Mit »Die fremde Königin« erscheint nun Ihr zweiter historischer Roman, der in Deutschland spielt. Was war die Initialzündung für einen Roman, der in der Zeit Ottos des Großen spielt?Die Neugier aufs deutsche Mittelalter. Da saß ich eines Tages und überlegte, worüber ich meinen nächsten Roman schreib...
Mit »Die fremde Königin« erscheint nun Ihr zweiter historischer Roman, der in Deutschland spielt. Was war die Initialzündung für einen Roman, der in der Zeit Ottos des Großen spielt?
Die Neugier aufs deutsche Mittelalter. Da saß ich eines Tages und überlegte, worüber ich meinen nächsten Roman schreiben wollte, und mir kam in den Sinn, dass ich zwar die Sockenfarbe der Könige des englischen Mittelalters kannte (na ja, in Einzelfällen …), aber über das deutsche Mittelalter bestenfalls einen groben Überblick hatte. Ungefähr zur selben Zeit fiel mir ein Buch über »Die deutschen Herrscher des Mittelalters« in die Hände, und als ich es las, entdeckte ich so etwa ein potenzielles Romanthema pro Seite. Mit Otto dem Großen habe ich begonnen, weil viele Historiker in seiner Regentschaft den Anfang der deutschen Geschichte im engeren Sinne fest machen. Seine facettenreiche Geschichte konnte ich aber in »Das Haupt der Welt« nicht vollständig erzählen, das hätte jeden Rahmen gesprengt. Darum war für mich immer klar, dass ein zweiter Roman über diese faszinierende Epoche folgen würde, und hier ist er nun.
Wie fühlte es sich an, ins Ottonische Zeitalter zu reisen?
Beschwerlich. Es ist uns noch viel ferner als das Hochmittelalter mit seinen Rittern und Minnesängern und edlen Damen. Das 10. Jahrhundert war eine raue Zeit, und vieles, was wir gerne darüber wüssten, liegt im Nebel. Der Umgang der Menschen miteinander, ihre Werte und ihre Art, Konflikte zu lösen – »zu beseitigen« träfe es wohl besser – ist oft abstoßend aus heutiger Perspektive. Und trotzdem. Es geht eine enorme Faszination von dieser Epoche und ihren Menschen aus. Zwischen all dem Befremdlichen entdecken wir immer wieder Vertrautes und berührend Menschliches, und außerdem entdecken wir im Reich Ottos des Großen die Samenkörner, aus denen das Europa wuchs, welches wir heute bevölkern.
Beschreiben Sie bitte Ihre reale Hauptfigur, Königin Adelheid.
Adelheid war eine klasse Frau, ich war manchmal ganz atemlos vor Bewunderung. Der Begriff der »starken Frauenfigur im historischen Roman« wird ja vielleicht manchmal ein wenig überstrapaziert, aber es ist Fakt, dass Adelheid sich als junge Witwe und Mutter mit neunzehn Jahren buchstäblich mit bloßen Händen einen Weg aus dem Verlies gegraben hat, wo der Mörder ihres Mannes sie eingesperrt hatte. Sie war aber noch mehr als unbeugsam und tatkräftig. Sie war – und das hat mich wohl am meisten interessiert – machtbewusst und fand es kein bisschen anstößig für eine Vertreterin ihres Geschlechts, ins politische Geschehen einzugreifen. Otto verdankte seine Kaiserkrone nicht zuletzt ihrer klugen Politik und das wusste er selbst ganz genau: Auf seinen Wunsch hin wurde Adelheid mit ihm zur Kaiserin gekrönt.
Und wie würden Sie Ihre fiktive Hauptfigur charakterisieren, den Panzerreiter Gaidemar?
Gaidemar ist ein Bastard und in der Obhut pflichtbewusster, aber liebloser Pflegeeltern aufgewachsen. Den Makel seiner unehelichen Geburt und die Ungewissheit über seine Herkunft trägt er wie eine Last auf den Schultern. Seine Identität findet er in seiner Rolle als Panzerreiter, bis er als Folge einer Intrige auch das verliert. Durch seine Begegnung mit Adelheid und die Horizonte, die sie ihm eröffnet, erfindet er sich nach und nach neu und lernt, dass auch der tapferste und raubeinigste Panzerreiter irgendwann den Mut finden muss, seinen Panzer einmal abzulegen.
Welche Nebenfigur hat Sie in DFK besonders fasziniert?
Prinz Liudolf, Ottos erwachsener Sohn aus erster Ehe. Er war in gewisser Weise eine tragische Figur, denn sein Vater hat ihm nie viel zugetraut, und als der König Adelheid heiratete und neue Prinzen zur Welt kamen, sah Liudolf seine Position so bedroht, dass er gegen den übermächtigen Vater rebellierte. Damit ist er gründlich auf die Nase gefallen, aber er ist wieder aufgestanden und hat weiter an sich geglaubt. Das hat mir besonders an Liudolf gefallen.
Welcher Figur im neuen Roman gehört Ihr Herz am meisten?
Gaidemar.
Was haben Sie durch die Arbeit an »Die fremde Königin« gelernt, was sie vorher nicht schon wussten?
Oh, jede Menge. Die Entdeckung kleiner Details finde ich immer besonders spannend, zum Beispiel, dass Soldaten sich eine Zwiebel des Bergknoblauchs – Allermannsharnisch genannt – unter den Gürtel steckten, um sich vor Verwundungen in der Schlacht zu schützen, oder dass der Gesandte des Kalifen von Cordoba Löwen und Kamele als Geschenke mit an Ottos Hof brachte, oder dass Otto pausenlos im Schlaf gesprochen hat. Solche Einblicke in die Lebenswelt meiner Figuren machen diese Menschen in meiner Vorstellung real, und das wiederum erleichtert es mir, sie als glaubwürdige und echte Personen zu schildern.
Wie recherchieren Sie?
Ich lese zeitgenössische Quellen und historische Fachliteratur.
Ist es für Sie wichtig, die Schauplätze Ihrer Romane zu besuchen? Und wenn ja, wann reisen Sie dorthin – vorm Schreiben, um sich inspirieren zu lassen, oder hinterher, um zu überprüfen?
Recherche vor Ort finde ich für beide Zwecke wichtig. Ich mache meine Recherchereise meistens, wenn der Roman so ungefähr zur Hälfte fertig ist, um meine geografischen oder topografischen Schilderungen zu überprüfen, aber eben auch, um die entsprechende Landschaft auf mich wirken zu lassen. Aus dem 10. Jahrhundert sind nur sehr wenige Bauwerke erhalten, und selbst Landschaften haben sich teilweise stark verändert. Trotzdem, in Mainz am Rheinufer zu stehen und mir vorzustellen, dass Gaidemar an derselben Stelle gestanden und die gleichen bizarren Wolken am Himmel beobachtet haben könnte, bringt mich meinen Figuren und meiner Geschichte näher.
Unterscheidet sich die Recherche im eigenen Land von der Recherche Ihrer in England angesiedelten Romane?
Eigentlich nicht. Das Wetter war genauso abwechslungsreich. Nur konnte ich die Menschen teilweise schlechter verstehen, weil die Reise auch nach Bayern führte – landschaftlich wundervoll, sprachlich für mich als Rheinländerin eine Herausforderung. Dafür fuhren aber die Autos auf der richtigen Straßenseite.
Sie schreiben seit 20 Jahren historische Romane. Wie hat sich die Recherche in diesen zwei Jahrzehnten verändert? (Google Earth und Co?)
Natürlich hat das Internet die Methoden der Recherche revolutioniert. Google Earth ersetzt keine Recherchereise, ist aber trotzdem oft eine große Hilfe, zum Beispiel beim Ermitteln von Entfernungen. Und die Websites von Universitäten rund um den Globus und historische Blogs sind wahre Fundgruben.
Was ist besser, was ist schlechter geworden?
Besser ist der Zugang zu Informationen und zu einem weltweiten antiquarischen Buchmarkt, der das Schreckgespenst Fernleihe (erst wartet man wochenlang auf das Buch, dann muss man es zurückgeben, wenn man es am dringendsten braucht …) weitgehend gebannt hat. Schlechter geworden ist die Zuverlässigkeit der Informationen, die man findet. Denn dem Internet darf man ja nichts glauben, ohne es zu überprüfen, und das erweist sich manchmal als schwierig.
Wie gelingt es Ihnen, Fakten und Fiktion so wunderbar zu verschmelzen?
Wenn ich den Hergang einer historischen Begebenheit nachlese, entdecke ich darin Türen, durch welche meine fiktiven Figuren und meine erfundene Geschichte sich in die historischen Ereignisse einschleichen können. Zum Beispiel: Ein Chronist schreibt, dass Adelheid während ihrer Gefangenschaft eine geheimnisvolle Botschaft erhielt, wie sie aus dem Verlies entkommen könnte. Aber wer der Bote war, bleibt im Dunkeln. Das ist die Tür, durch welche Gaidemar die Bühne betritt. Damit ist der Kontakt zwischen Historie und Fiktion hergestellt und entwickelt sich ganz natürlich weiter, indem Gaidemar als Adelheids Begleiter, Leibwächter, später als ihr Vertrauter die historischen Ereignisse erlebt, die der Roman erzählt, und die wiederum Einfluss auf Gaidemars persönliche Geschichte nehmen.
Wo erlauben Sie sich als Schriftstellerin dichterische Freiheit bei Ihren realen Personen?
Niemals, indem ich sie irgendetwas tun lasse, das den bekannten Fakten widerspricht. Trotzdem »erfinde« ich meine historischen Figuren, dichte ihnen Gefühle und Charaktereigenschaften an, denn ansonsten wären sie ja so leblos wie Marmorstatuen. Wir wissen zwar, dass Adelheid und Otto geheiratet haben und (mindestens) vier Kinder bekamen, von denen zwei starben. Wir wissen hingegen nicht, ob sie sich gemocht oder sogar geliebt haben, wie ihr persönliches und politisches Leben aussah, wie sie den Tod ihrer Kinder betrauerten. All das muss ich aber erzählen – also erfinden – damit die Figuren interessant werden.
Wie schwierig ist es, sich in seine Figuren hineinzuversetzen?
Das fällt mir relativ leicht, denn in dem Moment, da ich von diesen Figuren erzähle, sind sie für mich reale Menschen, in die ich hineinschauen kann. Schwierig ist es manchmal, über die Kluft von Hunderten von Jahren hinweg zu begreifen und nachzuempfinden, warum Menschen bestimmte Dinge getan haben, warum zum Beispiel Otto – eigentlich ein maßvoller Mensch, der nicht zu Gewaltexzessen neigte – nach der Schlacht an der Recknitz seine 700 Gefangenen abschlachten ließ. Das war strategisch sinnlos, politisch unklug und aus heutiger Sicht unmöglich zu rechtfertigen. Damit tue ich mich dann gelegentlich schwer. Aber es hat ja auch niemand behauptet, Schriftstellerei sei ein leichter Beruf …
Wie gehen Sie mit den gewaltigen Stoffen der jeweiligen Epochen um, im neuen Buch konkret mit dem Ottonischen Zeitalter?
Die Stoffmenge ist schon manchmal ein bisschen beängstigend. Ich nutze die Biografien meiner Figuren, um den Zeitabschnitt und die Schwerpunkte dessen, was ich erzählen will, auszuloten. Ihre Lebenswege sind immer mein roter Faden im Labyrinth der Historie.
Was ist Ihr innerer Antrieb historische Romane zu schreiben?
Meine unstillbare Neugier auf die Vergangenheit. Es ist wohl eine persönliche Neigung. Andere Kollegen schauen in die Sterne und fragen sich, wie es wäre, fremde Galaxien zu erkunden. Diese Kollegen schreiben Science-Fiction. Ich sehe eine Burgruine auf einem Bergrücken und frage mich, was die Steinmetze zu Mittag gegessen haben und was die leibeigenen Bauern wohl davon gehalten haben, all die Steine auf den Berg schleppen zu müssen, statt ihre Ernte einzubringen. Wenn ich aber in die Sterne schaue, denke ich: »Ja, sehr hübsch«, und sonst nichts.
Ihre Romane sind auch geprägt durch starke Frauenfiguren in einer von Männern dominierten Welt. Wunschdenken oder Anliegen oder dichterische Möglichkeit?
Keins von den dreien. Ich behaupte, dass es jede Frauenfigur, von der ich erzählt habe, genauso gegeben hat bzw. haben könnte. »Die fremde Königin« ist allerdings erst mein zweiter Roman mit einer historischen Hauptfigur weiblichen Geschlechts, und meine erfundenen Hauptfiguren sind immer Männer. Denn von ein paar Ausnahmen abgesehen – zu denen auch Adelheid zählt – waren es eben die Männer, die agierten, Frauen, die reagierten. Macht wurde von Männern ausgeübt, Politik und Gesellschaft von Männern bestimmt. Den »starkenFrauen« blieb meist nur die Rolle der Löwenbändigerin – in meinen Romanen ebenso wie in der vergangenen Wirklichkeit.
Gibt es ein generelles Thema, das sich durch Ihr Werk zieht?
Ich glaube nicht.
Gehen Sie als Schriftstellerin historische Themen anders an als Ihre männlichen Kollegen?
Aber klar. Ich recherchiere gründlicher und schreibe besser … Nein, nein, im Ernst: Es gibt ja eine große Bandbreite historischer Romane. Zum Beispiel solche, in denen sich Gemetzel an Gemetzel reiht, sonst zwischenmenschlich aber wenig passiert. Die werden tendenziell eher von Männern geschrieben. Oder es gibt die Schmonzetten im historischen Kostüm, die mehrheitlich von Frauen geschrieben werden. Das weite Feld dazwischen, vom historischen Kunstroman bis zum akribisch recherchierten und intelligent erzählten historischen Unterhaltungsroman, wird von Autorinnen und Autoren gleichermaßen und mit ähnlichen Herangehensweisen bestellt.
Wenn eine gute Fee Ihnen einen Tag Zeitreise schenken würde, wohin würden Sie reisen?
Wirklich nur einen Tag? Hach, da fällt die Wahl schwer. Aber momentan wohl auf das Lechfeld unweit von Augsburg, an einem schwülheißen Sommertag des Jahres 955, dem 10. August. Dort siegten nämlich Otto der Große und das deutsche Heer über die gefürchteten ungarischen Reiterkrieger, die ihnen zahlenmäßig haushoch überlegen waren, womöglich gar 10 : 1. Aber niemand weiß, warum und wie Otto die Schlacht gewinnen konnte, es gibt nur Theorien. Ich würde gern zuschauen, um es herauszufinden, auch wenn es wahrscheinlich ein ganz schön schauriger Tag wäre.
Wie finden Sie Ihre Themen?
Ich glaube, es ist andersherum, meine Themen finden mich. Immer wieder passiert es mir, dass ich in einem Buch, einer Fernsehdoku oder während einer Reise auf ein Ereignis oder eine Person treffe, die meine Neugier wecken und einfach nicht mehr aufhören wollen, meine Gedanken zu beschäftigen. So wie z.B. die neunzehnjährige gefangene Königin Adelheid, die sich einen Weg in die Freiheit grub. Wer war diese Frau?, wollte ich wissen. »Die fremde Königin« ist das Ergebnis meiner Spurensuche.
Was passiert, wenn eine Idee zu einem neuen Roman heranreift: Setzen Sie sich hin und schreiben direkt los oder erstellen Sie zunächst ein Handlungs- und Personenregister?
Zuerst mache ich eine Recherche, beschaffe mir Literatur zu der Figur und der Epoche, über die ich schreiben will, und lese. So ein, zwei Monate lang. Während ich ein klareres Bild von meinem Thema bekomme, stellen sich erste Ideen zu Figuren und Handlung ein, die ich sofort aufschreibe, damit ich sie am nächsten Tag nicht wieder vergessen habe. Wenn die erste Recherchephase abgeschlossen ist, entwickele ich meine Figuren – fiktive wie historische – und schreibe für jede ein Dossier, vermutlich so ähnlich wie die, welche die NSA von uns allen anlegt: umfangreiche Biografie, äußere Erscheinung, Psychogramm und so weiter. Parallel dazu entsteht das Handlungsgerüst, aber nicht zu detailliert, denn da lasse ich gern Platz für spontane Ideen. Und dann fange ich an zu schreiben.
Inwieweit lassen Sie sich durch Filme oder Bücher beim Schreiben Ihrer Romane beeinflussen?
Überhaupt nicht. Historische Filme sind oft hübsch anzusehen, wimmeln aber meistens von Anachronismen. Historische Romane aus der Epoche, über die ich gerade selber schreibe, lese ich nie. Ich will nicht versehentlich bei einer Kollegin oder einem Kollegen eine Idee klauen, weil ich nach ein paar Wochen vergessen habe, woher sie stammt, und denke, es sei meine eigene. Und ich kann mich auch nicht auf eine Erzählung einlassen, wenn ein Teil meines Gehirns die ganze Zeit denkt: »Wie hat er/sie wohl dieses oder jenes erzählerische Problem gelöst?«
Was ist für Sie als Schriftstellerin ein absolutes Tabu?
Für mich kommt eine absichtliche Verfälschung gesicherter historischer Fakten nicht infrage. Aber »Tabu« ist ein schwergewichtiges Wort und verträgt sich nicht sonderlich gut mit der Schriftstellerei, denke ich. Andere Kolleginnen und Kollegen glauben, dass die Freiheit des Erzählens über gesicherte Fakten hinausgehen muss, und sie haben für ihre Haltung genauso plausible Gründe wie ich für meine.
Wie dürfen wir uns Ihre Arbeitsweise vorstellen? Arbeiten Sie nach einem festen Zeitplan?
Einen festen Zeitplan gibt es nicht, aber der Vormittag ist häufig mehr dem Lesen von Recherchematerial gewidmet, während das Schreiben eher in die zweite Tageshälfte fällt. Wenn es richtig gut läuft, kann es auch schon mal bis in den späten Abend gehen, aber ich schreibe niemals mehr als 10 Seiten am Tag.
Wie belohnen Sie sich, wenn Sie ein Buch beendet haben?
In Stephen Kings Roman »Misery« hat der Schriftsteller Paul Sheldon ein festes Ritual: Er gönnt sich immer ein Glas Champagner und – eigentlich Exraucher – eine Zigarette zur Belohnung für ein fertiges Manuskript. Aber auf dem Weg zur Post mit dem fertigen Werk wird er von seinem größten, leider psychotischen Fan gekidnappt und durchlebt eine Zeit des Grauens. Ich habe diesen Roman Ende der 80er Jahre als unveröffentlichte Hobby-Autorin gelesen und mir geschworen: Selbst, wenn du jemals eine erfolgreiche Schriftstellerin werden solltest, wirst du dir niemals solch ein Belohnungsritual zulegen. Dabei ist es geblieben.
Wer ist Ihr erster Leser, ihre erste Leserin?
Mein erster Testleser ist immer mein Mann. Aber schon lange bevor ich die ersten Worte schreibe, ist er in den Prozess der Recherche, der Ideen- und Figurenentwicklung eingebunden. Es ist eine enorme Bereicherung, über den Stoff und die (historischen) Figuren diskutieren zu können – der Gegenentwurf zum »stillen Kämmerlein«. Dieser Austausch hat mich schon oft inspiriert und zu verblüffenden Einsichten geführt. Außerdem hat mein Mann ein Adlerauge für fragwürdige Zeichensetzung und für Wortwiederholungen – eines jeden Schriftstellers Fluch.
Früher traf ein Schriftsteller seine Leserschaft höchstens bei Lesungen oder auf Buchmessen, heute bekommen Sie unmittelbar und direkt ein Feedback über die sozialen Netzwerke. Wie gehen Sie damit um?
Ich finde das wunderbar. Leserzuschriften per Mail waren schon ein Fortschritt gegenüber dem Brief, denn die Mail war spontaner, schneller und näher am Leseerlebnis. Aber der Austausch in sozialen Medien hat noch einmal eine andere Qualität und wird manchmal zum echten Dialog. Ich empfinde es als großen Gewinn, so nah und unmittelbar mit meiner Leserschaft kommunizieren zu können.
Schriftsteller zu sein war einst ein einsamer Job. Inwieweit haben Facebook, Twitter und Instagram das Alltagsleben der Schriftsteller verändert?
Sie bringen Schreibende und Lesende näher zusammen. Dass ich z.B. mein Publikum nach seiner Meinung zu einem Buchtitel und Umschlagentwurf befragen kann, ist großartig. In praktischer Hinsicht, weil Verlag und Autorin ein Stimmungsbarometer bekommen, um die Vorlieben ihres Zielpublikums abzulesen, aber genauso in persönlicher Hinsicht, denn, wenn ich erlebe, mit wie viel Engagement meine Leserinnen und Leser sich bei solchen Gelegenheiten einbringen, beflügelt mich das regelrecht. Die sozialen Netzwerke bringen aber auch Schreibende und Schreibende näher zusammen, was genauso wichtig ist. Es findet ein reger Austausch über alle möglichen Themen rund ums Schreiben statt, berufsrelevante Artikel werden geteilt usw. Das Schreiben selbst ist trotzdem immer noch ein einsamer Job, vor allem, wenn man vor schwierigen Entscheidungen steht – aber die Entscheidung aufzuschieben und stattdessen ein wenig auf Facebook herumzutrödeln, kann sehr tröstlich sein.
Sie haben langjährige Kontakte zu Ihrer Leserschaft. Wie sieht für Sie der typische Leser/die typische Leserin Ihrer historischen Romane aus?
Ihn oder sie gibt es nicht. Laut Facebook-Statistik sind etwa 40% meiner Leser unter 35, der Rest etwas reifer an Jahren, 69% weiblich und 31% männlich. Natürlich sind die Nutzer sozialer Netzwerke nicht repräsentativ für die gesamte Leserschaft, aber diese Zahlen sind ein Indiz für eine heterogene Leserschaft. Und ich freue mich darüber sehr, weil es mein Anliegen ist, Historie so zu erzählen, dass sie für männliche und weibliche Leser, für solche mit und ohne historische Vorkenntnisse gleichermaßen interessant ist.
Stellen Sie sich vor, »Die fremde Königin« würde verfilmt. Welche Schauspielerinnen und Schauspieler wären Ihre Wunschkandidaten?
Daisy Ridley als Adelheid, Richard Armitage als Gaidemar und Mads Mikkelsen als Otto.
Manche Autoren haben Fotos von Schauspielern oder Porträts beim Schreiben als Inspiration in ihrem Büro aufgehängt. Visualisieren Sie Ihre handelnden Personen?
Ich habe damit experimentiert, weil ich neugierig geworden war, nachdem ich mit Kolleginnen und Kollegen darüber diskutiert hatte. Ich habe aber festgestellt, dass es meine Phantasie in ein unangenehmes Korsett zwängt, wenn ich ein zu klares Bild von meinen Figuren habe. Ich visualisiere sie in meinem persönlichen Kopfkino, aber das Bild muss abstrakt bleiben, damit die Figur lebendig werden kann. Eine »fertige« Adelheid mit Daisy Ridley zu besetzen, ist kein Problem. Aber mir zu Beginn ein Foto von Daisy Ridley auf den Bildschirm zu holen und zu sagen: »So soll meine Version von Adelheid aussehen« – das blockiert mich komplett, denn diese Adelheid würde immer eine Unbekannte für mich bleiben.
Wie verhält es sich bei Ihnen mit dem berühmten 1. Satz?
Mein erster Satz ist immer eine wörtliche Rede. Das hat einen abergläubischen Grund: Bei »Das Lächeln der Fortuna« habe ich es so gemacht, und da hat es sich bewährt. Darum bin ich dabeigeblieben. Es hat aber auch einen erzähltechnischen Grund, denn eine wörtliche Rede ist gut dazu geeignet, die Leser mitten ins Geschehen zu transportieren. Und »mitten im Geschehen« ist genau, wo ich meine Leser zu Beginn eines Romans haben möchte. Natürlich ist der erste Satz so eminent wichtig, dass man sich ewig den Kopf darüber zerbrechen könnte und Gefahr läuft, niemals anzufangen. Ich überliste mich da selbst und sage mir: »Los, komm, schreib den, der gerade dein Favorit ist. Du kannst ihn ja später noch ändern.« Das habe ich aber sonderbarerweise noch nie getan.
Was ist Ihr Erfolgsrezept?
Billy Wilder hatte ein Schild mit seinem obersten Gebot über dem Schreibtisch hängen: »Thou shalt not bore« – Du sollst nicht langweilen. Ich habe diesen Satz als Bildschirmschoner. Im historischen Roman nicht zu langweilen, heißt: niemals schulmeisterlich über die Vergangenheit zu erzählen, keine historischen Fakten um ihrer selbst willen in den Roman zu schmuggeln, wenn sie keine Bedeutung für die Handlung haben, und vor allem die Menschen aus der Vergangenheit als echte und glaubwürdige Persönlichkeiten zu schildern, mit denen die Leserschaft sich identifizieren kann.
Wie sollte ein perfekter Roman enden?
Mit einem Happy End. Ich bin eine entschiedene Verfechterin des glücklichen Romanendes, weil das wahre Leben oft schon bitter genug ist. Aber es darf kein zuckersüßes Ende sein, ein paar Fragen sollten schon offen bleiben, damit der Leser und die Leserin noch ein wenig in der Geschichte verweilen und wünschen, das Buche wäre ein bisschen länger gewesen.
Über welche historische Figur würden Sie gerne schreiben, wer reizt Sie?
Für meine nächsten zwei bis drei Romane habe ich konkrete Pläne und weiß deswegen auch schon, wer die historischen Hauptfiguren sein sollen, aber darüber möchte ich jetzt noch nichts verraten.
Vor 20 Jahren wurde mit »Das Lächeln der Fortuna« der Grundstein für die erfolgreiche, mittlerweile 5-bändige Romanreihe um die englische fiktive Familie Waringham gelegt. Könnten Sie sich für ihre deutschen historischen Romane eine ähnlich lange Erscheinungszeit vorstellen?
Auf jeden Fall. Momentan beschäftigen mich andere Themen, aber wenn zum Beispiel Adelheids illustre Schwiegertochter Theophanu eines Tages in meinem Kopf vorstellig wird und sagt: «Hallo, ich bin ein Romanstoff und habe dich gefunden«, werde ich sie nicht hinauswerfen.
Sie haben mit dem Schreiben von Kriminalromanen begonnen. Hätten Sie sich 1997 vorstellen können, dass Sie für so lange Zeit dem Krimigenre fernbleiben?
Na ja, genau genommen habe ich nach 1997 noch zwei Kriminalromane geschrieben, aber eigentlich war mir zu der Zeit schon klar, dass ich mit dem historischen Roman so etwas wie meine literarische Heimat gefunden hatte.
Könnten Sie sich vorstellen, nach all den Erfolgen im historischen Roman, irgendwann das Genre wieder zu wechseln?
Auf jeden Fall. Ich liebäugele schon lange damit, einen oder vielleicht sogar eine Serie historischer Kriminalromane zu schreiben, also beide Genres miteinander zu verbinden. Und einen Schauerroman will ich auch unbedingt noch schreiben.
Die Presse überhäuft Sie mit hymnischen Besprechungen und vielen Superlativen. Empfinden Sie das beim Schreiben eines neuen Romans als Bürde oder als Ansporn?
Während des Schreibens denke ich eigentlich überhaupt nicht an die etwaige Resonanz auf den Roman, an dem ich gerade arbeite. Ich setze mir quasi Scheuklappen auf, um die reale Welt auszusperren, und konzentriere mich nur darauf, mir selbst eine möglichst gute Geschichte zu erzählen. Aber generell gilt natürlich, dass Erfolg zu Erwartungsdruck führt, nicht zuletzt dem Erwartungsdruck, den ich mir selbst mache. Das gehört halt dazu. Augen auf bei der Berufswahl.
Arbeiten Sie bereits an einem neuen Projekt? Und wenn ja, wo geht die Reise hin?
Nach Waringham.