Stell dir vor, du hast eine große Leidenschaft. Du schwärmst für Relikte, die seit Abermillionen von Jahren in der Erde schlummern. Dein Traum: Eines Tages die Dinosaurier erforschen und aus den uralten ...
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Stell dir vor, du hast eine große Leidenschaft. Du schwärmst für Relikte, die seit Abermillionen von Jahren in der Erde schlummern. Dein Traum: Eines Tages die Dinosaurier erforschen und aus den uralten Knochen nach und nach ein riesiges Skelett erschaffen. Jedoch lebst du nicht in der heutigen Zeit, sondern als Frau Anfang des 20. Jahrhunderts.
Und welche Hürden und Problematiken diese Situation hervorbringt, thematisiert der historische Roman „Spuren einer fernen Zeit - die Senckenberg-Saga“ von der Autorin Birgit Borchert. Der erste Band der Reihe ist am 28. April 2023 beim Bastei-Lübbe-Verlag erschienen und beeindruckt schon mit seinem schönem Cover.
Sophie von Mayden ist eine junge Frau, die genau diesen Traum hat. Seit ihrer Kindheit, geprägt durch den Beruf ihres Vaters als Geologe und dessen Mitgliedschaft in der Senckenbergischen Naturforschenden Gesellschaft, ist sie fasziniert von den gigantischen Urzeit-Reptilien. Was würde sie dafür geben eines Tages mit anderen begeisterten Forschern und Forscherinnen an Ausgrabungsstätten in ferne Länder zu reisen, um Stück für Stück die wertvollen Schätze der Erde auszugraben. Doch das alleine reicht ihr nicht. Ihr Entschluss steht fest: Sie möchte studieren.
Leider ist es zu Zeiten von Kaiser Wilhelm II. im deutschen Reich nicht vorgesehen, dass Frauen an Universitäten lernen. Gerade mal eine Universität lässt Frauen im Reich im Jahr 1908 zu einem Studium zu. Für Sophie fängt der steinige Weg an. Nicht nur, dass ihr ein gleichwertiger Hochschulabschluss verwehrt bleibt, auch ihre Eltern können ihren Entschluss absolut nicht nachvollziehen. Gerade Sophies Mutter hat dafür gar kein Verständnis. Für sie ist es glasklar, dass ihre älteste Tochter so schnell wie möglich verheiratet wird und dann voll und ganz in der Rolle der Hausfrau und Mutter aufgeht. Auch Sophies Vater hält von ihrer Idee nicht so recht etwas, ist aber nicht ganz so stur wie seine Gattin. Durch Zielstrebigkeit und Hartnäckigkeit kann die junge Frau zumindest schon mal erste Erfahrungen im Senckenberg-Museum in Frankfurt sammeln. Begeistert von den ausgestellten Funden, lernt sie immer mehr über die Geologie und Paläontologie kennen. Nicht nur die Sauropoden haben es ihr angetan, auch der gut aussehende Doktorand Paul Klüver lässt ihr Herz höher schlagen. Wenn Sophie jetzt auch noch als eine der wenigen weiblichen Studenten immatrikulieren dürfte, dann wäre ihr Leben fast perfekt.
Kann Sophie sich ihren Lebensweg so erkämpfen, wie sie es sich vorstellt oder wird sie für immer Hilfsarbeiten im Museum ausführen müssen?
Bevor ich meine persönliche Meinung zu dem Buch ausführlicher beschreibe, möchte ich gleich vorweg schreiben, dass „Spuren einer fernen Zeit“ bisher mein absolutes Lesehighlight in 2023 ist. Diese grandiose Recherche des gesamten geschichtlichen Hintergrundes lässt mich ehrfürchtig zurück. Gerade weil ich selber kein Wissen über Dinosaurier, die wilhelminische Epoche oder das Konstrukt des zeitlichen Ablaufes habe, hat mich dieses Buch komplett überzeugt und ich habe sehr viel gelernt. Als ich gelesen habe, mit welchem Thema sich der Roman beschäftigt, da dachte ich erst, dass Dinos eigentlich nicht so mein Interesse wecken könnten. Zumal ich auch noch nie vor einem Skelett stand und es so vor Augen hätte haben können. Dann habe ich angefangen zu lesen. Ich lese und lese und lese und konnte einfach nicht aufhören. Der Schreibstil ist verständlich und trifft genau meinen Geschmack. Durch die liebevollen und vor allem detaillierten Beschreibungen der Charaktere, Handlungsorte und die Handlungen an sich, befindet man sich als Lesende/r mittendrin. Die Personen sind authentisch und toll gewählt. Gerade Sophie, um deren Leben es sich größtenteils dreht, wird mit sympathischen und wichtigen Eigenschaften ausgestattet. Der Aufbau des Buches ist klasse. Mal liegen ein paar Monate zwischen den Geschehnissen, mal ereignet sich vieles nacheinander. So wie es auch im echten Leben ist. Daher verleiht es dieser Geschichte auch so viel Lebendigkeit und Spannung. Ich habe nicht eine Seite dabei gelesen, die nicht interessant oder lehrreich war. Noch während ich das Buch gelesen habe, wusste ich, dass es ein Highlight werden kann. Loben möchte ich auch, dass die Personen Ecken und Kanten haben. Sie haben Schwächen, sie haben Stärken, sie haben Launen und sie haben Gefühle. Genau so kann ich mir die Leute vorstellen. Ich sehe Sophie und ihre Familie vor mir, sehe ihre Mimik und ihre Gestik. Sehe die mächtigen Herrschaften im Museum, die ihren Traum mit einem Lächeln abtun.
Birgit Borchert hat eine wunderbare Lektüre kreiert, die ich allen Bücherwürmern wärmstens empfehlen möchte. Bitte lest dieses Buch! Auch wenn ich nach Beenden des Buches nun nicht der größte Fan von Dinosauriern bin, hat der Diplodocus longus doch mein Interesse geweckt, sodass ich in naher Zukunft nach Frankfurt fahren möchte, um ein paar Stunden im Senckenberg-Museum Sophies Begeisterung auf mich wirken zulassen. Ich vergebe sehr gerne volle 5 Sterne, und schreibe hinter die 5 Sterne noch ein Sternchen zusätzlich, quasi 5 Sterne plus. :) Ich schließe mich Hape Kerkeling an und frage mich auch, ob es nicht vielleicht einen Film darüber geben könnte….
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Pressestimmen
Denglers Buchkritik, 08.05.2023