Nora Wunderwald - Autor
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Autorin

Nora Wunderwald

Nora Wunderwald, 1997 geboren, betreibt seit 2012 einen YouTube-Kanal. Mit BewusstSchein e.V. entwickelte sie den Social Media Führerschein. Sie hat einen Bachelor in Kommunikations- und Literaturwissenschaft, lebt und arbeitet in Wien.

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Interview

Nora Wunderwald und Lea Sophie Grünzinger im Interview zu ihrem neuen Sachbuch "On & Off" | 30.10.2023

Nora und Lea, ihr habt zusammen das neue Sachbuch „On & Off“ zum achtsamen Umgang mit Social Media geschrieben. Warum liegt euch dieses Thema so am Herzen?Lea: Für mich persönlich begann die Auseinandersetzung mit meinem eigenen Social-Media-Verhalten in meinen jungen Erwachsenenjahren, nachdem ...

Nora und Lea, ihr habt zusammen das neue Sachbuch „On & Off“ zum achtsamen Umgang mit Social Media geschrieben. Warum liegt euch dieses Thema so am Herzen?
Lea: Für mich persönlich begann die Auseinandersetzung mit meinem eigenen Social-Media-Verhalten in meinen jungen Erwachsenenjahren, nachdem ich jahrelang den Verlockungen der glitzernden Internet-Welt erlegen war. Mit meiner eigenen Reflexion begann ich ähnliche Verhaltensweisen in alltäglichen Situationen auch bei anderen Menschen zu sehen. Es fällt mir auf, wie viele Leute in der U-Bahn, im Café, ja eigentlich überall, geradezu in ihren Smartphones versinken. Sie durchscrollen Instagram, beantworten Nachrichten, bearbeiten Bilder – und das ohne aufzublicken und die Welt um sie herum wahrzunehmen. Ich sehe Freund:innen, die anstatt miteinander zu sprechen, in ihre Smartphones vertieft sind, oder Eltern, die nicht einmal bemerken, wenn ihr Kind ihnen etwas zeigen möchte. Diese kleinen Geräte bestimmen unser Leben, wodurch wir kostbare Momente und die Welt um uns herum verpassen.
Nora: Nachdem ich meine ganze Jugend auf Social Media verbracht habe, habe ich als junge Erwachsene gemerkt, dass mir mein Umgang damit häufig eher geschadet, als gutgetan hat. Ich habe stundenlang nur gescrollt, ich bin Menschen gefolgt, durch die ich mich schlecht gefühlt habe, ich habe Dinge gepostet, die ich besser für mich hätte behalten sollen. Mit dem Buch wollten wir unserer Generation zeigen: das geht auch anders. Social Media kann auch so konsumiert werden, dass es Spaß macht!

Ihr schreibt, dass ihr den Umgang mit Social Media grundlegend verändern wollt. Was meint ihr damit?

Lea: Die sozialen Medien waren ein Ort, an dem wir uns mit Personen aus der ganzen Welt vernetzen konnten – es ging um die Verbindung zwischen Menschen. Doch in den letzten Jahren scheint es mir, als ob wir eher mit den Plattformen selbst verbunden sind. Wir haben die ursprüngliche Idee von Social Media dabei vergessen. Das Internet und unsere Smartphones sollten unser tägliches Leben erleichtern, uns bei Aufgaben unterstützen und uns dabei helfen, unsere persönlichen Ziele zu erreichen.
Aktuell habe ich den Eindruck, dass sie uns bei deren Erreichung eher im Weg stehen. Deswegen glaube ich, dass es notwendig ist, unser Verhältnis zu Technologie, besonders mit Blick auf zukünftige Entwicklungen, neu zu justieren. Wir müssen grundlegende Werte definieren und festhalten, die für uns als Individuen und als Gesellschaft von Bedeutung sind. So können wir sicherstellen, dass diese Technologien wirklich uns dienen, und nicht umgekehrt.
Nora: Wir wollen, dass jede Person Social Media zu ihrem Vorteil nutzt und so, dass es ihr guttut. Dazu gehören ein Grundwissen über die Mechanismen hinter den Plattformen, die stetige Selbstreflexion und die Kommunikation mit anderen über die eigenen Erfahrungen. Social Media ist immer im Wandel. Und wir sollten darüber im Austausch bleiben, was es mit uns macht.

Ihr habt mit BewusstSchein e.V. einen gemeinnützigen Verein gegründet, der Kindern und Jugendlichen den bewussten Umgang mit den sozialen Medien näherbringt. Wie funktioniert der BewusstSchein und wie ist daraus dieses Buch entstanden?
Lea: Unser Verein BewusstSchein e.V. entstand aus dem Wunsch, die heranwachsende Generation von jungen Menschen von Anfang an, also während ihres Heranwachsens, bei der Nutzung sozialer Medien zu begleiten. In unseren medienpädagogischen Workshops, die wir an Schulen und anderen
Bildungsinstitutionen durchführen teilen wir nicht nur unsere eigenen Erfahrungen im Umgang mit Social Media, sondern ermutigen auch die Teilnehmenden zu einem offenen Austausch. Unsere Erfahrungen und Erkenntnisse aus BewusstSchein haben uns dazu inspiriert, dieses Buch zu schreiben. Wir wollten die breitere Öffentlichkeit erreichen und unsere Gedanken, Erlebnisse und Einsichten über den bewussten Umgang mit sozialen Medien teilen, um einen positiven Einfluss auf die digitale Welt und das Leben junger Menschen zu nehmen.
Nora: Unsere Arbeit mit BewusstSchein und die Vision dahinter findet bei den meisten Menschen, mit denen wir sprechen, Zuspruch. So ergab es sich, dass jemand aus unserem Umfeld damals mit einem Freund sprach, der zufällig bei einer Literaturagentur arbeitete. Dieser glaubte direkt an uns, und meinte, wir sollten ein Buch über das Thema schreiben. Die Chance, noch mehr Menschen für einen bewussten Social-Media-Konsum zu sensibilisieren, haben wir natürlich genutzt. Ein eigenes Buch zu schreiben war am Ende auch ein Traum von uns beiden, der in Erfüllung ging.
Ihr schreibt viel von euren persönlichen Erfahrungen. Warum war es euch wichtig, für dieses Projekt eure private Perspektive zugänglich zu machen?

Lea: Ich glaube, dass Noras und meine Erfahrungen mit sozialen Medien sich im Grunde nicht stark von den Erfahrungen unserer Leser:innen unterscheiden. Durch die Einbeziehung unserer individuellen Perspektiven, möchten wir eine Art Spiegel schaffen. Wir wollen, dass sich die Menschen in unseren Geschichten und Gedanken wiedererkennen, und wir hoffen, dass unsere persönlichen Erfahrungen dazu anregen, über die eigene Beziehung zu sozialen Medien nachzudenken und sie zu hinterfragen.
Nora: Ich denke, dass viele andere junge Menschen sich in unseren Geschichten wiedererkennen und sich damit identifizieren können. Sich verstanden zu fühlen, ist ein Wunsch, den viele in unserer Generation haben. Doch die Erfahrungen, die wir mit und durch Social Media machen, sind häufig kein Thema im öffentlichen Diskurs oder in privaten Gesprächen. Oftmals wissen wir gar nicht, wie sehr Social Media unser Denken, Fühlen und Handeln eigentlich beeinflusst – bis wir auf andere stoßen, denen es genauso geht. Mit unserem Buch wollen wir zeigen: Wir alle sind hin- und hergerissen zwischen der Online- und Offline-Welt.
Ihr habt euch sogar online kennengelernt. Haben eure Erfahrungen der digitalen Zusammenarbeit euer Buch auch inhaltlich geprägt?

Lea: Absolut, die Tatsache, dass ich Nora über soziale Medien kennengelernt habe, hat mir persönlich gezeigt, dass diese Plattformen auch eine Menge Vorteile bieten können. Es ist ein Beispiel dafür, wie sie Beziehungen und Zusammenarbeit ermöglichen, die ohne sie vielleicht nicht zustande gekommen wären. Diese Erfahrung hat sicherlich unsere Sichtweise auf soziale Medien beeinflusst und zeigt, dass es nicht nur Negatives gibt, sondern auch positive Aspekte, die es zu berücksichtigen gilt.
Nora: Lea und ich sind das perfekte Beispiel dafür, wie Social Media Menschen zusammenbringen kann. Lea hat meine YouTube-Videos geschaut, dann haben wir gemeinsam BewusstSchein gegründet, nachdem ich einen Aufruf dafür gestartet habe – und dann sind wir beste Freund:innen geworden. Erst durch die gemeinsame Auseinandersetzung mit Lea und unserem Team ist mir mein eigener, unbewusster Konsum richtig vor Augen geführt worden. Lea, die, seit wir uns kennen schon immer eher “off” war, hat mir gezeigt, wie schön und voll das Leben auch abseits von Social Media sein kann. Viele dieser Learnings teile ich im Buch.
Insgesamt habt ihr verschiedene Erfahrungen mit und Einstellungen zu Social Media und dem Internet. Wie habt ihr das in einem Buch vereint?

Lea: Soziale Medien sind mittlerweile überall in unserem Leben präsent – sei es auf dem Laufband im Fitnessstudio, im Supermarkt, beim Dating, beim Knüpfen von Freundschaften, beim Lernen oder als Unterhaltungsplattform. Genau so vielfältig wie diese Anwendungsgebiete sind, haben wir auch unser Buch gestaltet. In vielen kleinen Kapiteln versuchen wir, unsere Erfahrungen in verschiedenen Bereichen kurz zu beleuchten und bestimmte Aspekte, die für uns wichtig sind, herauszustellen.
Nora: Lea & ich ergänzen uns sehr gut. Wir sind sozusagen wirklich “On & Off”. Wobei man das natürlich nie ganz verallgemeinern kann, denn in jeder von uns steckt beides. So ähnlich wir uns sind, so verschieden sind auch unsere Erfahrungen mit Social Media, die wir in unserer Jugend und als junge Erwachsene gemacht haben. Im Buch setzen wir unterschiedliche Schwerpunkte, und erzählen aus unterschiedlichen Perspektiven, wie es ist, als digital native aufzuwachsen.
Welche Aspekte des bewussten Umgangs mit Bildschirmzeiten und Online-Zeit fallen euch selbst am leichtesten und am schwersten?

Lea: Ich persönlich finde es vergleichsweise leicht zu erkennen, wann es an der Zeit ist, mein Handy beiseitezulegen, sobald ich genug vom Scrollen habe. Doch in Situationen, in denen ich auf wichtige Nachrichten warte oder mich auf etwas freue, verspüre ich Schwierigkeiten dabei, das Handy aus der Hand zu legen. Ein weiterer Bereich, der mir persönlich schwerfällt, ist der Umgang mit den Idealvorstellungen und dem Druck, den soziale Medien oft vermitteln. Ich spüre diesen ständigen Druck, besser, schneller und erfolgreicher sein zu müssen, und das setzt mich oft unter Stress.
Nora: Ich habe oft das Gefühl, dass das Scrollen auf Instagram oder TikTok mich nach einem anstrengenden Tag entspannen würde. Es vergehen dann oft Stunden, die mich in Wahrheit aber noch mehr aufwühlen, als zur Ruhe bringen. Ich verliere mich leider immer noch zu häufig in den Tiefen der endlosen Feeds – gerade bei TikTok ist es schwierig, ein Ende zu finden. Mir hilft dann meist nur, gar nicht erst auf die App zu gehen. Im Gegensatz zu früher kann ich das aber mittlerweile gut kontrollieren. Diese Art von Kontrolle zu haben, ist ein gutes Gefühl. Denn es schafft mehr Platz in meinem Leben für andere Dinge – vor allem offline.
Lea, du bist Juristin (Univ.). Hat deine rechtswissenschaftliche Expertise auch Anwendung in diesem Sachbuch gefunden?

Lea: Ich denke, mein siebenjähriges Jurastudium hat vor allem meine Denkweise geprägt. Ich habe gelernt, dass es in vielen Fällen keine klaren 'richtig' oder 'falsch' Antworten gibt, sondern dass es oft auf die Abwägung von Vor- und Nachteilen hinausläuft. Und genauso verhält es sich mit sozialen Medien. Sie sind weder von Natur aus besonders gut noch besonders schlecht – sie sind im Grunde neutral. Es kommt darauf an, wie man sie nutzt und welchen Wert man ihnen in seinem Leben zuschreibt. Für einige Menschen können soziale Medien bereichernd sein, für andere können sie toxisch wirken. Diese Perspektive des Abwägens und der Neutralität findet sich definitiv in unserem Buch wieder, ohne dabei mit endlosen Paragraphenketten zu langweilen.
Nora, als YouTuberin und PR-Spezialistin bewegst du dich auch professionell im Internet und besonders auf Social Media. Wie gelingt es dir trotzdem ein Detox von sozialen Netzwerken zu machen oder die Nutzungszeiten zu reduzieren?

Nora: Es gab im letzten Jahr einen Moment, an dem ich meine tägliche Bildschirmzeit zusammengerechnet habe. Mit Arbeit, Selbstständigkeit, Fernsehen und Social Media kam ich auf ca. 13 Stunden. Das ist über die Hälfte meines Lebens, die ich am Bildschirm verbringe! Diese Realisation hat bei mir zu einem harten Cut geführt. Es folgten drei Monate Instagram- und TikTok-Detox. Mittlerweile benutze ich die Apps viel weniger als vorher, auch weil ich gelernt habe, mein Privatleben spannender zu gestalten. Ich genieße es sehr, mit meinen Liebsten im Hier und Jetzt zu sein und das Handy nicht bei mir zu haben.

Was wünscht ihr euch, was die Leser:innen aus diesem Buch mitnehmen?

Lea: Was mir vor allem am Herzen liegt, ist, dass unser Buch nicht auf dieser aktuellen Welle der ständigen Optimierung mitschwimmt, diesem Druck, alles müsse immer besser werden. Es geht nicht darum, soziale Medien weniger zu nutzen, um angeblich produktiver zu sein, und es geht auch nicht darum, einen Wettbewerb darüber zu führen, wer die kürzeste Bildschirmzeit hat. Der bewusste Umgang mit sozialen Medien sollte nicht zum Selbstzweck werden, und es ist vollkommen in Ordnung, wenn man mal einen Tag lang TikTok durchscrollt, ohne sich deswegen schlecht zu fühlen. Es geht vielmehr um die Balance, um das spielerische Erkunden unserer eigenen Verhaltensweisen ohne Verurteilung. Hierzu haben wir einige Ideen in unserem Buch präsentiert, die dabei helfen können. Doch am Ende des Tages bleibt immer die zentrale Frage: Was tut mir gut?
Nora: Ich möchte andere Menschen dazu inspirieren, das Beste aus ihrer Lebenszeit herauszuholen. Und der Teil ihres Lebens, der auf Social Media stattfindet, soll ihnen guttun, sie beflügeln und glücklich machen. Der bewusste Konsum macht das möglich.
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