Daniela Aring - Autor
© Johann Kreßin

Autorin

Daniela Aring

Daniela Aring ist typische Berlinerin. In jungen Jahren zugezogen, auf der Suche nach Freiheit und der großen Liebe - und dann geblieben. Seit 20 Jahren wohnt sie nun im Herz von Berlin-Kreuzberg, genau dort, wo sich die Nationen der Welt vermischen, wo sich fast jeder als (Lebens)künstler versteht und verrückte Dinge zum Alltag gehören. In genau jenem bunten Treiben, in dem Menschen nach Antworten auf große Fragen suchen, sind auch die Ideen zu "Sterne über Berlin" entstanden.

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Interview

„Ich möchte meine Leser:innen in ihrer Komfortzone abholen, aber unter der schönen Oberfläche zeigen meine Geschichten immer eine tiefere Ebene“ | 13.07.2023

Liebe Frau Aring, in Ihrem neuen Roman erzählen Sie die Geschichte der Lampenkünstlerin Indica und dem Kriegsreporter René. Was war die Grundidee zu „Sterne über Berlin“?Meine erste Grundidee zum Buch betraf die Atmosphäre. Ich wollte eine Art „Fabelhafte Amelié in Berlin“, eine verträumte, empfinds...

Liebe Frau Aring, in Ihrem neuen Roman erzählen Sie die Geschichte der Lampenkünstlerin Indica und dem Kriegsreporter René. Was war die Grundidee zu „Sterne über Berlin“?
Meine erste Grundidee zum Buch betraf die Atmosphäre. Ich wollte eine Art „Fabelhafte Amelié in Berlin“, eine verträumte, empfindsame Hauptfigur, die sich als Künstlerin durchschlägt und von der typischen Atmosphäre „meines“ Stadtteils Kreuzberg umgeben ist. Obwohl die Nachbar:innen aus den unterschiedlichsten Kulturen stammen, wachsen sie durch Indi zu einer eingeschworenen Hausgemeinschaft zusammen. Auch einen Schauplatz für diese Geschichte habe ich schnell gefunden: Das Haus, in dem Indi wohnt, steht am Maybachufer. Das ist eine Straße am Landwehrkanal an der Grenze von Kreuzberg und Neukölln. Dort findet mehrmals in der Woche der „Markt am Maybachufer“ statt. Für mich gibt es kaum einen Ort, der die lebendige, multikulturelle Stimmung dieses Kiezes besser einfängt. Das dritte wichtige Puzzleteil für die Geschichte war schließlich René. Er war als Kriegsreporter in Syrien und hat dort die schlimmsten, menschlichen Abgründe gesehen. Jetzt kommt er zurück nach Berlin, kämpft um das Sorgerecht für seine Tochter und sucht ein Zuhause, in dem er Ruhe finden kann.
Was ist das Wichtigste für Sie, wenn Sie ein Buch schreiben?
Ich möchte wichtige Themen mit guter Unterhaltung verbinden. Anders gesagt: Ich möchte meine Leser:innen in ihrer Komfortzone abholen, sie mit stimmungsvollen Szenen und sympathischen Figuren „verführen“, sodass sie gerne weiterlesen. Unter der schönen Oberfläche zeigen meine Geschichten jedoch immer eine tiefere Ebene. Ich sehe das Schreiben als wichtiges Medium, um gesellschaftliche Entwicklungen und Konflikte durch die Augen von fiktiven Figuren erlebbar zu machen. Manchmal überschreite ich dabei die Grenze, an der es weh tut, zeige unangenehme Wahrheiten und Szenen, die man lieber nicht selbst erleben möchte. Zum Ausgleich gibt es dann aber genug Schönes, um die Dunkelheit zu überwinden – für meine Figuren und für die Leser:innen.
Sie schreiben als Daniela Aring und Daniela Ohms in unterschiedlichen Genres. Was hat sie jetzt zu Ihrem Liebesroman bewegt?
„Sterne über Berlin“ ist zwar mein erster gegenwartsrealistischer Roman, aber wer schon andere Bücher von mir gelesen hat, wird bemerken, dass die Liebe in meinen Geschichten immer wieder eine ähnliche Rolle spielt: Liebe ist das, was unsere Menschheit in ihrem Kern zusammenhält. Sie verbindet uns und treibt uns an, durch sie fühlen wir uns glücklich, werden selbstbewusst und lernen, Konflikte friedlich zu lösen. Damit meine ich nicht nur die partnerschaftliche Liebe. Auch die Liebe zwischen Eltern und Kindern spielt in meinen Büchern eine wichtige Rolle, weil sie den Grundstein für alles legt, was später kommt. Liebe ist das fundamentalste Bollwerk gegen Krisen und Kriege, und deshalb findet man Liebe und Krieg gerne als Kontrapunkte in meinen Büchern.
Berlin ist ein unglaublich vielseitiger Schauplatz. Sie wohnen selbst schon seit 20 Jahren in der deutschen Hauptstadt. Was fasziniert Sie so an dieser Stadt?
Am meisten fasziniert mich die lebendige Vielfalt und die Toleranz. In Berlin haben alle Menschen, egal welcher Herkunft, Hautfarbe und Religion, egal mit welchen Interessen und Meinungen die Möglichkeit, passende Freund:innen und eine „Nische“ zu finden, in der sie sich wohlfühlen. Meine „Nische“ befindet sich seit 20 Jahren in Kreuzberg. Hier konnte ich schon als junge Frau ungestört dem Traum nachgehen, Schriftstellerin zu werden, ohne dass mich „die Leute“ komisch angeschaut haben. Jetzt, 20 Jahre später, bewundere ich die Generation unserer Kinder, die in dieser Stadt großgeworden sind und die so wunderbar tolerant, weltoffen und klug sind, dass ich doch noch Hoffnung für unsere Welt sehe.
Haben Sie eine Lieblingsszene im Buch, die Ihnen beim Schreiben besonders viel Spaß gemacht hat oder Sie sehr berührt?
Wo fange ich da an? Ich glaube, ich habe jede einzelne Szene des Buches intensiv mitgefühlt, beim ersten Schreiben und später bei jeder Überarbeitung wieder. Besonders stolz bin ich auf die Szenen, in denen die zwischenmenschlichen Konflikte der Figuren hervorbrechen. Und ein persönlicher Glücksmoment sind immer die Szenen rund um „Judiths Hochzeit“.
Sie gehen für Renés Geschichte auch auf Sorgerechtsprozesse und Kriegstraumata ein. Warum haben Sie sich entschieden, ihm diese Themen zu geben und was haben Sie gemacht, um beim Schreiben adäquat damit umzugehen?
Recherche ist für mich ein fortwährender Prozess, der bei meinem grundlegenden Interesse für Menschen anfängt und nie aufhört. Manches aus Nachrichten und täglichem Geschehen wird mir dann so wichtig, dass ich es als Thema in einen neuen Roman einbringe. Gerade Krieg und Traumata beschäftigen mich schon lange. Leider sind diese Themen heute aktueller denn je, weshalb es mir wichtig war, sie aus der Gegenwartsperspektive aufzugreifen. Ein anderes Thema, das in meinen Büchern immer wiederkehrt, ist die Erziehung von Kindern und die gesellschaftlichen Auswirkungen. Unsere Welt braucht Kinder, die psychisch gesund aufwachsen. Insofern ist es kein Wunder, dass auch René immer wieder über solche Themen nachdenkt und dabei auch sich selbst und seine Rolle als Vater kritisch hinterfragt.
Sie haben sich dazu entschieden, mit Indica eine schwarze Hauptfigur in den Mittelpunkt ihrer Geschichte zu stellen. Warum war Ihnen das wichtig? Und wie gehen Sie auf Indicas kulturellen Hintergrund ein?
Indi hat eine weiße Mutter und einen schwarzen Vater. Sie kennt jedoch keinen ihrer Elternteile und weiß auch nicht, woher ihr Vater stammt. Stattdessen ist sie bei ihrem weißen Großvater in einem Berliner Mietshaus aufgewachsen, wo auch die Nachbarn große Verantwortung für das kleine „Findelkind“ übernommen haben. Dadurch hat Indi einen multikulturellen Hintergrund, der überwiegend deutsch-christlich-abendländisch geprägt ist, aber auch türkische, arabische und esoterische Einflüsse enthält. Indi leidet jedoch seit ihrer Kindheit unter der Diskrepanz, dass Menschen auf den ersten Blick nur ihre Hautfarbe sehen und deshalb nach ihrer Herkunft fragen. Ausgerechnet darauf hat sie aber keine Antwort.

An Indis Beispiel wollte ich vorführen, wie absurd es ist, menschliche oder kulturelle Unterschiede auf äußerliche Merkmale wie etwa die Hautfarbe zu reduzieren. Natürlich gibt es kulturelle Unterschiede, überall auf der Welt, und in unserer westlichen Welt gibt es Machtgefälle, die unter anderem auf Hautfarbe, Geschlecht und Religion zurückzuführen sind. Aber auf dem Weg in die Gleichberechtigung finde ich es umso wichtiger, jegliche Klassifizierung nach Hautfarbe und anderen äußerlichen oder religiösen Merkmalen aufzulösen. Deshalb habe ich mich dazu entschieden, zwar einen diversen „Cast“ aufzustellen, dabei aber gängige Stereotypen zu brechen: Eine afrikanische, indische oder lateinamerikanische Identität suchen Leser:innen bei meiner schwarzen Indi vergeblich, und mein fließend Arabisch sprechender René ist weiß mit deutsch-französischen Wurzeln.

Ihr Buch spielt 2017 und Ihr Protagonist René war als Kriegsreporter in Syrien. Warum nicht 2023 und der Krieg in der Ukraine?
Das Konzept zum Buch und damit auch Renés Hintergrundgeschichte entstand 2020. Allerdings konnte ich mich lange nicht entscheiden, in welchem Jahr ich meine Geschichte spielen lasse. 2020 und 2021 schieden aus, weil Corona eindeutig ein Konflikt zu viel gewesen wäre. Aber ich war lange hin- und hergerissen, ob ich es wagen soll, die Geschichte ins Jahr 2022 oder 2023 zu legen. Allerdings habe ich mir nicht zugetraut, eine gesellschaftliche Entwicklung „nach Corona“ vorherzusagen. Diese Geschichte im Jahr 2023 wäre in der Tat eine andere gewesen.

Der Krieg in der Ukraine hat mich während der Überarbeitung des Romans eiskalt erwischt. Zwischen beiden Kriegen gibt es etliche Parallelen, und in der Kombination aus Recherche und aktueller Berichterstattung war meine Sicht darauf plötzlich beängstigend scharf. Ich hatte mitunter das Gefühl, Entwicklungen im Ukrainekrieg vorhersehen zu können, und hatte zum Teil auch Recht damit. Das war eine sehr unheimliche Erfahrung. Alles das hat meine Arbeit am Buch beeinflusst, aber letztendlich sind meine „Sterne über Berlin“ ein Roman und kein Sachbuch. Deshalb hat nur ein Bruchteil meiner Recherche darin Platz gefunden. Der Fokus von Renés Geschichte liegt im menschlichen Leid und den psychischen Folgen, die ein Krieg auslöst. Und diese Folgen sind wohl bei allen Kriegen ähnlich.

Was wünschen Sie sich, was Leser:innen von dem Buch mitnehmen sollen?
Ich wünsche mir, dass meine „Sterne“ ein Buch werden, das die Leser:innen später in ihrem Regal betrachten und sich mit einem leisen Seufzen an die Figuren und die Stimmung erinnern. Ich würde mich freuen, wenn jeder ein bisschen was von Indis „Licht“ mitnimmt, und gleichzeitig das Gefühl hat, der Komplexität unserer Welt und den Ursachen für Krieg oder Frieden ein kleines bisschen näher gekommen zu sein.
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