Susanne Thiele - Autor
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Autorin

Susanne Thiele

Susanne Thiele - geb .1970, Leiterin der Presse- und Kommunikationsstelle des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung in Braunschweig. Die studierte Mikrobiologin und Biochemikerin hat für verschiedene Tageszeitungen und Journale geschrieben. Sie moderiert Expertendiskussionen und ist in der Medienszene hoch vernetzt. Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihre Türklinke – Wie Mikroben unseren Alltag bestimmen (2019 bei HEYNE) war ihr erstes Sachbuch zum Trendthema Mikrobiom und gute und schädliche Keime in unserem Alltag.

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Interview

„Viren und Bakterien werden entweder zu Heilmitteln oder zu Kampfstoffen“ | 27.06.2023

Liebe Frau Lange, liebe Frau Thiele, nach „Probe 12“ erscheint nun mit „Toxin“ ihr zweiter gemeinsamer Thriller. Könnten Sie uns kurz beschreiben, worum es darin geht? Susanne Thiele: Es geht um tote Obdachlose in Berlin, die an einem gefährlichen Milzband-Erreger, auch Anthrax genannt, sterben. Par...

Liebe Frau Lange, liebe Frau Thiele, nach „Probe 12“ erscheint nun mit „Toxin“ ihr zweiter gemeinsamer Thriller. Könnten Sie uns kurz beschreiben, worum es darin geht?
Susanne Thiele: Es geht um tote Obdachlose in Berlin, die an einem gefährlichen Milzband-Erreger, auch Anthrax genannt, sterben. Parallel verschwindet in einem Permafrosttunnel in Alaska, einem wichtigen Klimaforschungsprojekt, Nina Falkenbergs neuer Freund Gereon Kirchner. Er ist Arzt und Forscher und arbeitet an einem hochinnovativen neuen Krebsmittel – das Anthrax als Basis hat und sich eine besondere Eigenheit des Milzbranderregers Bacillus anthracis zu Nutze macht: Dieser dringt gezielt in menschliche Zellen ein und verteilt dort giftige Proteine.
Kathrin: Nina, die versucht, den Berliner Ermittlern des Robert Koch-Instituts bei der Aufklärung der Todesfälle zu helfen, bittet Tom Morell um Unterstützung. Er befindet sich zufällig gerade in Kanada, und er reist sofort nach Alaska. Dort wird er nicht nur mit den Auswirkungen des Klimawandels konfrontiert, die heute schon sichtbar sind, sondern er stellt fest, dass es im Permafrosttunnel eine Explosion gegeben hat und man Gereon für den Verursacher hält. Und dann wird im Tunnel auch noch eine Frauenleiche gefunden.
Wie sind Sie auf die Idee zu diesem Roman gekommen?
Susanne Thiele: Wir haben uns ja mit „Probe 12“, unserem ersten gemeinsamen Science-Thriller, ebenfalls mit gefährlichen multiresistenten Bakterien beschäftigt und haben dort beim Schreiben relativ schnell gemerkt, dass der Roman im Grunde auch von der aktuellen Pandemie erzählt. Da lag es nahe, mit „Toxin“ einen anderen Aspekt der derzeit ablaufenden sogenannten „Triple-Krise“ in den Fokus zu nehmen, nämlich den Klimawandel und das Auftauchen neuer Erreger als reale Gefahr.

Kathrin Lange: Wir hatten für „Probe 12“ bereits ein paar Informationen darüber gesammelt, was der Welt droht, wenn der Permafrostboden auf der Nordhalbkugel unseres Planeten auftaut. Als Susanne dann bei der Recherche auf diese besondere Krebstherapie stieß, deren Basis der Milzbrand-Erreger ist, war die Idee zu „Toxin“ schnell gefunden.

Sie beide widmen das Buch Ihren „Kindern und allen zukünftigen Generationen“. Was möchten Sie mit Ihrem Thriller erreichen?
Kathrin Lange: Wir sind nicht so naiv, zu denken, dass wir mit unserem Schreiben wesentliche Veränderungen der Gesellschaft oder gar in der Politik anstoßen können. Hat das überhaupt jemals geklappt? Selbst bei Onkel Tom’s Hütte, das ja oft als leuchtendes Beispiel für einen solchen weltverändernden Roman herhalten muss, scheint die Wirkung ja eher in der Rückschau sichtbar geworden zu sein.
Susanne Thiele: Aber was wir bei „Probe 12“ gemerkt haben, ist, dass wir unsere Leserinnen und Leser sehr wohl damit konfrontieren können, dass sie – verpackt in eine richtig spannende Thrillerhandlung – von unseren Themen selbst betroffen sind. In unseren Geschichten steckt immer ein wahrer wissenschaftlicher Kern, den man aus den Medien vielleicht aufgeschnappt hat und über den man beiläufig viel Wissenswertes erfährt. Edutainment nennen wir das. Vor allem aber geht es uns darum, keine Endzeit-Geschichte zu erzählen und Panik zu verbreiten. Gerade in „Toxin“ haben wir Figuren, die deutlich machen, dass jede und jeder von etwas gegen den Klimawandel tun kann.
Kathrin Lange: Und muss. Aus diesem Grund ist auch „Toxin“ kein von diesen „Es-geht-mal-wieder-um-die-gesamte-Welt“-Thrillern geworden, sondern erzählt die Geschichte von einzelnen Figuren. Mit denen man sich dann (hoffentlich) besonders gut identifizieren kann.
Als Mikrobiologin, Biochemikerin und Wissenschaftsjournalistin bringen Sie besondere fachliche Expertise mit, Frau Thiele. Daher die Frage an Sie: Hat Ihre Geschichte eine wissenschaftliche Grundlage?
Susanne Thiele: Ja auf jeden Fall. Wir sind ja seit „Probe 12“ schon bekannt dafür, dass wir in unseren Thrillern echte Fakten aus der aktuellen Forschung literarisch verarbeiten. Gerade bei Milzbrand wurde es z.B. durch die „Anthrax-Anschläge“ 2001 in den USA deutlich, dass der Erreger in den falschen Händen schnell zur Biowaffe werden kann. Auf der anderen Seite haben Forschende in den USA herausgefunden, dass man das Milzbrand-Toxin genetisch verändern und wie ein Taxi mit Antikörpern gegen Tumore beladen und damit Krebszellen besser bekämpfen kann (2014, Studie des Massachusetts Institute of Technology). Das ist die oft diskutierte janusköpfige Forschung an Erregern, die in „Toxin“ zum Konflikt führt: Mit denselben Techniken werden Viren und Bakterien entweder zu Heilmitteln oder zu Kampfstoffen.
Wie realistisch ist das Szenario, das Sie in „Toxin“ beschreiben, auf einer Skala von 1 bis 10?
Kathrin Lange: 8, würde ich sagen. Na ja. 8,5.
Susanne Thiele: Ich bin ja immer etwas kritischer, also eher 7 bis 8, etwas künstlerische Freiheit ist immer dabei.
Ihre Protagonist:innen aus „Probe 12“, Ihrem ersten Thriller, sind auch in „Toxin“ wieder mit dabei. Wie haben sich die Wissenschaftsjournalistin Nina Falkenberg und Foodhunter Tim Morrell weiterentwickelt?
Kathrin Lange: Tom ist ein moderner Vater, der trotz Eheproblemen für seine Tochter Sylvie da sein möchte. Darum ist er am Ende von „Probe 12“ zu seiner Frau Isabelle zurückgekehrt. Aber ihre Beziehung ist auch am Anfang von „Toxin“ nicht die Beste, was der Grund ist, warum er nach Nordamerika aufbricht. Er will sich klar darüber werden, wie es mit seinem Leben – und auch mit ihm und Nina – nun weitergehen soll. Ninas Hilferuf kommt ihm da natürlich mehr als gelegen.
Susanne Thiele: Die rationale Nina, die am Anfang vorsichtiger agierte, hat durch die abenteuerliche Zeit mit Tom ihre rebellischere Seite als Journalistin entdeckt, wird immer durchsetzungsstärker, und positioniert sich, wenn sie für eine Sache kämpft. Sie hat sich zwischen den beiden Romanen auch aus Enttäuschung über Toms Entscheidung für Isabelle Gereon zugewandt. Ganz sicher ist sie allerdings nicht, ob das nicht ein Fehler war.
Ein Teil des Romans spielt in Alaska. Waren Sie selbst schon einmal dort?
Kathrin Lange: Nein. Bisher nicht. Wir haben uns allerdings mit einer Autorenkollegin ausgetauscht, die den Norden Amerikas schon mehrmals bereist hat.
Susanne Thiele: Nein, ich habe es bisher auch nur bis zum 43. Breitengrad geschafft – bis nach Boston. Aber dank Google Maps und Youtube unterstützt das Internet die Lokal-Recherche heute ja bis auf die Häuserebene wunderbar.
Kathrin Lange: Ursprünglich war übrigens die Idee, Toms Teile des Romans in Sibirien spielen zu lassen. Dort gab es vor ein paar Jahren einen realen Milzbrandausbruch ganz ähnlich jenem, den wir in „Toxin“ erzählen. Nach Russlands Einmarsch in die Ukraine haben wir uns dann allerdings dagegen entschieden, unser Buch in diesem Land spielen zu lassen.
Wie lief die Recherche?
Susanne Thiele: Wie immer bei unseren Büchern bin ich für den Großteil der Recherchen der wissenschaftlichen Hintergründe zuständig. Das bedeutet für mich vor Beginn des Schreibens: sehr viel Studien und Bücher lesen und Stoffsammlungen für uns notieren. Ab und zu bei speziellen Themen frage ich auch bei Fachleuten nach, die für unsere Themen zusätzliches Detailwissen liefern können. Bei „Toxin“ waren das zum Beispiel Expert:innen vom Helmholtz-Zentrum Deutsches GeoForschungsZentrum und von der Landeshydrologie Berlin, die uns dabei halfen, ein Starkregenereignis, wie es zu Anfang des Romans stattfindet, für Berlin realistisch zu schildern.
Wie funktioniert bei Ihnen beiden der gemeinsame Schreibprozess?
Susanne Thiele: Wir befinden uns in einem ständigen, fast täglichen Austausch miteinander, besprechen unsere Rechercheergebnisse, diskutieren, inwiefern man sie in eine spannende Thrillerhandlung übersetzen kann. Da sind wir durchaus nicht immer einer Meinung, raufen uns aber letztendlich immer zusammen. Dass wir im Laufe unseres Schreibens zu guten Freundinnen geworden sind, hilft dabei natürlich.
Kathrin Lange: Wenn der Zeitpunkt gekommen ist, fange ich an, die ersten Szenen zu skizzieren. Ich denke oft schon bei unseren Diskussionen szenisch, frage mich ständig, wie man Susannes Recherchen in einzelne Handlungsstränge verpacken kann. Da wir unsere beiden Protagonist:innen Tom und Nina untereinander aufgeteilt haben – Susanne ist für Nina zuständig, ich für Tom –, schreiben wir den Roman dann sozusagen gemeinsam. In der Überarbeitung sorge ich dafür, dass unsere beiden Stile angeglichen werden, sodass ein einheitliches Bild entsteht.
Planen Sie weitere Thriller zusammen zu schreiben?
Kathrin Lange: Wir haben ja eben schon von der sogenannten Triple-Krise gesprochen. Deren drittes Element ist das Artensterben. Aktuell sitzen wir also an den Recherchen für einen dritten gemeinsamen Thriller. Eine Storyidee haben wir bereits, gerade entstehen in meinem Kopf die ersten Szenenideen. Also ja: Es wird einen weiteren Thriller von uns beiden geben.
Susanne Thiele: Die Welt erlebt derzeit das größte Artensterben seit dem Verschwinden der Dinosaurier. Jeden Tag gehen 150 Arten verloren. Als Biologin und leidenschaftliche Gärtnerin ist das natürlich ein Thema, was mich auch persönlich sehr bewegt. Aktuell habe ich noch die Zeit, mich ohne viel Druck in die Thematik Artenvielfalt im Regenwald und indigenes Heilpflanzen-Wissen einzulesen. Immer auf der Suche nach den passenden Mosaiksteinchen für unseren nächsten Thriller-Plot. Das ist eine der schönsten Phasen im Buchentstehungsprozess.

Interview

»Wissenschaft und die realen Menschen, die forschen, schreiben die unglaublichsten Geschichten« | 13.09.2021

Sie sind ein auf den ersten Blick ungewöhnliches Autorinnenduo: Kathrin Lange, Sie schreiben erfolgreich Romane für Jugendliche und Erwachsene und Sie, Susanne Thiele, sind studierte Mikrobiologin und Biochemikerin. Können Sie sich den Leser:innen kurz vorstellen?Kathrin: Mein Name ist Kathrin Lange...

Sie sind ein auf den ersten Blick ungewöhnliches Autorinnenduo: Kathrin Lange, Sie schreiben erfolgreich Romane für Jugendliche und Erwachsene und Sie, Susanne Thiele, sind studierte Mikrobiologin und Biochemikerin. Können Sie sich den Leser:innen kurz vorstellen?
Kathrin: Mein Name ist Kathrin Lange, und ich schreibe schon, so lange ich denken kann. 2005 erschien mein Debüt, und seitdem habe ich mehr als 25 Romane in verschiedenen Genres veröffentlicht. 2014 habe ich mich auf Thriller verlegt, die einen aktuellen oder politischen Bezug haben – politische und wissenschaftliche Themen und ihre Auswirkungen auf unsere Gesellschaft, das interessiert mich. Ganz im Gegensatz dazu verhalten sich meine Jugendromane, die zwar auch immer viel Wert auf Spannung legen, bei denen aber viel mehr heile Welt und Romantik eine Rolle spielen.
Susanne: Die Zweite im Duo bin ich – Susanne Thiele – Biologin und Wissenschaftsjournalistin. Ich habe im Jahre 2013 angefangen, nebenberuflich Bücher zu schreiben. In meinem Hauptberuf bin ich seit vielen Jahren in der Wissenschaftskommunikation als Pressesprecherin tätig für verschiedene Forschungsinstitutionen, aktuell am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung. Ich habe bisher zwei Sachbücher geschrieben, die biologische Themen rund um Evolution & Partnerwahl, Mikroben, Mikrobiom und Gesundheit humorvoll erklären. Über Erzählungen und Kurzgeschichten kam ich später zum belletristischen Schreiben und die Idee von einem eigenen spannenden Science-Thriller entstand.
Wie haben Sie sich beide kennengelernt?
Kathrin: Wir haben uns das erste Mal auf der Tagung einer regionalen Kulturinitiative getroffen. Es ging dort um das Thema „Vernetzung“, und das haben wir beide dann auch gleich wörtlich genommen.
Susanne: Wir haben zufällig beim Kaffee zusammengestanden, waren uns sehr sympathisch und haben noch auf dieser Veranstaltung die ersten Ideen für PROBE 12 entwickelt.
Wie kam es dazu, dass Sie zusammen einen thematischen Thriller geschrieben haben? Was hat Sie beide daran besonders gereizt?
Susanne: Ich wusste bereits, dass Kathrin Thrillerautorin ist, und hatte die Grundidee für den Roman bereits im Kopf. So kamen wir auf der Autorentagung miteinander ins Gespräch und dachten uns schnell, dass wir uns perfekt ergänzen können.
Kathrin: Ich hatte zu der Zeit eine Anfrage eines Verlages nach einem Science-Thriller und war kurz davor, sie abzulehnen, weil ich mir die Recherche – vor allem zeitlich – nicht zutraute. Als Susanne mir dann von ihrer Idee erzählte und ich ihr von dieser Verlagsanfrage, war relativ schnell klar, dass wir etwas Gemeinsames machen wollten.
Wieviel wissenschaftliche Fachexpertise steckt von Ihnen, Frau Thiele, in PROBE 12?
Susanne: Als Mikrobiologin und Journalistin an einem Infektionsforschungszentrum habe ich einen ganz natürlichen Zugang zu spannenden Trendthemen aus der Forschung. Wissenschaft und die realen Menschen, die forschen, schreiben die unglaublichsten Geschichten.
Wie würden Sie Ihr Buch in drei Wörtern beschreiben?
Kathrin: Mir fallen nur zwei ein: Spannend. Und realistisch.
Susanne: Fakten und Fiktion und Edutainment, also die Vermittlung von Wissen auf beiläufige und unterhaltsame Weise.
Worum geht es in PROBE 12?
Kathrin: In Georgien wird ein führender Wissenschaftler ermordet, dessen Lebenswerk eine innovative Medizin gegen antibiotikaresistente Keime war. Nina Falkenberg, die Ziehtochter des ermordeten Forschers, selbst engagierte Wissenschaftsjournalistin, versucht herausfinden, was geschehen ist. Vor allem aber will sie das Vermächtnis ihres Vaters retten: 12 hochwirksame Medikamentencocktails. Ihre Suche danach führt sie nach Berlin, wo sie auf den Foodhunter und Blogger Tom Morell stößt. Dessen Tochter Sylvie leidet an einem nur noch schwer behandelbaren antibiotikaresistenten Keim und droht daran zu sterben. Als klar wird, dass eine der 12 Proben Sylvie retten kann, tun Nina und Tom sich zusammen. Das ist ein nicht ganz ungefährliches Unterfangen, denn es gibt noch andere, die hinter den Proben her sind, und sie scheuen vor Gewalt nicht zurück.
Susanne: Es steckt viel Realität in PROBE 12. Wenn wir von Medikamentencocktails reden, meinen wir eine innovative Methode, um antibiotikaresistenten Bakterien mit ihren natürlichen Feinden den – Bakteriophagen (= kurz Phagen) zu bekämpfen. Ich will hier nicht zu viel verraten, aber das ist eine fast vergessene Therapie, die schon vor hundert Jahren entdeckt wurde und in einigen Ländern der ehemaligen Sowjetunion weiter praktiziert wurde, z. B. in Georgien – einem unserer Romanorte. Mit der zunehmenden Ausbreitung von Antibiotika-Resistenzen und multi­resistenten Bakterien rückt das alte Therapiekonzept heute wieder in das Interesse der Forscher.
Inwieweit hat die Corona-Pandemie Ihren Schreibprozess und die Entstehung des Thrillers noch beeinflusst?
Kathrin: Zunächst natürlich hat es uns organisatorisch vor Herausforderungen gestellt. Wir wohnen nur wenige Kilometer voneinander entfernt, und eigentlich war der Plan, sich so oft wie möglich zu treffen und an dem Buch zu arbeiten. Das ging wegen Corona dann nicht mehr, ließ sich aber durch Zoom und Co. recht gut auffangen. Den größeren Einfluss hatte die Pandemie aber auf ein wichtiges Detail unseres Themas. Ursprünglich war die Idee nämlich, Sylvie Morell an einem multiresistenten Tuberkulosekeim leiden zu lassen.
Susanne: Als sich im März 2020 abzeichnete, dass die Tuberkuloseforschung im Zuge der Impfstoffentwicklung gegen Corona eine große Rolle spielen und dass es womöglich sehr schnell ein neues Medikament gegen resistente Tuberkulose geben könnte, hat dies unserer Romanprämisse die Grundlage genommen. Ich musste in der Recherche noch einmal völlig neu ansetzen, einen anderen passenden resistenten Erreger und eine andere Krankheit finden. Das führte dazu, dass wir auch etliche andere Teile des Romans noch einmal umstricken mussten. Das ist leider immer die Gefahr, da wir nah an der Realität schreiben.
Was waren die stärksten Motive und Inspirationen für PROBE 12?
Susanne: Ich habe durch meine beruflichen Stationen viel mit den Gefahren antibiotikaresistenter Bakterien zu tun. Das ist ein spannendes Thema, was jeden im Alltag angeht. Daher finde ich es legitim, diese Trendthemen auch in die gehobene Unterhaltungsliteratur einzuarbeiten, wie wir es mit unserem Science-Thriller gemacht haben. Zudem wollte ich schon immer etwas zur faszinierenden Phagentherapie schreiben und das ließ sich in unserem Projekt wunderbar kombinieren.
Kathrin: Dadurch, dass ich mich in meinen Thrillern immer wieder an aktuellen und relevanten gesellschaftlichen Themen abarbeite, war die Chance, mit Susanne dieses Buch zu schreiben, ein Glücksfall für mich.
Welche besondere Herausforderung stellt das Schreiben eines Science-Thrillers bzw. eines thematischen Thrillers für Sie dar?
Kathrin: Für mich war es eine Riesenherausforderung, das geballte Fachwissen, das Susanne mitbringt, zu verstehen und dann herauszufinden, wo darin der Kern für einen glaubwürdigen und spannenden Thrillerplot liegt. Bestand früher ein Großteil meiner Arbeit aus Recherchen, so hatte ich diesmal eher zu viel als zu wenig Informationen. Gleichzeitig war das aber auch ein Segen, denn ich kannte es bisher ja nicht, einfach bei jeder inhaltlichen Frage zum Telefonhörer greifen zu können und quasi sofort eine Antwort zu haben, mit der ich weiterarbeiten konnte.
Susanne: (lacht) Dafür haben mir manchmal die Plotwendungen, die Kathrin für unseren rasanten Thriller brauchte, etwas Kopfzerbrechen bereitet, damit sie noch in der wissenschaftlichen Realität lagen. Aber mit einer Nacht drüber schlafen und etwas Kreativität haben wir immer eine Lösung untereinander ausgehandelt.
Kathrin: „Ausgehandelt“ trifft es gut. (lacht)
Gibt es eine wissenschaftliche Grundlage für das Buch? Wenn ja, welche Aspekte im Zusammenhang mit multiresistenten Bakterien sind wissenschaftlich belegt?
Susanne: Leider gehört die Gefahr der Antibiotika-Resistenzen zu unserem Alltag. Die gefürchteten multiresistenten Keime breiten sich seit den 1940er-Jahren aus. Bis zu 95 Prozent der Staphylococcus-Stämme in Kliniken – bekannter unter der Bezeichnung MRSA oder auch Krankenhauskeim – sind schon resistent. Viele Umstände haben das begünstigt: von falschen oder vorzeitig abgesetzten Medikamenten bis zum landwirtschaftlichen Masseneinsatz von Antibiotika in der Viehzucht. Kritisch wird es, wenn Medikamente, die von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als „Reserveantibiotika“ für den Menschen eingestuft sind, weltweit in der Tiermast eingesetzt werden und auf diese Weise in die menschliche Nahrungskette gelangen. Die Antibiotikakrise ist zu einer globalen Bedrohung geworden. Es ist eine potenziell explosive Lage, eine Zeitbombe – allerdings eine, die in Zeitlupe explodieren wird. Wir haben für unser Buch das reale Szenario eines panresistenten Pseudomonas-Bakteriums gewählt. Wir Menschen sind mobil, wir reisen, und all das führt dazu, dass wir Keime mit gefährlichen Multiresistenzen, die wir in und an uns tragen, aus Ländern einschleppen, in denen der Verkauf von Antibiotika weniger oder gar nicht reguliert ist als bei uns. Wenn diese Bakterien dann ihre Resistenzgene mit anderen multiresistenten Erregern tauschen, werden sie zur Gefahr. Dass in der Folge panresistente Erreger entstehen können, gegen die alle gängigen Antibiotika nicht mehr wirken, ist bisher zwar noch selten, aber leider schon jetzt Wirklichkeit.
Auf einer Skala von 1 bis 10 wie realistisch ist Ihr Thriller?
Kathrin: 9
Susanne: Ja da gehe ich mit – 9. An einer Stelle im Thriller haben wir uns zugunsten der Dramaturgie entschieden, die Realität etwas zu biegen. Das wird im Nachwort erklärt.
Was gefällt Ihnen am Thriller-Genre besonders?
Kathrin: Ich mag es, dass man in diesem Genre wichtige Themen und Fragen unserer Zeit verhandeln und dabei spannend und unterhaltsam erzählen kann. Idealerweise lesen die Menschen unser Buch bis morgens um halb drei, weil sie es nicht mehr aus der Hand legen können, und haben, wenn sie es ausgelesen haben, ein paar neue Erkenntnisse gewonnen.
Susanne: Ich finde das Science-Thriller-Genre ideal, um Geschichten über wissenschaftliche Zukunftsthemen mit all ihren Potenzialen und Gefahren anhand spannender Protagonisten mit zum Teil dunklen Seiten zu erzählen. So kann ich Wissenschaft sehr gut unterhaltend vermitteln.
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