Das verschlossene Zimmer
 - Rachel Givney - Hardcover
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22,00

inkl. MwSt.

Lübbe Belletristik
Hardcover
Literarische Unterhaltung
544 Seiten
Altersempfehlung: ab 16 Jahren
ISBN: 978-3-7857-2786-7
Ersterscheinung: 25.02.2022

Das verschlossene Zimmer

Roman
Übersetzt von Ute Leibmann

(105)

Wie viele Geheimnisse erträgt eine Familie?

Krakau, im Frühjahr 1939. Alle Zeichen stehen auf Krieg, denn das Deutsche Reich treibt seine Angriffspläne auf Polen unbarmherzig voran. Die junge Marie aber beschäftigen ganz anderen Fragen: Wer ist ihre Mutter? Warum verschwand sie, als Marie ein Kleinkind war? Und warum verweigert ihr Vater, ein renommierter Arzt, jedes Gespräch über sie? Als sie die Ungewissheit nicht mehr aushält, entschließt Marie sich zu einem drastischen Schritt.

Marie zog eine Haarnadel aus ihrem blonden Haar. Bisher verfügte sie über keinerlei Erfahrungen als Einbrecherin, doch Olaf, ein ortsansässiger Tunichtgut, der zusammen mit ihr in der Straßenbahn zur Schule fuhr, hatte sich ihr gegenüber in dieser Woche damit gebrüstet, dass es ein Leichtes sei, ein Schloss mit einem schmalen Metallstück aufzubrechen. "Einfach nur reinschieben und ein bisschen hin und her ruckeln", hatte er geprahlt.

Marie musterte den Messingdraht und lächelte. In der Regel sahen die Leute in einer Haarnadel nur ein Accessoire, mit dem man seine Frisur bändigen konnte. Marie sah darin etwas anderes – einen Schlüssel.


Als Marie das Zimmer ihres Vaters aufbricht und durchsucht, riskiert sie, dadurch sein Vertrauen zu verspielen. Doch sie hat keine andere Wahl: Sie muss wissen, was aus ihrer Mutter wurde ...


Rachel Givney erzählt eindrucksvoll davon, was eine Familie ausmacht. Ein Roman, der zutiefst bewegt und nachhallt.

Pressestimmen

„Rachel Givney […] hat eine hochspannende Familiengeschichte mit äußerst verblüffendem Ende geschrieben. Packend.“

„Wunderbare Einblicke in den Stand der Medizin zur damaligen Zeit und die politische Lage in Polen. Ein bewegender Roman mit fulminantem Ende.“

Rezensionen aus der Lesejury (105)

aly53 aly53

Veröffentlicht am 25.11.2022

Eine bewegende Geschichte, die mich mitten ins Herz getroffen hat

Für historische Romane hege ich eine besondere Vorliebe und „Das verschlossene Zimmer “ von Rachel Givney reiht sich einfach perfekt ein.

Erzählt wird in zwei unterschiedlichen Zeitebenen. Einmal begleiten ... …mehr

Für historische Romane hege ich eine besondere Vorliebe und „Das verschlossene Zimmer “ von Rachel Givney reiht sich einfach perfekt ein.

Erzählt wird in zwei unterschiedlichen Zeitebenen. Einmal begleiten wir Helena und einmal Marie.
Maries Perspektive spielt in der Gegenwart und an Helenas Seite tauchen wir in die Vergangenheit ein.
Zwei außergewöhnliche Frauen, die mich stark beeindruckt und mitgenommen haben.
Wobei es bei Helena sogar stärker der Fall war.
Wenn ich an diese starke und mutige Frau denke, hab ich Tränen in den Augen.
Weil ihr Weg geprägt ist von Leid, Glück und Entsagung.
Egal was Helena tut, sie kämpft bis aufs Blut.
Ein junges Leben, das so von Wärme erfüllt ist, wird mit Grauen, Schmerz und bitterer Verzweiflung geflutet.
Helena lebt in einer schwierigen Zeit in Polen. Es ist Kriegszeit und die Menschen müssen so viel verkraften.
Der Autorin gelingt es sehr einfühlsam und eindringlich, die Geschehnisse der damaligen Zeit sehr eindrucksvoll wiederzugeben.
Die Menschen kämpfen, ihr Leben wird überschattet von Leid und Tod.
Und trotzdem ist noch Platz für Missgunst, Neid und Vorurteilen.
Helenas Hintergrund ist wirklich heftig und ich habe zusammen mit ihr geweint.
Weil es so ungerecht, so bitter, so heftig war.
Frauen haben keinen Stellenwert, sie werden benutzt, sie haben keine Rechte.
Sie haben keine Stimme.
Demütigungen bestimmen ihr Leben.
Puh, es war so unglaublich heftig was mit Helena passiert ist und oft hab ich mich gefragt, wie sie am nächsten Tag noch aufstehen kann.

Auch Maries Leben spielt in Polen.
Ich mochte Marie sehr.
Sie ist klug, souverän, aber auch sehr naiv und verletzlich, in dem ,was sie tut.
Ihr Leben erhält eine dramatische Wende, als sie ihren eigenen Glauben ändert und zu ihren Wurzeln zurückkehrt.
Eine Suche, die sie für immer verändern wird.
Die Autorin beschäftigt sich sehr mit den damaligen Geschehnissen in Polen. Wobei sie sich auch sehr auf zwischenmenschliche Aspekte fokussiert. Sie zeigt aber gleichzeitig auch, wie sehr ein tragischer Einschnitt dein Leben komplett verändert.
Sie zeigt, wie hilflos und verzweifelt junge Frauen sind, weil ihnen die Stimme genommen wurde.

Die Familie erhält hier einen hohen Stellenwert und das hat mich wohl am meisten aufgewühlt und tief berührt.
Denn Familie ist das, was du fühlst, nicht, was du bist.
Es ist ein hochemotionaler Roman, der mich stark beschäftigt hat und gleichzeitig so unglaublich beängstigend war.
Die Autorin spielt nicht nur mit tragischen Aspekten, sondern schafft es, mit gut platzierten Wendungen zu punkten.
Ich war beeindruckt, aber gleichzeitig so erschüttert und den Tränen nah.
Wow, dass war extrem harter Tobak.
Und doch hat es mich in gewissem Maß auch stolz gemacht.
Ja, in diesem Roman ist Liebe ein elementarer Bestandteil. Eine Liebe, die über jegliche Grenzen hinausgeht und so viel verändert.
Ich bin einfach nur sprachlos und sehr beeindruckt, mit welch einer Wortgewalt und Intensität die Autorin in tiefe psychologische Abgründe eintaucht und dabei das Beste herauszieht.
Nur ein Mensch, der nie geliebt und vertraut hat, ist einsam und verloren.

Fazit:
Rachel Givney hat mich mit „Das verschlossene Zimmer “ extrem beeindruckt, erschüttert und so zum Weinen gebracht.
Ein Roman, der in einer sehr schwierigen Zeit spielt und zeigt, was Liebe möglich macht und das du ohne die nichts bist.
Der Weg einer mutigen jungen Frau, die niemals aufgibt.
Sehr eindrucksvoll, dramatisch und sehr emotional
Unbedingt lesen.

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Buchfresserchen Buchfresserchen

Veröffentlicht am 23.08.2022

Eine erstaunliche Entdeckung am Ende

Die siebzehnjährige Marie wuchs, im Krakau der 30 er Jahre, bei ihrem Vater auf. Schon immer wollte sie mehr über ihre Mutter wissen, doch darüber wurde in ihrem Zuhause nicht gesprochen. Kurz vor ihrem ... …mehr

Die siebzehnjährige Marie wuchs, im Krakau der 30 er Jahre, bei ihrem Vater auf. Schon immer wollte sie mehr über ihre Mutter wissen, doch darüber wurde in ihrem Zuhause nicht gesprochen. Kurz vor ihrem achtzehnten Geburtstag erfährt sie wenigstens deren Namen, aber auch das scheint ihr nicht weiter zu helfen. Bis eine Spur sie nach Lemberg führt, wo sie eine, alles verändernde, Entdeckung macht.

Das Cover des Hardcoverbuches hat mich sofort angesprochen. Sehr geheimnisvoll und alt.

Die Geschichte spielt im zweiten Weltkrieg. Marie lebt mit ihrem Vater in Krakau. Dominik Karski ist Arzt und birgt ein dunkles Geheimnis. Immer mal wieder erfährt man durch seine , in Worte gefassten Gedanken, das es in seiner Vergangenheit etwas gibt, das niemals jemand erfahren darf.
Da auch Marie nichts über ihre Mutter erfahren konnte nimmt man als Leser an, dass dieses Geheimnis mit ihr in Verbindung steht.
Sonderbar fand ich, das Dominik Marie sogar fast achtzehn Jahre den Namen vorenthalten hat.

Spannend fand ich zu lesen, wie Marie ihren Weg gegen alle Widerstände geht. All ihren Wünschen werden zunächst Steine in den Weg gelegt. Toll wie sie sich trotzdem nicht davon abbringen lässt und so manches auch gegen die Vernunft durchsetzt.
Der Antisemitismus ist leider auch in Polen schon voll im Gange. Erstaunlich wie stark die Medien die Menschen doch beeinflussen und auch für dumm verkaufen wollen, um Maßenhysterien vorzubeugen. Das hat mich schon sehr erschreckt.

Maries Freunde Ben und Lolek habe ich sofort in mein Herz geschlossen. Auch als Dominik endlich einen Freund fand war ich glücklich. Er schien ein sehr in sich gekehrter Charakter zu sein. Warum er sich so verhält wird im Laufe der Geschichte deutlich.

Als Marie endlich von ihm den Namen der Mutter erfährt, erfahren wir als Leser auch so nach und nach mehr über die Zeit vor 20 Jahren.
Geschickt springt die Autorin zwischen 1919 und 1939 hin und her, bis der Leser und zeitgleich auch Marie erfährt welch dunkles Geheimnis sich im Leben des Dominik Karski verbirgt.

So manches hat mich zum Schmunzeln gebracht, manches mich aber auch wirklich erschüttert.
Ein spannendes Buch mit einem Ende , das ich so nicht erwartet hätte. Gerne würde ich erfahren wie es mit Marie danach weiter ging, aber ich konnte nirgendwo entdecken,dass noch ein weiterer Band geplant ist.

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MarieausE MarieausE

Veröffentlicht am 15.05.2022

Bewegender Roman

Der Roman spielt 1939 in Polen, der Krieg kündigt sich immer mehr an.
Marie ist Heranwachsende, sie verliebt sich und der unklare Verbleib ihrer Mutter beschäftigt sie immer mehr. Sie weiß nicht, was mit ... …mehr

Der Roman spielt 1939 in Polen, der Krieg kündigt sich immer mehr an.
Marie ist Heranwachsende, sie verliebt sich und der unklare Verbleib ihrer Mutter beschäftigt sie immer mehr. Sie weiß nicht, was mit ihr geschah, sie hat nur einen Hauch von Erinnerung an sie und ihr Vater hüllt sich in Schweigen.

Dann gibt es noch eine zweite Zeitebene, die Zeit nach dem ersten Weltkrieg - auch hier das (harte) Leben einer Frau in Polen.

Ich mochte fast alles an dem Buch.
Sehr spannend fand ich beispielsweise die Einblicke in das Arzt- und Apothekenwesen damals. Eine bahnbrechende Zeit mit der Erfindung von Antibiotikum und ein Apotheker hat damals noch alles in Handarbeit selbst zusammengemischt. Welch Verantwortung und welch Wissen dafür erforderlich war! Starke Szenen mit sehr eindrücklicher Beschreibung - finde ich.

Dann das Leben in Polen damals generell, die Schilderung der verschiedenen Viertel in Krakau, Armut, Entbehrung und fast unvorstellbare Lebensbedingungen. Dazu Kriegserfahrungen und Kriegstraumata.
Ganz schön viel, was die Autorin da in ihr Buch gepackt hat, mich hat das aber auch sehr gepackt.

Manchmal war es für mich etwas zu viel des Guten, ein Strang wurde relativ breit erzählt, hatte aber dann keine weitere Bedeutung.
Die Übersetzung oder das Lektorat hat sich mit den Namen der Charaktere auch mal vertan, das war irritierend.
Dann gab es auch noch einige doch sehr weit hergeholte Szenen, die einfach nur unrealistisch waren.

Aber trotzdem! Ich kann keinen der fünf Sterne abziehen, weil ich das Buch trotz der Kritikpunkte sehr mag.
Es hat mich bewegt, es hat Bilder vor meinem Leseaugen entstehen lassen und es hat mich dankbar gemacht, dass ich nicht Frau vor 100 Jahren sein musste.

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CrazyGirl CrazyGirl

Veröffentlicht am 14.04.2022

Das große Geheimnis

Krakau 1939. Die junge Marie lebt bei ihrem Vater, der den gesamten Haushalt bewältigt und sich ständig um sie sorgt. Er ist ein renommierter Arzt und Marie möchte so gerne Medizin studieren, was für sie ... …mehr

Krakau 1939. Die junge Marie lebt bei ihrem Vater, der den gesamten Haushalt bewältigt und sich ständig um sie sorgt. Er ist ein renommierter Arzt und Marie möchte so gerne Medizin studieren, was für sie als Frau unmöglich ist. Ihr Vater hat ihr nie erzählt, warum ihre Mutter sie verlassen hat, als sie zwei Jahre alt war. Er hütet seine Geheimnisse im Schlafzimmer, das ständig verschlossen ist. Eines Tages bricht Marie das Zimmer auf und findet aber nur eine Kiste mit einem abgeschnittenen Haarzopf.
Das Cover mit einer rückwärtsgewandten, geheimnisvollen Frau mit einem Schlüssel in der Hand, passt zur Handlung. Der Titel ebenfalls. Die Protagonisten werden sehr lebendig und liebevoll beschrieben. Die Handlung wird in zwei Strängen erzählt. Der erste berichtet von den Erlebnissen in Krakau, die von dem drohenden Einmarsch der deutschen Truppen geprägt wird. Der zweite Strang handelt von Helena, die in Lemberg einen schneidigen Major, den Sohn des Apothekers kennenlernt. So offenbart sich ein großes Geheimnis, das man erst spät erahnen kann.

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Tiara Tiara

Veröffentlicht am 12.04.2022

Geht unter die Haut

Krakau 1939: Marie lebt alleine mit ihrem Vater und hat an ihre Mutter kaum mehr eine Erinnerung. Da ihr Vater sich diesbezüglich auch sehr bedeckt hält, bricht sie in sein Zimmer ein und versucht irgendetwas ... …mehr

Krakau 1939: Marie lebt alleine mit ihrem Vater und hat an ihre Mutter kaum mehr eine Erinnerung. Da ihr Vater sich diesbezüglich auch sehr bedeckt hält, bricht sie in sein Zimmer ein und versucht irgendetwas über ihre Mutter zu finden ...
Der Inhalt der Geschichte ist kurz und bündig erklärt, was die Autorin aber daraus gemacht hat, hat mich von der ersten Zeile an begeistert und bis zum Schluß nicht mehr losgelassen.
Die Geschichte wird auf zwei Zeitebenen erzählt. Zum einen sind wir bei Marie, die gerne Ärztin werden möchte, als Frau aber überhaupt keine Aussicht auf einen Studienplatz hat. Auch in der Liebe hat sie kein Glück, den sie liebt Ben einen Juden und zudem steht der Krieg bevor.
In der Vergangenheit treffen wir auf Maries Mutter Helena und erleben mit, wie sie sich mit ihrer kleinen Tochter durchs Leben kämpfen muß.
Rachel Givney hat einen wahnsinnig tollen Schreibstil, der einen nicht mehr loslässt und mir richtig unter die Haut ging. Wir erfahren in der Geschichte soviel über die damalige Stellung der Frauen, das Judentum, wichtige Medikamente werden erfunden. Meine Gefühle fuhren Achterbahn.
Die Autorin hat so tolle Charaktere erschaffen, die alle mein Herz berühren konnten.
Fazit: Eine sehr emotionale Geschichte, mit einem wahnsinnigen Spannungsbogen, der mich oft die Luft anhalten ließ und am Schluß mit einem unglaublichen Geheimnis endet.
Das Cover finde ich auch sehr gelungen und es passt perfekt zur Geschichte.
Wieder ein Buch für meine Jahresbestenliste. Ich werde die Autorin auf jeden Fall im Auge behalten und hoffe sehr, dass es bald wieder ein neues Buch von ihr gibt.
Natürlich vergebe ich für dieses Meisterwerk 5/5 Sterne und eine große Leseempfehlung.

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Empfehlung aus dem Buchhandel

Interview

"Ich neige dazu, mit Kopfkino zu schreiben – dabei stelle ich mir Figuren und Orte vor, als würde ich sie vor mir sehen." | 17.01.2022

Die Handlung Ihres Romans ist komplex, am Ende steht eine völlig überraschende Wendung – können Sie versuchen in zwei Sätze zu fassen, worum es geht?DAS VERSCHLOSSENE ZIMMER spielt in Krakau im Jahr 1939. Während Hitler die Invasion auf Polen vorbereitet versucht Marie, eine neugierige und intellige...

Die Handlung Ihres Romans ist komplex, am Ende steht eine völlig überraschende Wendung – können Sie versuchen in zwei Sätze zu fassen, worum es geht?
DAS VERSCHLOSSENE ZIMMER spielt in Krakau im Jahr 1939. Während Hitler die Invasion auf Polen vorbereitet versucht Marie, eine neugierige und intelligente junge Frau, ihre vermisste Mutter zu finden, die vor fünfzehn Jahren verschwunden ist.
Bei der Suche nach ihrer Mutter sind Maries einzige Anhaltspunkte eine verschwommene Erinnerung an ein altes Märchen und eine Haarsträhne. Nicht einmal den Namen ihrer Mutter gibt der Vater ihr preis. Marie versucht fortan mit allen Mitteln, dem Familiengeheimnis auf die Spur zu kommen. Inwieweit sind Herkunft, Heimat und Familie für Sie zentrale Themen des Romans?
Vor allem für Maries Vater Dominik, der sich weigert mit seiner Tochter über die Vergangenheit zu sprechen. Er lebt sehr zurückgezogen, hat keine Freunde und spricht nie über seine Herkunft, weil er befürchtet, dass jemand hinter sein Geheimnis kommen könnte. Aber indem er sich weigert, über sich selbst, seine Gefühle und seine Vergangenheit zu sprechen, führt Maries Vater ein trauriges, einsames Leben. Das macht ihn auch zu einem faszinierenden und ambivalenten Charakter.
DAS VERSCHLOSSENE ZIMMER ist zugleich auch eine Coming of Age-Geschichte: Marie ist siebzehn Jahre alt, sie steht an der Schwelle zum Erwachsenwerden. Für ihre Jugendliebe Ben konvertiert sie zum Judentum und riskiert damit sogar den Bruch mit ihrem Vater. Inwieweit ist es eine Identitätssuche, die Marie antreibt?
Marie ist aufgewachsen, ohne zu wissen, was mit ihrer Mutter passiert ist, ohne das Wissen, woher sie kommt. Das würde wohl bei jedem ein erhebliches Trauma verursachen, und diese Suche nach Identität treibt Marie jetzt an, die Wahrheit heraus zu finden. Auf der Suche nach ihrer Mutter entdeckt Marie auf vielfältige Weise, wie es in der Welt zugeht. Sie begegnet Rassismus und Sexismus, sie verliebt sich und erfährt, was Menschen tun, um ihre Familien zu schützen.
Sie haben viel für Ihren Roman recherchiert, sind durch Polen gereist und haben sogar Polnisch gelernt. Was war die ausschlaggebende Inspiration für Ihre ungewöhnliche Geschichte?
Als ich Krakau zum ersten Mal besuchte, verliebte ich mich in seine mittelalterlichen Gebäude und seine blutige, komplexe Geschichte. Ich beschloss, wenn ich jemals einen Roman schreiben würde, der im Zweiten Weltkrieg spielt, würde ich ihn in dieser Stadt spielen lassen. Seitdem bin ich mehrmals zur Recherche nach Polen zurückgekehrt und habe die letzten zwei Jahre damit verbracht, Polnisch zu lernen – eine wunderbare, aber schwierige Sprache – um ganz in die Geschichte und Kultur eintauchen zu können. Die Polen sind sehr gastfreundlich, besonders Fremden gegenüber. Das hat mir die polnische Community in Melbourne gezeigt, wo ich lebe.
Für weitere Recherchen besuchte ich das Jüdische Holocaust-Zentrum in Melbourne, hörte mir die Geschichten von Überlebenden an und zog einen jüdischen Experten hinzu, um wahrheitsgetreue Darstellungen des Judentums in Polen im Jahr 1939 zu entwickeln. Ich besuchte auch die Alte Synagoge in Krakau, das Konzentrationslager Auschwitz, Warschau, und einige ehemalige preußische Städte, um mich an die im Roman dargestellten Orte versetzen zu können. In Krakau habe ich gelernt, wie man Pierogi (Knödel) und Hochlandkäse macht, und ich habe polnische Volkstraditionen in der schönen Bergstadt Zakopane studiert. Ich besuchte Lemberg in der heutigen Ukraine, die alten Marktplätze, Apotheken und das ehemalige jüdische Viertel, all die Orte, die ich im Buch beschreibe. Diese Erfahrungen haben mich inspiriert!
Im Original trägt Ihr Buch den Titel Secrets My Father Kept – den Kern dieses titelgebenden Familiengeheimnisses deckt Marie und mit ihr die Leser:innen erst ganz am Ende des Romans auf. Ihr Buch zeigt auf wunderbare, sehr einfühlsame Weise, was es bedeutet, Mutter – oder Eltern zu sein. Die zentrale Frage des Romans ist dabei: Wie weit ist man bereit zu gehen, um das eigene Kind zu schützen?
Mich haben schon immer die Entscheidungen fasziniert, die Frauen treffen müssen, wenn es um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie geht. Meine beiden Bücher (DAS VERSCHLOSSENE ZIMMER und JANE IN LOVE) thematisieren die Not der Frauen in patriarchalen Gesellschaften, die ihren Ambitionen feindlich gegenüberstehen. Aber auch wenn Frauen heute die Möglichkeit haben, sich beruflich weiterzuentwickeln, gibt es immer einen Kampf um das Zeitmanagement. Ich bin Mutter und mir bricht jedes Mal das Herz, wenn ich meinen kleinen Sohn für meine Arbeit verlasse. Trotzdem liebe ich meinen Job, der mich sehr erfüllt, aber es ist eben nie einfach. In »DAS VERSCHLOSSENE ZIMMER« wollte ich dieses Gefühl der Liebe zum eigenen Kind und die damit verbundenen Emotionen und Herausforderungen darstellen.
Sie leben und arbeiten in Melbourne in Australien. Als Drehbuchautorin haben Sie an vielen, auch in Deutschland bekannten Serien (z.B. McLeod’s Töchter) mitgeschrieben. Inwieweit sind diese Erfahrungen in Ihren Roman eingeflossen?
Mein erster Roman JANE IN LOVE wird von Amazon Studios verfilmt. Ich neige dazu, mit Kopfkino zu schreiben – dabei stelle ich mir Figuren und Orte vor, als würde ich sie vor mir sehen. Außerdem sind meine Geschichten meistens in drei Akte gegliedert, mit einem Anfang, einer Komplikation und einer Auflösung, ganz wie im Film.
Als Romanautorin muss ich beschreiben, wie die Dinge aussehen, riechen, klingen und die inneren Gedanken der Charaktere. Beim Drehbuchschreiben werden diese Details durch die Produktion und das Sounddesign, die Kostüme und die Darbietungen der Schauspieler vermittelt. Beim Roman ist da nur das geschriebene Wort – was eine einsame Erfahrung sein kann. Drehbuchschreiben hingegen erfordert die Zusammenarbeit mit Regisseur:innen, Produzent;innen, Schauspieler:innen und oft auch mit anderen Autor:innen, um eine Geschichte zum Leben zu erwecken. Aus diesem Prozess kann man viel Freude und Bestätigung ziehen. Aber das Schreiben von Romanen gibt mir eine andere Art von Erfüllung – indem ich Charaktere und Handlungsstränge erschaffe, die einzig mir gehören.
Der zentrale Schauplatz Ihres Romans ist Krakau. Polen steht 1939 an der Schwelle zum Krieg, die deutsche Invasion ist als ständige Bedrohung spürbar, spaltet die Gesellschaft und fördert Rassismus und Antisemitismus. Was hat die polnische Gesellschaft in dieser Zeit geprägt?
Das Interessanteste, was ich bei meinen Recherchen entdeckte, war, dass viele Polen nicht daran glaubten, dass die Deutschen tatsächlich einmarschieren würde. Hitler hatte Reden über den Lebensraum im Osten gehalten, aber der Erste Weltkrieg lag erst zwanzig Jahre zurück. Polen war damals eine junge Republik und zum ersten Mal in seiner Geschichte unabhängig. Die Menschen waren voller Hoffnungen auf die Zukunft und niemand wollte einen weiteren Krieg.
Juden bildeten 1939 in Polen eine bedeutende Minderheit. In einigen polnischen Städten machten Juden fast 90 Prozent der Bevölkerung aus. In Krakau waren es etwa 26 bis 28 Prozent, darunter orthodoxe Juden, andere assimiliert oder völlig säkular und nur dem Namen nach jüdisch. Der Rest der Bevölkerung bestand hauptsächlich aus Katholiken. Es herrschte nicht mehr Antisemitismus als in anderen Ländern – vielerorts waren Juden ein selbstverständlicher Teil der Gesellschaft. Einerseits gab es Rassismus und Vorurteile, aber andererseits auch viele Menschen die anderen Glaubensrichtungen offen gegenüberstanden. Im Roman habe ich versucht, diese Nuancen darzustellen.
Klassische Rollenmodelle stellt Ihr Roman in Frage, ihre weiblichen Protagonistinnen, allen voran Maries Mutter Helena, entziehen sich dem klassischen Frauenbild dieser Zeit, oder?
Ja. DAS VERSCHLOSSENE ZIMMER erforscht die Not von Frauen, die in einer patriarchalen Gesellschaft Karriere machen wollen. Die Heldin Marie will nicht nur ihre Mutter finden, sondern wie ihr Vater auch Ärztin werden. Doch sie stößt, auf dem Weg ihrem Traum zu folgen, auf massiven Widerstand innerhalb der Gesellschaft. Auf der Suche nach ihrer Mutter entdeckt Marie, dass die Welt für Frauen, die eine Karriere anstreben, ein lebensfeindlicher Ort sein kann.
Haben Sie einen persönlichen Bezug zu Ihrer Geschichte, zu den Schauplätzen Ihres Romans oder Ihren Figuren?
Ich komme aus einer Familie mit vielen starken Frauen. Meine Mutter ist Ärztin und hat fünf Kinder, und meine beiden Großmütter hatten Karriere und Familie zu einer Zeit, als solche Dinge noch verpönt waren. Meine familiären Wurzeln machten Osteuropa zum perfekten Schauplatz für diesen Roman. Mütterlicherseits stammt meine Familie aus diesem Teil von Europa und ich habe bei meinen Recherchen einiges über sie erfahren. So heißt auch eine der Hauptfiguren des Buches Kolikov, nach meinen Vorfahren.
Der Roman endet unmittelbar vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges, das Schicksal Ihrer Protagonist:innen bleibt am Ende ungewiss. Wie sehr schmerzt es Sie als Autorin, die eigenen Figuren ihrem Schicksal zu überlassen?
Ich wollte den Roman immer am 1. September 1939, dem ersten Tag des Beginns des Zweiten Weltkrieges, enden lassen. Viele Leser:innen haben mir nach der Lektüre gesagt, wie sehr sie das Ende lieben. Es gab aber von vielen auch den Wunsch nach einer Fortsetzung, weil sie wissen wollen, was als nächstes im Leben meiner Protagonist:innen passiert!

Autorin

Rachel Givney

Rachel Givney - Autor
© Tegan Louise

Rachel Givney hat als Drehbuchautorin schon an vielen der beliebtesten australischen TV-Serien mitgewirkt, u. a. bei McLeods Töchter. Nach längeren Aufenthalten in den USA, Großbritannien und Deutschland lebt die gebürtig Australierin heute wieder in Sydney. Für Secrets My Father Kept reiste sie aber mehrfach für Recherchen nach Polen. Die Filmrechte ihres ersten Romans, der Jane-Austen-Komödie Jane in Love, wurden von einem großen Streamingdienst optioniert. Derzeit arbeitet Rachel …

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