Augsburg und die Fugger

Von Peter Dempf

Wer kennt ihn nicht: Jakob Fugger, den Reichen, der sich mit der Fuggerei angeblich ein Denkmal der Nächstenliebe und der Menschlichkeit gesetzt hat. Ein Augsburger Bürger, wie man ihn sich wünscht.

„Fugger“, das sind die strahlenden Renaissance-Figuren, die mit ihren Bauten, ihrem Vermögen, ihren Kunst- und Kulturschätzen und ihrer beeindruckenden Hinterlassenschaft das Stadtbild Augsburgs zweifellos bereicherten. Und doch ist dies nur die halbe Wahrheit.

Dass die Fugger in ihrer Frühzeit nicht nur durch umsichtiges Wirtschaften, sondern mindestens ebenso durch Unterdrückung, Ausbeutung und Kriegsgewinn zu Reichtum gelangt sind, darüber ist sich die Geschichtswissenschaft mittlerweile einig. Doch die Geschichte der Fugger in Augsburg gründet bis heute auf dem Narrativ der Mächtigen, die deshalb erzählen können, weil sie über umfangreiche Archive verfügen und es erhebender ist, sich mit der Wohnsituation der Fugger‘schen Familien in der gewaltigen Wohnstätte am Weinmarkt zu beschäftigen als mit den Slums der Vorstädte.

Dennoch stehen die „Fugger“ auf den Schultern derer, die in den Städten die Mehrheit ausmachten. Es waren die Habenichtse, Menschen ohne Vermögen, ohne gesichertes tägliches Einkommen, oft ohne saubere Wohnstätte oder Rückzugsort und ohne das Wissen, ob es am Abend eine warme Mahlzeit geben würde. Ohne diese Mehrheit, auf deren Schultern die Fugger stehen, wäre deren sagenhafter Reichtum niemals erwirtschaftet worden. Gerne schiebt man diesen Aspekt einfach beiseite, denn die Unterschichten haben keine oder kaum Nachrichten hinterlassen.

Um die ganze Geschichte der Fuggerfamilie zu erzählen, braucht es einen Blick von unten. Eben diesen Blick gewähren meine Romanfiguren, die aus den Unterschichten stammen, Mägde, Handwerker, sozial Verstoßene, deren Wege die Wege der Fugger kreuzen. Denn eines muss einem immer bewusst sein: Im Roman kann erzählt werden, was nicht direkt belegt werden kann. Man darf Menschen zum Leben erwecken, die von sich aus nie geredet hätten. Sie haben ein Leben geführt, wie die meisten von uns, ohne je aus dem Schatten zu treten. Gerade deshalb sind sie unbestechliche Beobachter und ebenso sichere Beurteiler der Unterschiede zwischen den gesellschaftlichen Schichten.

Meine Romane, die sich mit der Familie Fugger beschäftigen, versuchen nicht mehr, als eine längst überfällige Erneuerung des Narrativs „Fugger“.