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Anne Weiss

Anne Weiss und ihr Co-Autor Stefan Bonner zählen zu einer Generation, die sich selbst nicht ernst nimmt, von anderen aber immer kritisch beäugt wurde. Anne Weiss ist Kulturwissenschaftlerin und Redakteurin. Sie hat sich lange beruflich mit Jugendkulturen und privat mit Joghurtkulturen beschäftigt. Stefan Bonner ist Journalist und Fernsehgucker. Er hat für die Wirtschaftsmagazine impulse und BIZZ geschrieben. Die Idee zu diesem Buch entstand im Büro bei einem Espresso - denn obwohl beide zur Generation Doof gehören, haben sie einen Job gefunden: Sie sind Lektoren in einem großen deutschen Publikumsverlag.

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Interview

Interview | 23.09.2014

Alphamännchen sind nahezu ausgestorben. Nun muss sich die moderne Frau von heute mit Generation Beta herumschlagen. Das erfolgreiche Autoren-Traum-Duo BONNER & WEISS hat den Ernst der Lage erkannt und spiegelt in ihrem neuen Roman BETAMÄNNCHEN wieder, wie die Pannenmänner versuchen ihre Orientie...

Alphamännchen sind nahezu ausgestorben. Nun muss sich die moderne Frau von heute mit Generation Beta herumschlagen. Das erfolgreiche Autoren-Traum-Duo BONNER & WEISS hat den Ernst der Lage erkannt und spiegelt in ihrem neuen Roman BETAMÄNNCHEN wieder, wie die Pannenmänner versuchen ihre Orientierung in der weiblicheren Gesellschaft wiederzufinden und erzählen uns hier im Interview, wie es zu dieser Softie-Entwicklung kommen konnte, was wir von unseren Männern noch zu befürchten haben und welche ihrer eigenen Erfahrungen sie ihn dem Buch verarbeitet haben.
Mit eurem ersten Buch „Generation Doof“ habt ihr einen Megaseller gelandet und den Nerv der Zeit getroffen. Jetzt erscheint „Betamännchen“. Worum geht’s diesmal?
Weiss: „Betamännchen“ ist ein Buch über die Pannenmänner von heute und die Frauen, die an ihnen verzweifeln. Der Zustand unserer Männer ist so ernst, dass er schon wieder komisch ist: Viele Jahrzehnte lang haben alleinerziehende Mütter, Karriereväter, Feministinnen und Reformpädagogen sein Wesen grundlegend verändert. Dabei ist eine neue Spezies entstanden: die Betamännchen – Jungs und Männer, die eine Gebrauchsanweisung fürs Mannsein brauchen, weil sie nicht mehr wissen, was ein Mann eigentlich sein soll. Und das ist auch schlimm für die Frauen. Denn ihr Kerl benimmt sich nicht mehr wie einer.
Bonner: Ich würde auch gerne etwas sagen.
Ja, was stimmt denn nicht mit den Betamännchen?
Bonner: Die Betamännchen haben in einer immer weiblicheren Gesellschaft zwischen Softietum und Metrosexualität die Orientierung verloren. Vom alt gedienten Rollenbild des kernigen Kerls sind sie so weit entfernt wie Philipp Rösler von Chuck Norris. Dank Mütterinnen und Lehrerinnen haben die Betamännchen zwar gelernt, wie man Konflikte ohne Rauferei löst – was sehr lobenswert ist-, doch dafür schwächeln sie, wenn sie die Dinge mal in die Hand nehmen und Entscheidungen fällen sollen. Ich weiß, wovon ich spreche: Ich bin allein unter Frauen aufgewachsen. Statt Fußball hatte ich Ballettunterricht und wie man einen Kronkorken mit den Zähnen öffnet, weiß ich bis heute nicht ...
Weiss: ... was sicherlich keine große Bildungslücke ist. Aber sie können einem schon leid tun, die Männchen. In den Medien werden sie ja schon qua Geschlecht verspottet: weichlich, weiblich, weinerlich nimmt sie niemand mehr ernst. Und die gefährlicheren Straßenbanden werden heute ohnehin von Frauen gegründet, während wir im Büro noch über Frauenquoten diskutieren.
Wie geht ihr an das Thema heran? Sind viele eigene Erfahrungen in das Buch eingeflossen?
Bonner: Na klar! Wir schreiben als Mann und Frau über unser Leben als und mit Betamännchen. Wir erzählen unsere Lebensgeschichten, weil sie stellvertretend für eine ganze Generation von Männern und Frauen stehen. Ich wurde als Härtefall gleich von drei Frauen aufgezogen: meiner allein erziehenden Mutter, meiner Großmutter und meiner Urgroßmutter. Statt Pfeil und Bogen hatte ich eine Puppensammlung. Meine Rollenvorbilder musste ich dem Medienregal der Achtzigerjahre entleihen: Meine Väter waren Colt Sievers, Axl Rose und James Bond. Seither frage ich mich, was das eigentlich sein soll, ein Mann. Und ich erzähle in diesem Buch, wie es ist, wenn Jungs keine Jungs sein dürfen und welchen Gefahren man als erwachsenes Betamännchen in einer weiblichen Welt voller überholter Rollenklischees ausgesetzt ist.
Weiss: Ich hatte auch eine Puppensammlung. Aber mein Vater hat mir darüber hinaus ein Heimwerkertraining angedeihen lassen. Deshalb komme ich heute ganz gut ohne Mann im Haushalt klar. Ich dachte sowieso immer, dass Jungs von einem anderen Planeten stammen. Immerhin bin ich mit zwei Schwestern großgeworden. Mit Jungs wurde ich erstmalig im Kindergarten konfrontiert - merkwürdige Wesen, wenn auch faszinierend. In Betamännchen erzähle ich, welche merkwürdigen, possierlichen und verpeilten Kerle ich getroffen habe. Und davon, wie es ist, wenn man den Mann fürs Leben sucht, aber nur männliche Montagsware aufgetischt bekommt.
Müssen wir uns ernsthafte Sorgen machen, wenn die Männer keine Männer mehr sind?
Weiss: Ja. Denn Kinder, Familien, die Gesellschaft und die Wirtschaft brauchen intakte Männer. Statistisch sieht es allerdings für die Betamännchen nicht gut aus: Männer leben im Durchschnitt acht Jahre weniger als Frauen. Jungs bleiben in der Schule doppelt so oft sitzen, fliegen doppelt so oft vom Gymnasium und landen doppelt so oft auf der Sonderschule – zwei Drittel der Kinder mit Lernschwierigkeiten sind Jungen.
Bonner: Ich hatte im Abi auch eine Sechs in Mathe ...
Weiss: Und man sieht ja, was passiert, wenn Männer wie du dann den Chef mimen: In den Topetagen der Wirtschaft versagen männliche Manager und treiben ganze Konzerne in den Ruin. Und auch in der Liebe sind Männer Loser: Jede dritte Ehe zerbricht, wobei in vier von sechs Fällen die Frau entnervt das Handtuch wirft.
Worauf läuft das Ganze hinaus? Sind die Frauen die neuen Alphatiere?
Weiss: Die Betamännchen reihen sich gerne hinter erfolgreichen Frauen ein, die die Führung übernehmen und ihnen sagen, wo es lang geht ...
Bonner: Das macht sie ständig.
Weiss: Sogar in traditionellen Männerdisziplinen haben die Kerle nicht mehr viel zu melden: Frauen besetzen hohe Ämter im Staat, werden öfter Fußballweltmeister, treten in die Bundeswehr ein und segeln schon als Teenie einhand um die Welt.
Bonner: Und dabei gehe ich segeln, um mich mal richtig männlich zu fühlen. Aber egal, auch fernab der Abenteuerwelt lauern Gefahren: Im Großraumbüro dominieren heute weibliche Tugenden wie Kommunikationsfreude, Teamarbeit und Empathie – allesamt traditionell weibliche Fähigkeiten. Beratungsresistente Esel, despotische Platzhirsche und cholerische Brüllaffen werden ausgemustert. Frauen haben einfach die besseren Manieren, die umfassendere Bildung und die gepflegteren Umgangsformen. Und besser aussehen tun sie sowieso.
Weiss: Danke.
Sehen sich die Männer von heute selbst überhaupt als Betamännchen? Oder eher als total moderne Typen, die sich daran angepasst haben, was die Gesellschaft erwartet?
Weiss: In jedem Szeneviertel findet man Männer, die freihändig über die verschiedenen Aggregatszustände von Kinderkacke parlieren können. Die Frage ist, ob sie mit ihrer Rolle wirklich glücklich sind.
Bonner: Rolle ist gut – die müsste ja erst mal definiert sein. Einerseits sind noch Reste alter Rollenbilder da, andererseits soll alles schön modern sein, auch der Mann. Daraus ergibt sich das Dilemma der Betamännchen: Einerseits wird von ihnen verlangt, dass sie ein Nest für die Familie bauen, Entscheidungen treffen und jeden Tag auf die Jagd gehen, um die Lieben mit Fastfood, Flachbildfernseher und All-inclusive-Urlaub zu versorgen. Andererseits sollen sie alles niveauvoll ausdiskutieren, den Abwasch machen, Staub saugen, kochen und mit einem Lächeln Windeln wechseln. Dabei wird von ihnen verlangt, dass sie eine gute Figur machen und stets wissen, wann man wem wie die Tür aufhält. Nebenbei müssen sie auch noch Partnerschaftsprobleme sowie Weltschmerz, Literatur und Politik auf Talkshow-Niveau diskutieren. Als Betamännchen kann man davon ja nur verwirrt sein - und überfordert.
Weiss: Wir fragen uns: Muss ein Mann heute eine eiertragende Wollmilchsau sein? Oder gibt es einen Weg, die eigene Männlichkeit zu demonstrieren und dabei doch man selbst zu bleiben?
Aber haben diese Männchen nicht auch etwas Gutes? Väter, die zuhause bleiben, Männer, die Gefühle zeigen können?
Weiss: Klar. Betamännchen sind coole Typen. Wenn man einen Mann mit dem Charakter eines Golden Retriever sucht. Aber die meisten Frauen wollen keinen Mann zum Gassi gehen.
Bonner: Ihr träumt doch still und heimlich immer noch vom kantigen Kerl, der mit rückwärts einparkt und ohne Navi den Weg zu euch ins Bett findet.
Weiss: Genau. Und, weil ihr das denkt, benehmt ihr euch ständig daneben.
Es passt doch auch nicht in die heutige Zeit, dass Frauen vom Macho träumen. Immerhin geht es doch ständig um Gleichberechtigung?
Bonner: Wir reden nicht vom klassischen Achselshirt-Macho. Das Problem ist vielmehr, dass sich Frauen – wenn man den erfolgreichen Liebesfilmen und –romanen unserer Zeit glaubt – insgeheim nach dem Alphatier zum Kuscheln sehnen: dem Mann, der sie auf starken Armen aus dem brennenden Haus rettet, vielleicht sogar eine dunkle Sadomaso-Ader hat, mit der er sie erweckt. Gleichzeitig soll er tierlieb sein, als Vater das Kind auf dem Bizeps jonglieren und den dritten Dan in ayurvedischer Kochkunst haben. Kai Pflaume meets Vin Diesel.
Weiss: Zugegeben, es mag sein, dass viele Frauen diese Fantasien insgeheim hegen. Wenn sie das Kino oder den Lesesessel verlassen, sind die romantischen Bedürfnisse aber erst mal gestillt – in der Realität ist der Alphamann weit weniger verführerisch. In einer Beziehung kommt es darauf an, Gleichberechtigung zu leben.
Bonner: Da wir aber vermuten, dass ihr uns nur dann respektiert, wenn wir beides sind – der verständnisvolle Problemteetrinker und der muskelbepackte Macher – verlieren wir das Gleichgewicht. Außerdem: Wo bleibt die Gleichberechtigung für Männer – warum muss ständig ich dir die Türe aufhalten und nicht umgekehrt?
Weiss: Tür. Es heißt Tür.
Heißt das, wir brauchen eine Männerbewegung?
Weiss: Es gibt eine Männerbewegung. Doch die ist so schlaff wie ein Brüderle-Witz. Männer haben keine Ahnung, wie sie ihren Teil einer Beziehung ausfüllen sollen, wenn es nicht darum geht, nur den Kontostand auf einem anständigen Pegel zu halten. Daran verzweifeln auch die Frauen. Denn die nervt es, dass ihr Kerl nicht mehr vor noch zurück weiß. Erst jetzt gibt es erste zaghafte Initiativen, dass Männer ihr Recht einfordern, nicht nur als Geldesel, sondern auch als Glucke, die sich um die Kinder kümmert, ernstgenommen zu werden.
Bonner: Auch der Staat und die Gesellschaft müssten neue Lebensmodelle für Männer mittragen. Dass viele Frauen noch immer weniger Geld verdienen als ihre Männer, drängt letztere zum Beispiel automatisch in die Ernährerrolle. Wahre Gleichberechtigung erreichen wir nur mit einem Wertewandel.
Wer ist eigentlich schuld, dass gerade so gar nichts passt? Die Frauen oder die Männer?
Bonner: Die Frauen. Sie haben von Männern geträumt, die sich wie ihre beste Freundin verhalten. Bekommen haben sie Betamännchen, die die besseren Frauen sein wollen – die sich die Haare färben, den Psychotest in der Frauenzeitschrift machen, immer das neuste Herrenpeeling auftragen und sich im Ernstfall lieber mit dem neuen Kochbuch von Johann Lafer hinter dem Herd verkrümeln anstatt den Nachwuchs zurechtzuweisen.
Weiss: Die Männer. Immerhin haben viele Männer die Erziehung der Kinder, auch der Jungs, ja meistenteils ihren Frauen überlassen, während sie sich ihrer Karriere gewidmet haben oder einfach das Weite gesucht haben. Die Männer sind leider in der Zeit stehen geblieben: Während sich Frauen seit Anfang des letzten Jahrhunderts immer mehr Freiheiten erstritten haben, haben es die Männer versäumt, sich neue Rollenbilder zuzulegen, die auch im 21. Jahrhundert alltagstauglich sind.
Aber im Ernst: Es geht nicht darum, jemandem die Schuld zuzuweisen. Sondern darum, für alle eine gute Lösung zu finden, damit endlich wieder alles sitzt, passt und Lust hat.
Wie ist die Idee entstanden, „Betamännchen“ zu schreiben? Gab es eine bestimmte Situation, die ausschlaggebend dafür war?
Weiss: Ich würde sagen, das Thema liegt einfach in der Luft. Der moderne Mann ist seit Jahren in der Dauerkrise: Erfolgsromane erzählen von hummeldummen Vollidioten, in Bildungstests verhindern die Jungen regelmäßig ein besseres Abschneiden und in den Medien wird alle paar Monate das Aussterben des Mannes verkündet. Kein Wunder, dachte ich mir, dass es mit den Männern bei mir nicht klappt.
Bonner: Da wir uns nun schon so lange kennen, haben wir etwas getan, das Männer und Frauen öfter mal tun sollten: miteinander reden. Und wir haben immer häufiger festgestellt, dass wir selbst Teil der Männerkrise sind: als vaterlos aufgewachsener Mann und als an schrecklichen Dates leidende Frau. Wir haben unsere eigenen Erfahrungen aufgeschrieben, da sie vieles wiederspiegeln, was Männer und Frauen derzeit erleben. „Betamännchen“ ist daher ein Buch für alle Männer, die nach der Männlichkeit suchen.
Weiss: Und für die vielen Frauen, die lieber Single bleiben, als sich ein Betamännchen ans Bein zu binden. Im besten Fall kaufen Sie es also für Ihren Kerl und klauen es ihm dann.
Wie schafft ihr es immer, den Nerv der Zeit zu treffen?
Bonner: Wir hören hin, schauen uns um - und können den meisten Beobachtungen viel Komisches abgewinnen.
Weiss: Zu zweit zu sein ist dabei natürlich ein Vorteil: Wir kennen sowohl die weibliche als auch die männliche Sicht der Dinge.

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