Allein die Leseprobe hat mich schon hellauf begeistert, da war die Messlatte für den Rest des Buches schon sehr hoch gelegt. Die Idee der Story war irgendwie simpel und doch so komplex: in einem alten ...
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Allein die Leseprobe hat mich schon hellauf begeistert, da war die Messlatte für den Rest des Buches schon sehr hoch gelegt. Die Idee der Story war irgendwie simpel und doch so komplex: in einem alten Hotel werden abgeschnittene Ohren gefunden mit der mit Blut an die Wand geschmierten Satz: „Er hat es gehört“. Kaum hat man den Fund der dazugehörigen Leiche verdaut, geht es auch schon weiter mit der Entdeckung von zwei herausgerissenen Augen, dazu „Er hat es gesehen?“. Ein aufreibender Fall für Zoé Martin und Marc Davids, die mit allen Mitteln versuchen, den Mörder zu fassen und dabei ab und zu auch die Grenzen des Gesetzes beugen. Ihre Ermittlungen werden immer wieder durch die Machenschaften eines mysteriösen Unbekannten gekreuzt, der die Fundorte der Leichen und die Schauplätze der Horrorinstallationen aufsucht und YouTube Videos dreht. Sein Kanal gewinnt an Popularität, sodass bald nicht nur der Druck der Staatsanwaltschaft auf den Ermittlern lastet, sondern auch der der breiten Öffentlichkeit.
Dies war mein erster Roman von Chris Dominik und mit Sicherheit auch nicht der letzte. Von der ersten bis zur letzten Seite war ich gefesselt und mochte kaum das Buch zur Seite legen. Ich habe schon etliche Thriller gelesen und trotzdem stach dieser aus der Masse heraus. Besonders gut hat mir der gewählte Ort gefallen: mit dem Raum Frankfurt kann ich als Nordlicht eigentlich nicht unbedingt so viel anfangen, doch die triste Beschreibung des Wohngebietes ist wohl repräsentativ für ein jede (mittel-) große Stadt in Deutschland. So fühle es sich so an, als könnten die Geschehnisse direkt vor der eigenen Haustür passieren, was für ein super Spannungseffekt sorgt. Mal eine nette Abwechslung zu den ganzen Schwedenkrimis und Ami-Thrillern:)
Besonders spannend fand ich die Einblicke in die Gedankenwelt des Mörders und dessen Hintergrundgeschichte. Das war wirklich klasse erzählt, wie sich die ganze Lebensgeschichte des Psychopathen erst nach und nach erschließt und trotzdem im Gesamtzusammenhang Sinn ergibt. Ich habe die ganze Zeit zwischen absolutem Ekel und Mitgefühl geschwankt, was emotional wirklich herausfordernd war 😅
Die Thematisierung der YouTube Videos waren eine interessante Referenz zum aktuellen Zeitgeschehen: immer häufiger werden gewalttätige Videos auf den sozialen Medien verbreitet, sei es aus purer Sensationslust (sogenanntes „Gaffen“) oder aus Rachemotiven, wie bei Rufmordkampagnen. Die Auswirkungen eines Einzelnen, der einen Mob aufscheucht waren enorm. Auch der kritische Block auf True Crime Formate im Allgemeinen hat mich nachdenklich gestimmt, auch wenn das Beispiel jetzt natürlich fiktiv ist.
Auch die bildreiche Darstellung von Marcs Panikattacke ist ein zeitaktuelles Thema: die Geschichte des unverwundbaren Helden, an dem sämtliche Grausamkeiten spurlos vorbeigehen, hat sich auserzählt. Psychische Erkrankungen, insbesondere bei Männern sind aber immer noch ein Tabu-Thema, mit dem sich Marc konfrontiert sieht.
Nun noch Kurz zum Cover: wie auch schon die anderen Bücher der Reihe ist die Titelseite in einem abstrakten, düsteren Design gehalten. Der narbenähnliche Schnitt durch die Frontseite bricht die ansonsten sehr „cleane“ Illustration. Wer das Buch in die Hand nimmt, weiß in jedem Fall, worauf er/ sie sich einlässt, viel mehr erwarte ich von einem Cover auch nicht.
Fazit: nichts für schwache Nerven, aber eine absolute Leseempfehlung für alle, die einen packenden Thriller mit Suchtpotenzial suchen.
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