In "Der Salon" versucht sich Autorin Julia Fischer das erste Mal im historischen Fach und es ist ihr wirklich gelungen.
Ich durfte bei der Lesejury nach langer, langer Zeit wieder einmal bei einer Leserunde ...
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In "Der Salon" versucht sich Autorin Julia Fischer das erste Mal im historischen Fach und es ist ihr wirklich gelungen.
Ich durfte bei der Lesejury nach langer, langer Zeit wieder einmal bei einer Leserunde dabei sein. Darüber habe ich mich ganz besonders gefreut, denn die Bücher der Autorin liebe ich sehr. Und sie hat auch diesmal wieder einen wunderbaren Roman erschaffen, der zeigt, dass sie auch historisch kann.
Wir begeben uns im Jahr 1951 nach Hebertshausen bei Dachau in Oberbayern, wo Leni bei ihrer Mutter im Salon das Friseurhandwerk erlernt. Fünf Jahre später träumt die junge Frau davon den Salon zu Hause zu modernisieren, doch ihre Mutter will davon nichts wissen. Als sie ein Stellenangebot beim angesagten Münchner Salon Keller entdeckt, bewirbt sie sich und bekommt eine Zusage. An einer der besten Adressen Münchens lernt Leni nicht nur neue moderne Frisuren, sondern auch mondäne Kundinnen kennen, wie die ehemalige Tänzerin Sasa Sorell oder die Amerikanerin Miss Randall.
Auch Lenis Bruder Hans lebt in München, wo er Medizin studiert. Leni und ihre Mutter Käthe finanzieren mit ihrer Arbeit sein Studium, doch seine Liebe gilt der (Jazz)Musik. Er ist ein begnadeter Trompeter und müht sich durch das Medizinstudium, um den letzten Wunsch seines Vaters zu erfüllen, der als verschollen gilt. Hans verliebt sich in die verheiratete Charlotte, die in einer unglücklichen Ehe gefangen ist. Neben Hans und Leni treffen wir auch noch auf seine Kommilitonen Karl und Schorsch, sowie die unkonventionelle Frieda. Während Karl aus reichem Hause kommt und das Studium nicht so ernst nimmt, arbeitet Frieda als Schaffnerin, um sich dieses zu finanzieren. Georg, genannt Schorsch, möchte vorallem den Menschen helfen und später einmal Landarzt werden. Alle von ihnen suchen noch einen Platz im Leben und es war spannend ihre Jahre in München zu mitzuverfolgen.
Julia Fischer hat die Atmosphäre dieser Zeit wunderbar eingefangen. Nach den entbehrungsreichen Kriegsjahren erfahren die Jugendlichen eine neue Zeitrechnung mit hipper Jazzmusik, Tanzkellern und neuen Filmsternchen. Die Mode wird bunter und fröhlicher, die Frisuren kürzer oder pfiffiger. München gehörte damals zur amerikanischen Besatzungszone und wurde durch die Kultur und Lebensweise die Soldaten beeinflusst. Die jungen Leute träumten von einer Zukunft ohne Konventionen. Noch waren die Gesetze und der Verhaltenskodex - vorallem für Frauen - aber streng. Das spürt auch Charlotte, deren Ehemann sie weder arbeiten lässt, noch unterstützt. Im Gegenteil....
Die Autorin hat ihre Figuren wunderbar lebendig gezeichnet. Mit Leni hat sie eine sehr ehrgeizige junge Frau erschaffen, die nur so voller Ideen sprüht. Neben der Friseurausbildung widmet sie sich auch noch der Herstellung von Naturkosmetik, die sie von ihrer Großmutter erlernt hat. Manchmal erschien mir Leni wie ein Tausendsassa. denn als Frau hat sie es zu dieser Zeit besonders schwer. Der musikalische Anteil durch Hans, der mit seiner Trompete in diversen Jazzkellers auftritt, hat mein Herz ebenfalls höher schlagen lassen. Und mit Frieda und Schorsch, wie auch mit Karl und Charlotte, habe ich eine tolle Zeit in München der Fünfziger Jahre verbtacht. Ich war mit Hans im Jazzkeller, habe mit Leni Cremen hergestellt und mit Schorsch fotografiert. Sehr ans Herz gewachsen ist mir aber auch Käthe, die Mutter von Leni und Hans.
Doch Julia Fischer hat ihre Figuren nicht nur auf der Sonnenseite des Lebens geparkt, sondern ihnen auch Leid und Schmerz zugefügt. Im Leben gibt es nicht nur Friede, Freude, Eierkuchen, sondern auch schwere Schicksalsschläge und neue Herausforderungen. Genau dieses Gefühl hat die Autorin hier wunderbar vermittelt. Trotzdem hat mich das Ende dann doch etwas schockiert zurückgelassen.
Im zweiten Teil der Dilogie werden wir mehr über das weitere Schicksal von Leni erfahren. Darauf freue ich mich schon sehr.
Fazit:
Eine wunderbare Reise in die Fünfziger Jahre, die mich Zeit und Raum haben vergessen lassen. Julia Fischer hat großartig recherchiert und KEINEN Wohlfühlroman geliefert, sondern eine lebensahe Geschichte, die ich sehr gerne gelesen habe und weiterempfehle.
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Pressestimmen
Melanie Bremer, Medienprofile, 08.2022