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Sebastian Fitzek

Sebastian Fitzek wurde 1971 in Berlin geboren. Nach einem Hörfunk-Volontariat und einem Studium der Rechtswissenschaften, arbeitete der im Urheberrecht promovierte Jurist mehrere Jahre als Chefredakteur und Programmdirektor verschiedener Radiostationen bis er Anfang 2000 damit begann, eine Geschichte aufzuschreiben, die ihm schon seit längerer Zeit im Kopf herumspukte. Heraus kam sein Debüt „Die Therapie“, das trotz einer Kleinstauflage und ohne jegliches Marketing ausschließlich durch Mundpropaganda zu dem Überraschungserfolg des Jahres wurde.

Seitdem wuchs die Lesergemeinde von Fitzeks Thrillern stetig und ausnahmslos alle seine Bücher wurden zu Bestsellern. Mit „Der Nachtwandler“ gelang ihm 2013 erstmals der Sprung auf Platz 1 der Spiegel-Taschenbuch-Liste. Mit „Passagier 23“ hielt er sich 2014/2015 mehrere Monate auf dem Spitzenplatz der Hardcover Liste. Im Herbst 2015 gelang es ihm als ersten deutschen Thrillerautoren Deutschlands gleich drei seiner Werke auf den ersten drei Plätzen zu platzieren: „Die Blutschule“ (unter dem Pseudonym Max Rhode, #3 Spiegel-Paperback), „Passagier 23“ (#2 Spiegel-Taschenbuch) und „Das Joshua-Profil“ (#1 Spiegel-Hardcover).

Seine Werke sind mittlerweile in einer Gesamtauflage in Deutschland von sechs Millionen Büchern erschienen und werden in 24 Sprachen übersetzt. Sie waren die Vorlage für eine internationale Independent-Kinoproduktion (Das Kind, mit Ben Becker, Dieter Hallervorden und Eric Roberts) und sind Gegenstand mehrerer Theateradaptionen („Der Seelenbrecher“, „Die Therapie“ (Premiere 2016) und „Passagier 23“ (Premiere 2016.)
Derzeit arbeiten mehrere namhafte Produktionsfirmen an weiteren Verfilmungen, wie etwa Ziegler-Film (Abgeschnitten, Kino) und die UFA (Das Joshua-Profil, mehrteilige TV-Serie).

Fitzek geht jährlich auf Lesereise. Dabei liest er sehr gerne in Buchhandlungen, wo er den direkten Kontakt mit seinen Leserinnen und Lesern sucht. Bekannt ist er aber auch für seine Multimedia-Events, wie die „Soundtrack-Shows“, bei denen eine Live-Band einen extra für das Buch komponierten Soundtrack aufführt, während Fitzek liest.

Zu der Veröffentlichung von „Noah“ startete er einen Rekordversuch und hielt 51-Lesungen in einer Woche, zu denen ihn Privatpersonen einluden; teils zu sich nach Hause, teils an ihren Arbeitsplatz, weswegen Fitzek in dieser Woche in Zahnarztpraxen, Friseurläden, in einem Fitnessstudio, einem Hospiz, bei einer Jugend-WG in einem Plattenbau, einer ausgebauten Windmühle und sogar in der Trauerhalle eines Bestattungsunternehmens lesen durfte.

Inhaltlich greift Fitzek in seinen Werken immer wieder Themen wie Kindesmisshandlung und Missbrauch auf, die ihn als Vater dreier Kinder besonders erschüttern und so sehr bewegen, dass er sich seine „eigenen Ängste von der Seele schreiben muss“.
Laut eigener Aussage sind alle seine Bücher Familiengeschichten, da das Böse wie das Gute seinen Ursprung in eben jener Familie hat.
Dabei interessiert ihn weniger die Schilderung expliziter Gewalt als die Darstellung der psychologischen Folgen, die körperliche wie seelische Grausamkeit auf den Menschen hat.

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Interview

Interview | 16.01.2014

2006 war er ein unbekannter Autor, dessen Debüt »Die Therapie« mit einer Erstauflage von 4000 Stück veröffentlicht wurde. Heute, sieben Jahre und acht Bestseller später, ist Sebastian Fitzek der unumstrittene Star des deutschen Psychothrillers. Im Interview zu seinem neuen Blockbuster »Noah« spricht...

2006 war er ein unbekannter Autor, dessen Debüt »Die Therapie« mit einer Erstauflage von 4000 Stück veröffentlicht wurde. Heute, sieben Jahre und acht Bestseller später, ist Sebastian Fitzek der unumstrittene Star des deutschen Psychothrillers. Im Interview zu seinem neuen Blockbuster »Noah« spricht er über Kindheitsträume, Karriere und sein Leben als Autor.
Wie man hört, wollten Sie als Kind Tennisprofi werden und hätten das auch geschafft, wenn die Medien sich nicht so verbissen auf den damals 17jährigen Boris B. aus L. gestürzt hätten, nur weil der gerade Wimbledon gewann, statt dem eigentlichen sportlichen Großereignis dieser Tage, Ihrem 3. Platz beim Schleifchenturnier des SC-Brandenburg mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Inwiefern beeinträchtigt diese Erfahrung noch heute Ihr Verhältnis zur Presse?

Ich war schon sehr enttäuscht, wie hier die Prioritäten gesetzt wurden. Vermutlich ist das der Grund, weshalb ich später beim Radio anfing, um die Maßstäbe des Qualitätsjournalismus neu zu definieren. Allerdings wurde mir auch hier nicht erlaubt, über das Schleifchenturnier zu berichten, weswegen diese edle Meisterschaft nur den wenigsten Mitmenschen ein Begriff sein dürfte.
Des Weiteren hört man, dass Sie eine internationale Karriere als Schlagzeuger im wahrsten Sinne des Wortes „verhauen“ haben, weil Sie sich selbst im Weg standen. Wie hat man das zu verstehen, und wie groß ist Ihrer persönlichen Einschätzung nach der daraus entstandene Verlust für die Musikwelt?

Was heißt „verhauen“? Ich war einfach nicht gut genug. Und außerdem ist man als Jugendlicher ja nur aus einem Grund in einer Band: um Mädchen kennenzulernen. Aber selbst das hat nicht funktioniert. Als Schlagzeuger sitzt man in der hintersten Ecke auf der Bühne, versteckt hinter dem Drumset und ist nach dem Auftritt Stunden damit beschäftigt, das Equipment einzupacken, während der Sänger nur das Mikro abschrauben muss und feiern gehen kann. Ich rate daher jedem pubertierenden Teenager: Augen auf bei der Instrumentenwahl!
Es heißt, keine Musik präge uns so sehr wie die, die wir im Alter von 14 Jahren hören. Was war ihr absoluter Lieblingssong der Jahre 1985/86?
Shake the Disease von Depeche Mode und In Between Days von The Cure.
Was der Arzt dem Doktorbuch-Wälzer voraus hat, unterscheidet den Psychothriller-Autor vom gemeinen Schriftsteller: Sie müssen die menschliche Seele in ihrer Gesundheit kennen, um sich die kranke eines Psychopathen literarisch erschließen zu können. Was haben Ihre Eltern nach Ihrem Dafürhalten so richtig an Ihnen gemacht, dass Sie sich so herrlich normal entwickeln konnten?
Sie haben mir immer den Raum und die Unterstützung gegeben, meine Phantasie (und damit meine Kreativität) auszuleben. Obwohl ich aus einem sehr konservativen Elternhaus stamme (ich durfte, bis ich 18 Jahre alt war, nie in eine Diskothek gehen), hörte ich nie Sätze wie „Lern etwas Ordentliches, verplempere deine Zeit nicht mit Musik“ etc.) Und auch als ich mein Tiermedizinstudium nach drei Monaten abbrechen und zum Radio gehen wollte, wurde ich nicht enterbt. Im Gegenteil: Mein Elternhaus war wie ein Flugzeugträger für mich. Von ihm konnte ich ins Abenteuer hinaus fliegen, wohl wissend, dass irgendwo in der rauen See da draußen ein sicherer Hafen auf mich wartet. Mir durfte auf dem Rückweg nur der Sprit nicht ausgehen.
Ursprünglich wollten Sie mal Tierarzt werden, und jeder Tierhalter, der liest, wie Ihr Protagonist Noah mit dem Welpen Toto umgeht, wird heimlich bedauern, dass Sie diesen Beruf nicht noch irgendwie nebenbei ausüben. Was hat Sie damals bewogen, das Studium aufzugeben, und haben Sie ein Haustier, das Ihnen bei Ihrer kreativen Arbeit jaulend oder miauend zur Seite liegt?
Ich hatte zwei Hunde, die sind aber alle eines natürlichen Todes gestorben, nachdem sie uralt wurden. Jetzt habe ich drei Kinder, und sobald die etwas größer sind, hoffe ich wieder genügend Zeit für Haustiere zu haben. Im Moment würden wir die Tiere zu sehr vernachlässigen.
Ich denke übrigens, dass alle Tiere froh sind, dass ich nicht Veterinär geworden bin. Ich habe nämlich zwei linke Hände. Das wurde mir spätestens im Sektionsaal bewusst, als ich mich daran versuchte, bei einem toten Hund die Bauchmuskeln zu präparieren. Ein lebendes Tier will meine Operationskünste ganz sicher nicht erfahren.
Sie sind von Haus aus promovierter Jurist, haben aber nie in diesem Beruf gearbeitet. Glauben Sie, dass das Jurastudium Ihnen trotzdem das für das kreative Schreiben unverzichtbare Rüstzeug mitgegeben hat, jede Wahrheit glaubhaft in eine Unwahrheit verwandeln zu können und umgekehrt?
Als Jurist, ganz besonders als Strafverteidiger, haben sie das Ende der Geschichte meistens im Kopf. Sie wollen ihren Mandanten rauspauken, und jetzt überlegen sie sich eine Strategie, wie das funktioniert. Man könnte auch sagen: Sie denken sich eine Geschichte aus. Diese Geschichte sollte so nah wie möglich an der Wahrheit sein, sonst wird sie nicht geglaubt. Insofern sind hier tatsächlich einige Parallelen zum Autor vorhanden – und nicht wenige Juristen sind ja auch erfolgreiche Schriftsteller.
Noch während Ihres Jurastudiums begannen Sie ein Volontariat beim Radiosender 104.6 RTL, Berlin und wurden später Unterhaltungschef und Chefredakteur beim Berliner Rundfunk. Hat Sie diese Tätigkeit so sehr das Gruseln gelehrt, dass Sie sich das Grauen irgendwie von der Seele schreiben mussten?
Ich denke eher, dass das Leben jeden erwachsenen Menschen das Grauen lehrt, dafür muss man nur einmal die Zeitung aufschlagen. Letztlich aber kann ich nicht leugnen, dass es gerade im Radio eine große Zahl verhaltensauffälliger Kollegen gibt, von denen sich einige auch in meinen Büchern wiederfinden.
Mit Ihrem literarischen Debüt „Die Therapie“ haben Sie 2006 innerhalb von zwei Wochen die Amazon-Verkaufscharts gestürmt und Dan Browns „Sakrileg“ und Hape Kerkelings „Ich bin dann mal weg“ auf die Plätze 2 und 3 verwiesen. Was für ein Gefühl war das für Sie, nachdem Sie zunächst Mühe gehabt hatten, für Ihr Erstlingswerk einen Agenten zu finden?
Ein sehr irreales Gefühl. Ich dachte, das wäre ein Computerfehler. Dachten die bei Amazon in England übrigens auch. Es gibt eine E-Mail von der englischen Amazon-Leitung an die deutsche Zentrale mit dem Betreff: „Who the fuck is Fitzek???“
Wer einen Golfschläger halten kann, meint leicht, die „British Open“ gewinnen zu können, und wer seinen Namen schreiben kann, glaubt oft zwangsläufig, auch Literatur zu Papier bringen zu können. Was ist Ihres Erachtens der größte vermeidbare Fehler von Menschen, die zwar schreiben, aber keinerlei Erfolg haben?
Sich mit dem ersten Entwurf zufrieden zu geben. Der ist in der Regel Mist. Ich kenne keinen erfolgreichen Autor, der seine Werke nicht mehrmals überarbeitet, bevor sie in den Druck gehen.
Werden Sie inzwischen überall sofort erkannt und angesprochen, oder ist Ihnen bei allem Erfolg und Ruhm eine gewisse Anonymität geblieben?
Ich werde nur sehr selten erkannt und das auch meistens nur, wenn ich irgendwo einen Ausweis oder meine EC-Karte vorlegen muss. Umgekehrt würde ich die meisten Autoren, die ich lese, auch nicht unbedingt auf der Straße erkennen. Ich finde diese Form der bekannten Anonymität sehr schön.
Es heißt, dass Sie Lesungen lieben, Lesereisen indes ganz und gar nicht, sodass Sie die gern schon mal wie Klassenfahrten organisieren und sich ein paar Freunde mitnehmen. Wie muss man sich das vorstellen?
Bei jeder Lesung begleitet mich Christian, den viele wegen seiner großen Statur für meinen Bodyguard halten, dabei ist er ein alter Freund, dem es Spaß macht, mit mir durch die Gegend zu reisen. Anfangs war das Luxus. Mittlerweile habe ich so viele Termine am Stück, dass ich es ohne ihn an meiner Seite kaum noch schaffen würde. Zu großen Events begleitet mich meine Frau, dann der Verlag, meine Managerin, meine PR-Agentin – und wenn dann auch noch meine Kinder mitkommen, ist die Klassenfahrt komplett.
Sie sind in Ihrer bisherigen Karriere bereits mit einer Vielzahl von Preisen bedacht worden. Gibt es eine Auszeichnung, von der Sie insgeheim träumen?
Nein.
Können Sie sich theoretisch vorstellen, nach all den großen Erfolgen mit Ihren Psychothrillern irgendwann komplett das Genre zu wechseln?
Ja, aber vermutlich nur unter Pseudonym. Ich will von meinen Lieblings-Thriller-Autoren ja auch keine Komödie lesen.
Auf den ersten Blick kommt es einem so vor, als gebe es kein einziges Thema mehr, das nicht schon literarisch ausgeschlachtet wurde. Erst wenn man sich mal intensiver damit befasst, stellt man fest, dass dem ganz und gar nicht so ist, dass viele Themen immer noch tabuisiert oder aber viel zu selten oder nur ansatzweise behandelt werden. Gewalt gegen Kinder ist eines davon. Warum ist das Ihres Erachtens so in einer eigentlich doch exhibitionistischen Gesellschaft?
Schon Hitchcock gab als Prämisse für einen guten Thriller aus: „Never hurt a child.“ Im Kern hat er damit Recht. Kinder nur zum Zwecke der Unterhaltung in seinen Büchern zu quälen, ist pervers. Auf Missstände in unserer Gesellschaft aufmerksam zu machen, ist allerdings eine notwendige Aufgabe auch der Unterhaltungsliteratur. Diesen scheinbaren Widerspruch gilt es mit Fingerspitzengefühl auszuloten. Kindesmissbrauch ist – anders als die Ermordung von Millionärsgattinnen in Vorstadt-Villen – ein Massendelikt. Die Taten sind so unvorstellbar, dass wir sie lieber verdrängen wollen. Doch das eröffnet den Tätern die Möglichkeit, ihre Taten begehen zu können, ohne im Fokus der Öffentlichkeit zu stehen.
Sie sagen von sich selbst, Sie seien ein ausgesprochen ungeduldiger Mensch. Wirkt sich Ihre Ungeduld manchmal auch nachteilig auf den Schreibprozess aus?

Nein. Schreiben ist die einzige Tätigkeit, bei der ich vollkommen zur Ruhe komme. Ich kann dabei ja schlecht E-Mails lesen oder telefonieren. Zudem nehme ich mir Monate Zeit für meine Überarbeitungen.
Wie darf man sich Ihre Arbeitsweise überhaupt vorstellen? Arbeiten Sie nach einem festen Stundenplan von acht bis fünf?
Ich schaufele mir immer Zeitblöcke von mehreren Monaten frei, in denen ich keine Interviews gebe, nicht auf Lesereise bin, sondern ausschließlich Zeit zum Schreiben habe. In dieser Zeit versuche ich tatsächlich täglich spätestens ab neun Uhr am Schreibtisch zu sitzen und dort zu verharren, so lange wie es nur geht.
Wie ist das, wenn eine Idee zu einem neuen Roman in Ihnen geboren wird? Setzen Sie sich dann hin und schreiben los und lassen es „fließen“, oder erstellen Sie erst einmal ein Handlungs- und Personengerüst?
Ich erstelle mir immer erst ein grobes Exposé. Wenn ich anfange zu schreiben, meine ich immer die Charaktere zu kennen und zu wissen, wie die Geschichte verläuft. Schon nach zwanzig Seiten aber machen die Schweinehunde von Figuren dann immer was sie wollen und degradieren mich zum tippenden Zuschauer.
Sie sind seit drei Jahren mit Ihrer Frau Sandra verheiratet, der Sie NOAH gewidmet haben, und haben drei Kinder. Wie lässt sich das mit dem Leben eines Schriftstellers vereinbaren, der vorwiegend in seinem Kopf und dort in einer ganz anderen Welt lebt?
Wie? Ich bin verheiratet? Und was für Kinder ...?
Hat die Tatsache, dass Sie inzwischen Familienvater sind, Ihren Blick auf die Welt und vor allem Ihre Meinung zu und Ihre Einstellung gegenüber den Menschen und der Art, wie die miteinander umgehen, verändert?
Meine Sorgen, die früher hauptsächlich theoretischer Natur waren, haben sich konkretisiert. Da ich in meinen Büchern auch meine Ängste verarbeite, sind die Alpträume, die ich in ihnen beschreibe, zum Teil intensiver geschildert als früher. Und natürlich macht man sich mehr Gedanken um die Zukunft, wenn man etwas auf dieser Erde hinterlässt, was den eigenen Tod überdauert.
Teilen Sie Ihre innersten Gefühle mit den Menschen in Ihrem engsten Umfeld noch auf die völlig antiquierte Art der persönlichen Interaktion oder verschicken Sie in regelmäßigen Abständen Smiley-Faces, um Ihren jeweiligen Gemütszustand zu vermitteln?

Ich ertappe mich dabei, dass ich hinter einigen SMS einen Smiley anfüge, meistens aus Angst, dass jemand meinen Scherz nicht verstehen und mich wegen Beleidigung anzeigen könnte. Ansonsten liebe ich das persönliche Gespräch und ziehe es jeder elektronischen Form der Kontaktaufnahme vor.
Belasten Sie Ihr Gehirn noch damit, gedanklichen Anstößen nachzugehen und gegebenenfalls sogar zu vertiefen, oder googeln Sie in solchen Fällen sofort?

Ich bin ein fauler Mensch. Nachdenken geht einfacher als googeln (dazu muss man tippen, beim Nachdenken kann man einfach auf dem Sofa sitzen bleiben). Aber ansonsten finde ich googeln prima. Ich suche nur noch nach einem Weg, das Gegoogelte nicht sofort wieder zu vergessen.
All Ihre bisherigen Romane haben es auf die Bestsellerliste geschafft. Erwartet man inzwischen von Ihnen, dass es so kommt, und noch wichtiger: Erwarten Sie das selbst, und wären Sie maßlos enttäuscht, wenn es nicht passieren würde?
Ich denke schon, dass der Verlag eine Erwartungshaltung hat, von der sich auch ein Autor nicht freisprechen kann. Natürlich ist es unvernünftig, seinen Seelenzustand von Bestsellerplätzen abhängig zu machen. Aber es ist auch nicht die beste Idee, sich nachts um halb drei den Bauch mit Schokolade vollzuschlagen, und das habe ich auch schon getan.
Laut Aussage von Paul R. Ehrlich, Professor für Biologie an der Universität Stanford, liegen die Chancen, dass die westliche Zivilisation dieses Jahrhundert übersteht, bei etwa zehn Prozent. Wie ist da Ihre persönliche Einschätzung?
Das ist die Frage, wie wir „westliche Zivilisation“ definieren. Wenn damit gemeint ist, dass wir dann alle noch so leben, wie wir es heute tun – also weiterhin in ölverbrennenden Flugzeugen um den Globus jagen, mit Trinkwasser unsere Exkremente wegspülen, täglich Fleisch essen, alle Auto fahren und jedes Jahr ein neues Handy kaufen – dann ist die Chance wesentlich kleiner. Wenn wir rechtzeitig gegensteuern, könnte die Einschätzung von Paul Ehrlich zutreffen.
Fliegt Sebastian Fitzek noch Langstrecke? Oder anders gefragt: Auf was verzichtet Sebastian Fitzek seit seinen Recherchen zu NOAH?

Ich muss ganz offen gestehen: Meine Anstrengungen sind lächerlich angesichts der Probleme, die auf uns zurollen. Ich esse deutlich weniger Fleisch – und wenn, dann nur solches von Bauern aus der Umgebung, bei denen man sich vor Ort von den Stallbedingungen überzeugen kann. Ich vermeide innerdeutsche Flüge, hab mir wieder ein Fahrrad für den Weg ins Büro gekauft und benutze keine Plastiktüten mehr. Die Liste der „kleinen Schritte“ ließe sich noch fortsetzen, doch ehrlich gesagt, bin ich selbst nicht überzeugt, dass ich damit etwas bewirke. Das Hauptproblem ist das auf Verbrauch und Wachstum ausgerichtete System, in dem wir leben, und von dem ich selbst nicht weiß, wie es so geändert werden kann, dass wir uns die Vorteile bewahren und die Nachteile beseitigen können. Es war genau jener Ausdruck der Ohnmacht, der mich zum Schreiben von NOAH bewog.
Sie beschreiben in NOAH nicht nur den Alltag der jungen Alicia im größten Slum von Manila, sondern auch die Lebensumstände der angeblich „nur“ 11.000 Obdachlosen Berlins. Dabei wird überdeutlich, dass „Karrieren“ wie die des Drogendealers und des Drogensüchtigen keineswegs die Ursache, sondern die Folge einer Existenz am Rande der Gesellschaft sind. Was könnte Ihres Erachtens konkret und schnell getan werden, um dem effektiv entgegenzuwirken?
Ich fürchte, es gibt hier keine schnellen Lösungen. Das ist doch unser Kernproblem: Weil es für die größten Probleme der Menschheit, die uns gegenwärtig bedrohen (Hunger, Klimawandel, Terrorismus, Energiekrise, etc.) keine schnellen und einfachen Lösungen gibt, stecken wir alle (mich eingeschlossen) den Kopf in den Sand und tun so, als ob sich irgendwann alles von alleine regeln würde. Auch das Thema „Obdachlosigkeit“ wird meist nur an den Symptomen bekämpft, wenn im Winter über die Anzahl der U-Bahnhöfe diskutiert wird, die man als Notquartiere öffnen sollte.
Alles fängt in der Familie an, das ist in meinen Augen das wichtigste Ressort in der Politik. Jeder Mensch hat in seinem Leben früher oder später mit massiven Problemen zu kämpfen, aber diejenigen unter uns, die ein gesundes Familiengerüst um sich herum wissen, haben die größte Chance, diese Probleme zu überwinden. Ich teile die Ansicht, dass jeder Euro, den wir heute sinnvoll in die Unterstützung von Kindern und Jugendlichen investieren, später zehntausend Euro spart, die wir für Gefängnisse, Entzugsanstalten, Arbeitslosenunterstützung oder Obdachlosenunterkünfte benötigen.

Denen, die jetzt unter die Räder gekommen sind, helfen diese langfristigen Maßnahmen natürlich nicht mehr, und wir dürfen sie deswegen keinesfalls als verloren betrachten. Und dafür besteht auch gar keine Notwendigkeit. Wir leben in einem der reichsten Länder der Welt. Deutschland hatte letztes Jahr Steuereinnahmen von über sechshundert Milliarden Euro. Und da soll das Geld für Suppenküchen und Notunterkünfte fehlen? Allein mit den Mehrkosten, die der neue Berliner Flughafen verursacht, könnte man jedem Berliner Obdachlosen eine Eigentumswohnung schenken.
Für viele Autoren ist Schreiben wie Therapie. So sagen Sie, dass Sie sich mit Ihrer Arbeit die Ängste von der Seele schreiben. Welche spezifischen Ängste haben Sie sich mit NOAH von der Seele geschrieben?
In NOAH habe ich weniger einen Alp- als einen Wachtraum verarbeitet, den wir alle – so glaube ich – schon einmal hatten: Zu wissen, dass man auf eine Katastrophe zusteuert, und dennoch dagegen nichts unternimmt, weil man keine Ahnung hat, wie man sie aufhalten soll.
Stellen Sie sich bitte vor, NOAH würde in Hollywood verfilmt, man ließe Sie das Drehbuch schreiben, und Sie bekämen den Oscar dafür. Würden Sie sich bei Ihrer Dankesrede ähnlich zwerchfellerschütternd äußern, wie es der wortgewaltige Jonathan Zaphire in NOAH tut?
Wenn NOAH in Hollywood verfilmt wurde, ich das Drehbuch geschrieben und dafür einen Oscar erhalten habe, werde ich keine Rede halten, sondern die Ärzte bitten, meine Pillen abzusetzen, damit ich diese verdammten Halluzinationen wieder loswerde.

Interview

"Ich versuche mit jedem Buch aufs Neue etwas zu schaffen, das ich privat selbst gerne lesen würde." | 26.10.2015

Nach Ihren sensationellen Thrillern „Noah“ und „Passagier 23“ dürfen sich Ihre Fans jetzt auf Ihren neuen Roman freuen. Wie groß ist der Erfolgsdruck, der auf Ihnen lastet?Natürlich fragt man sich als Autor beim Schreiben, ob das, was man da jetzt gerade zu Papier bringt, den Lesern so gut gefallen ...


Nach Ihren sensationellen Thrillern „Noah“ und „Passagier 23“ dürfen sich Ihre Fans jetzt auf Ihren neuen Roman freuen. Wie groß ist der Erfolgsdruck, der auf Ihnen lastet?
Natürlich fragt man sich als Autor beim Schreiben, ob das, was man da jetzt gerade zu Papier bringt, den Lesern so gut gefallen wird, wie die vorherigen Bücher. Aber das ist eigentlich ein sehr gefährlicher Gedanken, denn wenn es eines gibt, was Leserinnen und Leser nicht wollen, dann ist das eine Auftragsarbeit oder noch schlimmer, ein Neuaufguss nach einem angeblich bewährten Rezept, das es so gar nicht gibt. Leserinnen und Leser wollen überrascht werden. Und deshalb ermahne ich mich beim Schreiben, nicht an den Leser zu denken, sondern mich an das Gefühl zu erinnern, das ich beim allerersten Buch hatte. Da wusste ich noch gar nicht, wer mich später mal lesen wird, und konnte daher gar nicht auf eine Erwartungshaltung hin schreiben. Und ich versuche mit jedem Buch aufs Neue etwas zu schaffen, das ich privat selbst gerne lesen würde, in der Hoffnung, dass ich dann am Ende nicht der Einzige bin.
Sie sind ein waschechter Berliner und leben auch heute mit Ihrer Familie dort. In Ihrem neuen Roman entführen Sie den Leser an ein paar Schauplätze ganz besonderer Art, unter anderem in die Welt der Kreuzberger Cuvry-Brache. Haben Sie dort vor Ort Recherchen betrieben und wenn ja, wie war das?

Ich entführe den Leser an einen Ort, der an den Kreuzberger Slum angelehnt ist, den ich tatsächlich einmal besucht habe, und der sich in erschreckender Weise kaum von den Bretter-Siedlungen in Rio oder Buenos Aires oder aber auch von den Vorstädten von Paris unterscheidet. Hier konnte ich auch viel auf meine Recherchen zu „Noah“ zurückgreifen.

Ihr Protagonist, der 38jährige Thriller-Autor Max Rhode, sagt an einer Stelle von „Das Joshua-Profil“: »Neugier tötet die Katze. Autoren vermutlich auch. Zumindest Autoren wie mich.« Was war das gefährlichste, was Sebastian Fitzek je aus arbeitsbedingter Neugier getan hat?
Da gibt es gar nicht so aufregende Geschichten zu erzählen, die meiste Recherche passiert auch unbewusst. Das bedeutet, ich gerate in eine Situation, von der ich erst sehr viel später weiß, dass ich sie irgendwann mal beim Schreiben gebrauchen kann. Mein größter privater Thriller war, als ich nach der Frühgeburt unseres Sohnes Felix zweieinhalb Monate auf der neonatologischen Intensiv-Station den Kampf um das Leben von Frühgeborenen hautnah miterleben musste, und das wird garantiert irgendwann einmal in einem meiner Bücher verarbeitet werden.
Das Interesse der Menschen an Mord und Totschlag und perfiden und sadistischen Tätern war noch nie so groß wie heute. Als Thriller-Autor muss Sie das freuen, aber woran liegt das Ihrer Meinung nach?
Ich denke, das ist ein großer und weitverbreiteter Irrtum. Menschen, die gerne Krimis lesen, haben ja weniger Interesse an dem Tod, als vielmehr am Leben. Die meisten fiebern ja nicht dem Tod des Helden entgegen und freuen sich, wenn er dann endlich den Löffel abgegeben hat, sondern sie fiebern seinem Überleben entgegen. Und diesen archaischen Urinstinkt, diesen Selbsterhaltungstrieb, den hat es schon immer gegeben. Und so gesehen, ist das Interesse am Leben - und damit auch das Interesse an der Auseinandersetzung mit dem Tod - nicht neu.
Sie gehen zu „Das Joshua-Profil“ auf eine große mehrwöchige Lesereise, eine Mammuttour mit großangelegten Abendveranstaltungen. Wie schaffen Sie das, bei einem derartigen Programm voll berufstätig zu sein und jedes Jahr einen neuen Bestseller zu schreiben?
Ich könnte mich jetzt rausreden und sagen, ich bin ja nur einen Monat unterwegs, und ich kann tagsüber ja auch etwas arbeiten, bevor es abends zur Veranstaltung geht. Aber die wahre Antwort lautet: Ich kann auf Tour nichts Neues schreiben, dazu brauche ich unbedingte Ruhe. Dafür ziehe ich mich auch mal vier Monate für den ersten Entwurf zurück. Alle meine Sozialkontakte müssen leiden. Aber andererseits haben wir Autoren ja die meiste Zeit des Jahres ein Traumjob, bei dem wir uns die Zeit, anders als andere, selbst einteilen können. Wir werden sogar bedauert, wenn wir eine Schreibblockade haben. Das gibt es in keinem anderen Beruf oder? Fragen Sie mal, ob der Baumarktverkäufer von seinem Chef bemitleidet wird, wenn er sagt, ich kann heute nicht arbeiten, ich habe eine Heimwerkerblockade.
Würden Sie sich selbst als Workaholic bezeichnen oder können Sie auch gut zwischendurch mal völlig entspannen, und wo und wie gelingt Ihnen das am besten?
Ja, tatsächlich beim Schreiben. Da verreise ich in eine komplett andere Welt. So gesehen bin ich vermutlich ein „Writeaholic“. Tatsächlich gibt es kaum einen Tag, an dem ich nicht vor dem Computer sitze. Mein Orthopäde kann Ihnen das bestätigen.
Sie packen in ihrem neuen Roman einige heiße Eisen an. Da ist zum Beispiel das Schicksal von Max’ zehnjähriger Pflegetochter Jola, deren leibliche Junkie-Eltern sie kurz nach der Geburt für ein paar Gramm Crack an einen Pädophilen verkaufen wollten und jetzt einen Antrag auf Rückgabe des Kindes stellen, dem seitens des Jugendamtes stattgegeben wird. Die besonderen Umstände im Buch mal ganz außer Acht gelassen: So etwas passiert ja leider häufiger, wie auch passiert, dass Kinder misshandelnden Eltern weggenommen und bei Pflegefamilien untergebracht werden, die sie dann noch mehr oder einfach nur anders misshandeln. Was sagt das über das gesamte System aus, und was muss sich da schleunigst ändern?
Jedes System, das von Menschen erdacht wurde, ist fehleranfällig, und selbst die besten Ideen werden irgendwann von schlechten Menschen missbraucht. Mein Roman „Das Joshua-Profil“ ist aber keine Pauschalkritik. Es gibt ganz sicher zahlreiche Menschen in den Jugendämtern, die sich aufopferungsvoll für die Schwächsten in unserer Gesellschaft einsetzen und deren Taten in der Presse nie gelobt werden. Allerdings weiß ich aus meiner Freundschaft mit Michael Tsokos, dem Leiter der Rechtsmedizin der Berliner Charité, wie groß die Probleme aktuell sind, und wie viele arme Seelen einen schrecklichen Leidensweg bestreiten müssen oder ihn noch vor sich haben. Hier schließe ich mich seiner Forderung an, Menschen, die intensiv mit Kindern arbeiten, eine rechtsmedizinische Grundausbildung absolvieren zu lassen. Es kann ja nicht sein, dass selbst Kinderärzte nicht aktiv und permanent darin geschult werden, einen Unfall von einer tätlichen Misshandlung zu unterscheiden, jetzt von Kindergärtnern und Mitarbeitern des Sozialamtes mal ganz zu schweigen.
Eine andere, äußerst schrille Figur in „Das Joshua-Profil“ ist Toffi, ein Star-Anwalt, der dem Protagonisten Max Rhode normalerweise bei seinen Buchrecherchen hilft, jetzt aber wegen der dramatischen Umstände als Rechtsanwalt benötigt wird. Hat Sebastian Fitzek so etwas auch oder beraten Sie sich als promovierter Jurist grundsätzlich selbst?
Ich habe ja nur mein erstes Staatsexamen, das muss ich immer wieder klarstellen. Um als Anwalt tätig sein zu dürfen, hätte ich noch das Referendariat machen müssen. Das habe ich aber nicht gemacht, weil ich schon sehr früh wusste, dass ich meinen Figuren lieber auf dem Papier als im Gerichtssaal begegnen will.
Ihr Protagonist Max Rhode sagt an einer Stelle des Buches, er habe seine Arbeit bisher als „eine Art Therapie empfunden, das Schreiben als Verarbeitungsprozess irrationaler Ängste, meine Bücher als hilfreiche Blitzableiter“. Empfindet Sebastian Fitzek es ebenso und vor allem: War das jetzt auch bei der Arbeit an „Das Joshua-Profil“ so oder hat das eher ganz neue Ängste geschürt?
Das war genau so, aber es hat keine neuen Ängste geschürt, denn Angst machen mir nie meine Bücher, sondern immer nur das Leben. Keine Fiktion, die ein Autor sich ausdenkt, kann die Grausamkeit der Realität toppen. Da braucht man einfach nur die Zeitung aufzuschlagen. Und dann liest man die unvorstellbare Nachricht von 71 Flüchtlingen, die wirklich in einem kleinen Transporter verrecken. Hätte ich mir das ausgedacht und in einem Buch verarbeitet, hätte mir meine Lektorin an den Rand geschrieben: „71 Menschen? Die passen doch da gar nicht rein!“ Das ist tatsächlich so unvorstellbar grausam, dass wir Thriller-Autoren häufig gezwungen sind, die Realität abzumildern, damit sie uns in der Fiktion geglaubt wird.
Dieser Max Rhode wird jedem Leser ans Herz wachsen, nicht nur, weil man miterlebt, wie der Mann an seinem Verstand zu zweifeln beginnt, auch weil er daran zu scheitern droht, seine Tochter vor dem Bösen zu beschützen. Sie sind selbst dreifacher Vater. Wird das immer schwieriger für Eltern und werden die Gefahren immer komplexer oder kommt uns das nur so vor?
Ich glaube schon, dass die Welt immer komplexer und schwieriger geworden ist. Das sollte uns aber nicht davon abhalten, Kinder in diese Welt zu setzen. Alle meine Geschichten sind ja Familien-Geschichten. Auf Lesungen ernte ich nach diesem Satz oft einen Lacher. Die Botschaft stimmt aber. Das Böse nimmt seinen Ursprung meistens in der Familie. Aber eben auch das Gute. Und genau das will ich aufzeigen. Wir können etwas Gutes bewirken, wenn wir uns um unsere Familie kümmern. Familie meint in dem Sinne aber nicht immer nur die leibliche Familie, sondern eben alle, die uns nahe stehen, da würde ich den Bogen ein bisschen weiter spannen. Und wenn alle sich um ihre Familie kümmern würden, dann wäre die Welt auf jeden Fall ein wesentlich besserer Platz.
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Sebastian Fitzek im Interview zu "Das Joshua-Profil"

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