Dr. Michael Greger - Autor
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Dr. Michael Greger

Dr. Michael Greger, geb 1972, ist Arzt, Bestsellerautor und international anerkannter Referent für Ernährung, Lebensmittelsicherheit und Gesundheit. Er hat auf der Konferenz über Weltfragen referiert, vor dem Kongress ausgesagt und wurde als Sachverständiger zur Verteidigung von Oprah Winfrey in den berüchtigten Prozess der "Fleischdiffamierung" eingeladen. Gregers erstes Buch How Not to Die wurde sofort nach Erscheinen zum New York Times-Bestseller. Auf seiner Webseite NutritionFacts.org finden sich täglich neue Filme und Beiträge zu Gesundheitsthemen. Alle Einnahmen aus seinen Buch- und DVD-Verkäufen sowie seinen Vorträgen spendet Greger für wohltätige Zwecke.

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Interview

"Ich wollte, dass es endlich ein faktenbasiertes Diätbuch gibt." | 24.04.2020

Was war Ihre Motivation, das Buch zu schreiben? Wie wurde Ihnen klar, dass es da einen echten Bedarf gibt, aber noch keine richtige Hilfestellung? Dick zu sein ist kein moralisches Versagen. Der Kampf gegen den Bauch ist ein Kampf gegen die Biologie. Wir leben in einer toxischen Lebensmittelumgebung...

Was war Ihre Motivation, das Buch zu schreiben? Wie wurde Ihnen klar, dass es da einen echten Bedarf gibt, aber noch keine richtige Hilfestellung?
Dick zu sein ist kein moralisches Versagen. Der Kampf gegen den Bauch ist ein Kampf gegen die Biologie. Wir leben in einer toxischen Lebensmittelumgebung, ertrinken geradezu in einem Meer von überschüssigen Kalorien – und werden gleichzeitig mit Werbung für Fastfood und Süßigkeiten bombardiert. Übergewicht ist eine normale, natürliche Reaktion auf die abnorme, unnatürliche Allgegenwärtigkeit zuckerhaltiger und fetthaltiger Lebensmittel.
Und wo soll man Hilfe finden?
Es gibt so viel ernährungswissenschaftlichen Unsinn, der von der Diätindustrie fabriziert wird. Wir werden mit einer endlosen Parade von Schnellreparatur-Moden gefüttert, die sich immer aufs Neue verkaufen, weil sie immer scheitern.
Ich wollte, dass es endlich ein faktenbasiertes Diätbuch gibt. Ich zitiere in HOW NOT TO DIET Tausende von Studien, in denen alle möglichen Tipps, Tricks und Techniken untersucht wurden, um Fett loszuwerden. So biete ich meinen Lesern alle Möglichkeiten, um den besten Weg zur Gewichtsabnahme zu finden – egal ob jemand krankhaft fettleibig ist, nur übergewichtig wie der Durchschnittsmensch oder bereits das Idealgewicht erreicht hat, und es halten möchte.
Sie schreiben in HOW NOT TO DIET, dass Sie Diätbücher hassen. Warum?
In Diätbüchern ist es allzu oft so, dass nur ein paar Fakten herausgepickt werden, um eine bestimmte Theorie zu belegen. Alle anderen Fakten werden ignoriert. Das ist aber das Gegenteil von Wissenschaft: zuerst kommen die Beweise, dann die Schlussfolgerung, nicht umgekehrt. HOW NOT TO DIET hat mit den Diäten, wie wir sie kennen nichts zu tun. Diäten funktionieren per Definition nicht. Eine Diät zu machen bedeutet, dass Sie irgendwann von der Diät abweichen werden. Kurzfristige Lösungen sind langfristigen Problemen nicht gewachsen. Es kommt nicht darauf an, was Sie heute oder morgen oder nächste Woche essen, sondern darauf, was Sie in den nächsten Monaten, Jahren und Jahrzehnten essen.
Sie und Ihr Team durchkämmen jedes Jahr Zehntausende von Studien und veröffentlichen die Forschungsergebnisse auf Ihrer Website NutritionFacts.org. Sie reichern wissenschaftliche Fakten mit unterhaltsamen Episoden und spannenden Zusatzinformationen an. Wie sieht Ihre Arbeit aus?
Die Ernährungsindustrie ist wie der Wilde Westen. Man kann sich nicht einmal auf die wissenschaftliche Fachliteratur verlassen. Um die Wahrheit herauszufinden, muss man also die Originalstudien selbst lesen, anstatt einem Rezensenten zu vertrauen. Aber wer hat bitte Zeit für so etwas? Sogar Wissenschaftler können wahrscheinlich nur ihr eigenes, eng begrenztes Fachgebiet im Auge behalten.
Wir arbeiten im Team und beschäftigen uns viel mit »einfachen« Fragen – zum Beispiel, ob man frühstücken soll oder nicht oder ob man vor oder nach den Mahlzeiten Sport treiben soll. Sogar solche Fragen wurden zu Großprojekten. Ein praktizierender Arzt hätte allein keine Chance, das alles zu bewältigen.
Ich wollte vor allem all diese wissenschaftlichen Ergebnisse so knapp wie möglich zusammenfassen. Bei unserer Arbeit sind wir außerdem auf etliche Erkenntnisse gestoßen, von denen man nie wirklich gehört hat, zum Beispiel von einfachen Gewürzen als preiswerte Abnehmbeschleuniger. Ihre Wirkung wurde in Doppelblindstudien bewiesen. Aber weil man mit diesen Gewürzen nicht besonders viel Geld verdient, ist es kein Wunder, dass diese Studien vorher nie ans Licht gekommen sind.
Brot oder Nudeln? Bier oder Wein? Tee oder Kaffee? Sind das leichte Entscheidungen für Sie?
Ich betrachte das Essen als eine Herausforderung. Es ist ein Spiel. Wie kann ich maximieren, was das Beste für mich ist, und minimieren (oder sogar eliminieren), was nachweislich schlecht für mich ist? Wenn ich vor einer Wahl stehe, wie Brot oder Nudeln, denke ich darüber nach, was mir mehr gibt. Nudeln, in diesem Fall vor allem Vollkornnudeln, wären meine Wahl, weil ihre kompakte Struktur die Verdauung verlangsamt. Noch besser sind jedoch Nudeln aus Gemüse, wie spiralförmige geschälte Zucchini und Spaghetti aus Butternut-Kürbis.
Was können Sie uns über das »Fett-Gen« sagen? Ist es für manche Menschen schwieriger, ein gesundes Gewicht zu halten?
Wenn es um Übergewicht geht, sind Ihre Gene nichts im Vergleich zu Ihrer Gabel. Der sowieso schon geringe Einfluss dieses bestimmten Gens scheint bei körperlich aktiven Menschen noch geringer zu sein, und bei solchen, die gesund essen, ganz wegzufallen. Es sieht aus, als wirke das »Fett-Gen« nur, wenn man viele gesättigte Fette isst (die kommen hauptsachlich in Milchprodukten, Fleisch und Junkfood vor). Wer sich gesund ernährt, wird nicht eher dick als andere, nicht einmal dann, wenn er das »Fett-Gen« von beiden Elternteilen geerbt hat.
Fettleibigkeit kann allerdings tatsächlich in der Familie liegen – falsches Essen aber übrigens auch. Kinder, die bei zwei übergewichtigen biologischen Elternteilen aufwachsen, haben ein um 27 Prozent höheres Risiko, selbst zu dick zu werden. Bei adoptierten Kindern mit zwei übergewichtigen Adoptiveltern sind es 21 Prozent. Die Studie zeigt, dass das Umfeld der Kinder wichtiger ist als ihre DNA.
Sie beginnen Ihren Tag mit einer Schüssel BROL. Was ist das und wozu ist es gut?
Das Wichtigste, was wir tun können, um das Wachstum guter Darmbakterien zu fördern, ist, sie mit ihren Lieblingsnahrungsmitteln – den Ballaststoffen und der resistenten Stärke, die in Vollkorngetreide und Hülsenfrüchten stecken – zu füttern. BROL ist englisch für Gerste, Roggen, Hafer und Linsen. Diese Vier mische ich in dem unkreativen Verhältnis 1:1:1:1 und koche sie dann in einem elektrischen Schnellkochtopf – eine Kelle BROL und zwei Kellen Wasser. Je nach Lust und Laune garniere ich mein BROL mit Gemüse und Pilzen oder ich mache es süß, mit gefrorenen, dunklen Kirschen, Kakaopulver, Datteln und Walnüssen, was dann schmeckt wie Kirschen in Schokolade. Der Weg zur Gesundheit führt durch einen zufriedenen Darm!
Neulich stieß ich auf einen Witz im Zusammenhang mit Corona: »Wie lange sind Sie schon in Quarantäne?« Antwort: »Zehn Kilo.« Was ist Ihr Rat für uns alle in der gegenwärtigen Situation?
Jede Störung unseres Alltags ist stressig genug, aber wenn diese Störung durch eine globale Pandemie verursacht wird, können wir uns leicht überfordert fühlen. Langeweile, Frust oder gar Angstzustände – all dies kann zu übermäßigem Essen und sogar Fressanfällen führen.
Obwohl einige Menschen bei Stress weniger essen, nehmen die meisten nicht nur mehr zu sich, sondern greifen auch eher zu süßen, fettigen und kalorienreichen Lebensmitteln. Man kann die akute Wirkung von Stress im Labor nachweisen. Legt man Probanden lösbare und unlösbare Worträtsel vor, greifen sie in der Stresssituation statt nach dem gesunden Snack (Trauben) nach einem weniger gesunden (M&Ms). Es heißt nicht umsonst Wohlfühlessen. Zu viel zu futtern, kann ein Zeichen dafür sein, dass uns etwas auffrisst.
Aber wenn es an der Zeit ist, ein Essen vorzubereiten, dann betrachten Sie es als eine Gelegenheit, sich selbst etwas Gutes zu tun. Nutzen Sie #stayathome und kochen Sie sich leckeres und gesundes Essen – Ihr Immunsystem wird es Ihnen danken und die zusätzlichen Kilo sind ruckzuck wieder weg.
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