durch diverse Besucher ihrer Küste auf andere Dinge aufmerksam gemacht werden. Everett lernt das Fallenstellen und Schießen und dadurch sind sie wesentlich unabhängiger vom Fischfang und gefährlichen Manövern auf hoher See. Sehr feinfühlig wird auch die Gefühlsebene der beiden betrachtet, die anfangs nur einander hatten und alles für den anderen getan hätten und letztlich feststellen müssen, welche Bürde tatsächlich auf ihnen liegt, wenn sie die einzigen Menschen auf diesem Fleckchen Erde sind. Keinem darf etwas zustoßen, keiner darf krank werden und die Nähe, die sie einst so unbefangen teilen konnten, gerät ins Wanken, nachdem Everett immer größeres körperliches Verlangen nach seiner Schwester verspürt, ohne genau zu wissen, woher diese emotionale Achterbahnfahrt kommt.

Dieser Roman besticht in erster Linie durch die unglaublichen Bedingungen, unter denen Everett und Ada sich beweisen müssen, dadurch kommt ein sehr hohes Tempo und ein fesselnder Plot zustande. Als Leser schaut man einerseits voller Bewunderung zu den Kindern andererseits aber auch voller Mitleid und Sorge, stets in der Erwartung, dass etwas Schlimmes passieren wird, etwas Lebensbedrohliches, Unabwendbares und sei es nur in Form von Unwettern oder wilden Tieren. Sehr gut dazu passt auch die Gliederung des Textes, in längere Kapitel, die aber ihrerseits in kleinere Abschnitte unterteilt sind – die Sprache selbst ist klar, sachlich und präzise, mehr beschreibend als erzählend und vollkommen wertungsfrei.

Dennoch hat mir beim Lesen irgendetwas gefehlt und ich glaube zu wissen was es ist, nachdem ich das Buch durchaus zufrieden zugeklappt habe. Diese so emotionale Ausnahmestory wird durch den auktorialen Erzähler durch eine Art Glasscheibe betrachtet: man sieht alles, weiß worauf es hinausläuft und nimmt jedes Ereignis unmittelbar wahr, was man aber nicht zu greifen bekommt ist die tatsächliche Gefühlsebene der Protagonisten. Und das ist eigentlich mein einziger Kritikpunkt, der die Gesamtwertung um einen Lesestern schmälert. Wäre diese Geschichte aus zwei Erzählperspektiven in wechselnder Abfolge erzählt wurden, dann hätte ich sowohl Ada als auch Everett erleben können, wäre ihnen und ihrer emotionalen Sicht sicherlich ganz schnell nahegekommen, so ist mir die Distanz einfach zu groß geblieben.

Fazit

Ich vergebe gute 4 Lesesterne und eine unbedingte Leseempfehlung für diese Ausnahmegeschichte, die alle Vorzüge einer Gesellschaft fast nebenbei erwähnt, gerade weil sie das Leben in der Einsamkeit so ungeschönt präsentiert. Beim Lesen des Textes wird deutlich, wie komfortabel und sicher das Leben sein kann, wenn man entsprechend aufwächst und wie unberechenbar und schwer, wenn Kinder weder eine Anleitung bekommen noch die Möglichkeit mehr zu entdecken, weil sie der Härte des Alltags ausgeliefert sind. Dieser Roman lässt die Zeit wie Flug vergehen und eröffnet interessante Perspektiven auf das harte Dasein in der Einöde, mit dem Vorsatz alles zu ertragen, was man nicht ändern kann.

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SleepingButterfly SleepingButterfly

Veröffentlicht am 07.09.2020

Einsamkeit

Einsamkeit

Was macht die Zeit mit uns, wenn man keine anderen Menschen bzw. nur eine sehr kleine Anzahl an ihnen in seinem Leben hat? Hier müssen die zwei Geschwister Evered und Ada das durchleben, denn ... …mehr

Einsamkeit

Was macht die Zeit mit uns, wenn man keine anderen Menschen bzw. nur eine sehr kleine Anzahl an ihnen in seinem Leben hat? Hier müssen die zwei Geschwister Evered und Ada das durchleben, denn die Eltern sterben als sie noch Kinder sind und mitten im Nirgendwo aufwachsen.

Als ich dieses Buch begonne habe, wusste ich nicht wirklich was mich erwartet, Die grobe Handlung - ja. Aber was erwartet mich wohl? Ich kann es auch jetzt noch nicht richtig beschreiben. Die Tage und Jahre verfliegen und natürlich gibt es (körperliche) Veränderungen und auch die Natur muss zeitweise bewältigt werden, doch wollen die beiden es am Ende gar nicht anders. Es gäbe die Möglichkeit, dass sie in ein näheres Dorf gebracht werden, doch die Beiden wollen in der Hütte bleiben.

Die Sprache ist einprägsam und die raue Natur und die Umstände werden dem Leser sehr deutlich nahe gebracht. Die Protagonisten und Situationen werden sehr bildgewaltig beschrieben und man hat des öfteren das Gefühl dabei zu sein und mit zu leiden.

Dennoch gebe ich am Ende “nur” 4 Sterne. Dann mir hat so ein bisschen ein richtiges Ende gefehlt.

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Nabura Nabura

Veröffentlicht am 30.08.2020

Überleben im Neufundland des 18. Jahrhunderts

Die Geschwister Evered und Ada leben mit ihren Eltern und ihrer kürzlich geborenen Schwester in einer abgelegenen Bucht in Neufundland. Im Sommer und Herbst fangen und verarbeiten sie Fische, die ihr Vater ... …mehr

Die Geschwister Evered und Ada leben mit ihren Eltern und ihrer kürzlich geborenen Schwester in einer abgelegenen Bucht in Neufundland. Im Sommer und Herbst fangen und verarbeiten sie Fische, die ihr Vater auf einem zweimal jährlich eintreffenden Schiff gegen Vorräte eintauscht. Doch dann sterben das Baby, die Mutter und der Vater kurz nacheinander an einer Krankheit. Evered und Ada, zu diesem Zeitpunkt ungefähr zwölf und zehn Jahre alt, wollen in der Bucht bleiben und das ihnen bekannte Leben fortführen. Es ist für die beiden ein Ringen mit der wilden, unberechenbaren Natur und der eigenen Einsamkeit.

Der Klappentext des Buches verrät bereits, dass Evered und Ada mitten in der Wildnis von Neufundland im 18. Jahrhundert auf sich allein gestellt sind. Entsprechend wenig überrascht war ich vom Tod ihrer Eltern und ihrer Schwestern auf den ersten Seiten, wovon auf den allerersten Seiten recht schnell berichtet wird. Die beiden überlebenden Geschwister haben sich in ihrem ganzen Leben noch nicht weit von der Bucht entfernt und kennen außer ihrer Familie keine anderen Menschen außer der Hebamme Mary Oram, die zur Geburt ihrer Schwester eine Weile bei ihnen wohnte. Ihr Wissen von der Welt ist entsprechend eingeschränkt auf das, was ihre Eltern und Mary Oram ihnen gesagt und gezeigt haben.

Ich war neugierig, ob die Geschwister ihr bisheriges Leben fortführen können und wollen. Ein Schiff könnte sie innerhalb weniger Tage zum Dorf Mockbeggar bringen, doch die beiden wollen lieber versuchen, in ihrer Bucht zu überleben. Ohne die Unterstützung ihrer Eltern wird das zu einem herausfordernden Kampf ums Überleben. Können sie genug Fisch verarbeiten, um mit den eingetauschten Vorräten den Winter zu überstehen? Dazu wird nicht nur Geschick benötigt, sondern auch das Wetter muss mitspielen.

Die Geschichte wird in einem ruhigen Tempo und sehr atmosphärisch erzählt. Man begleitet Evered und Ada beim Fischfang, der Robbenjagd und durch lange dunkle Wintertage. Auch das Verhältnis der Geschwister zueinander wird intensiv beleuchtet. Die beiden sind durch die gemensam verbrachte Zeit unzertrennlich. Sie wissen, dass sie als Geschwister einander nicht heiraten können, haben aber keinerlei sexuelle Aufklärung erhalten, sodass sie entsprechechende Regungen nicht richtig einordnen können.

Die Routine der beiden wird gelegentlich unterbrochen, zum Beispiel von einem Sturm oder Besuchern in der Bucht. Ich hätte mir in Summe mehr Spannung gewünscht, denn auch diese Ereignisse lösen keine größeren Umbrüche aus. Über mehrere Jahre bleibt man an Evereds und Adas Seite, die sich beharrlich den harten Lebensumständen entgegen stellen und lieber ihr bekanntes Leben weiterführen wollen als sich ins Ungewisse aufzumachen. Ein eindringlich erzählter Roman, der mich tief in die Wildnis Neufundlands des 18. Jahrhunderts eintauchen ließ.

Diese Rezension stammt aus unserer Community Lesejury, in der lesebegeisterte Menschen Bücher vor allen anderen lesen und rezensieren können. Hier kannst du dich kostenlos registrieren.

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Autor

Michael Crummey

Michael Crummey - Autor
© Chris Miner

Michael Crummey stammt aus Buchans, einer Bergarbeiterstadt in Neufundland. Er hat mehrere Gedichtbände und Romane verfasst, die oft in Neufundland und Labrador spielen. Er lebt mit seiner Familie in St. John’s, Neufundland.

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