London 1910:
Ivory Parkland Rowe hat gerade, genau wie ihre Schwester Rosamond, die Schule abgeschlossen und als nächstes großes Ereignis steht für die Beiden der Debütantinnenball an. Während Rosamond und ihre Mutter über nichts anderes mehr reden können, als die offizielle Einführung der jungen Frauen in die Gesellschaft, interessiert sich Ivory eher wenig bis gar nicht für dieses Thema. Ihr Vater findet zudem, dass Ivy noch zu jung für den Heiratsmarkt ist und möchte gerne, dass sie ihn auf eine Safari nach Afrika begleitet. Er weiß, dass Ivy überhaupt keinen Gefallen an der Jagd findet, glaubt aber, dass es ihr trotzdem immer noch mehr behagt als vor dem König zu knicksen und mit irgendwelchen Jungspunden Walzer zu tanzen. Für Ivy ist das die einmalige Gelegenheit, Afrika und seine exotische Tierwelt sehen zu können und so willigt sie ein, ihren Vater zu begleiten.
Nach langen Wochen der Anreise ist es dann endlich soweit, sie lernen Adrian Edgecumbe, einen erfahrenen Großwildjäger und den Leiter der Expedition, kennen. Adrian ist entsetzt, als er erfährt, dass Ivy nicht jagen möchte.
_Afrika, Miss Parkland Rowe, ist identisch mit der Jagd.
Das Gesetz des Dschungels heißt: töten oder getötet werden. (Kapitel 4)_
Trotz des gegenseitigen Unverständnisses – Ivy hasst es, dass Adrian Tiere tötet, Adrian versteht Ivys Abneigung gegen das Jagen nicht – verbringen sie in den nächsten Wochen zwangsläufig viel Zeit miteinander und stellen fest, dass sie sich sehr zugetan sind. Nach der Hochzeit wollen sie auf der „Edgecumbe Farm“ leben und Adrian verspricht seiner zukünftigen Frau, dann nicht mehr auf Safari zu gehen.
Wird Adrian dieses Versprechen halten?
„Ein kleines Stück von Afrika – Aufbruch“ ist der Auftaktband der 2teiligen Reihe „Das endlose Land“. Die Autorin Christina Rey führt den Leser nach Afrika, Anfang des 20. Jahrhunderts, zu Zeiten der Kolonialisierung. Die Hauptprotagonisten sind Ivory und ihr Ehemann Adrian, deren Interessen so weit auseinander liegen wie Sonne und Mond. Aber auch in Afrika gilt der Spruch „Die Hoffnung stirbt zuletzt“.
Der geneigte Leser weiß natürlich sofort, dass Adrian sein Versprechen, nicht mehr zu jagen, nicht einhalten wird. Er arbeitet nun nicht mehr bei Newland, Tarlton & Co. sondern bietet von seiner Farm aus seine eigenen organisierten Großwildjagden an. Die Wünsche und Interessen von Ivy waren für ihn nur so lange wichtig, bis die Beiden verheiratet waren. Seine Frau ist ebenso nur eine Trophäe für ihn, wie all die erlegten Tiere. Ich glaube, ich muss nicht verdeutlichen, dass mir Adrian nicht sympathisch ist. Auch seine Art mit anderen Menschen umzugehen, hier insbesondere seinen Dienstboten, bei denen es sich fast ausnahmslos um People of Colour handelt, stößt bei mir auf Widerstand.
Die Autorin beschreibt Ivy als starke Frau, die genau weiß was sie möchte; man darf aber auch nicht vergessen, dass sie erst 17 ist und zum damaligen Zeitpunkt als Frau nicht wirklich etwas zu sagen hat. So kann sie zuerst einmal nichts anderes tun, als die Gäste ihres Mannes zu bewirten. Erst als der 1. Weltkrieg auch Afrika betrifft, und Adrian von der Front nicht mehr nach Hause zurückkehrt, kann Ivy – natürlich nach einer angemessenen Trauerzeit – die Edgecumbe Farm nach ihren eigenen Vorstellungen betreiben. Geschossen wird jetzt nur noch mit dem Fotoapparat. Ob sie sich mit ihrem Konzept durchsetzen kann, wird sich im 2. Band der Reihe zeigen, der am 30.06.2023 erscheint.
Die Autorin, Christina Rey, hat einen sehr schönen Schreibstil. Sie verleiht jedem ihrer Charaktere Ausdruck und Tiefe und es fällt einem leicht, die Personen sympathisch oder unsympathisch zu finden. Auch die Beschreibungen der Landschaft, der Jagdgesellschaften und die bildhaften Beschreibungen des Lebens auf der Edgecumbe Farm geben mir das Gefühl, als Beobachter mittendrin zu sein. Was natürlich auch thematisiert wird sind die Auswirkungen der Kolonialisierung. Eine Zeit, in der die afrikanischen Ureinwohner als Dienstboten gehalten und zum christlichen Glauben missioniert wurden, für Menschen mit weißer Hautfarbe waren dunkelhäutige Afrikaner nichts anderes als Wilde. Eine sehr schlimme Zeit. Die Autorin hat diese Thematik so wunderbar in ihre Geschichte eingeflochten, dass es weder überzogen noch unglaubwürdig war. Und ich bin sicher, dass es sich in Wirklichkeit ganz genau so zugetragen hat auf den Jagdgesellschaften der damaligen Zeit. 30 afrikanische Gepäck-Träger pro Jagdteilnehmer, Zelte mit Einrichtungen, die jedem 5*-Hotel Konkurrenz gemacht haben und abends duften diese Menschen dann auch noch für die Unterhaltung der Safariteilnehmer sorgen. Wie schon gesagt, eine sehr schlimme Zeit.
Zum Ende des Buches entwickelt sich eine Liebesgeschichte, die einerseits vorhersehbar, andererseits mir persönlich mit dem ewigen Hin und Her ein wenig zu viel war. Nichts desto trotz gehört sie in diese Geschichte.
Alles in allem habe ich mich von diesem Roman sehr gut unterhalten gefühlt und freue mich auf den 2. Teil, der schon in Kürze erscheint.
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