Drei Fragen an Pia Lamberty
In Ihrem neuen Buch FAKE FACTS geht es um das, was wir Verschwörungstheorien oder Fake News nennen. Warum wollten Sie ein Buch über dieses Thema schreiben?
Ich beschäftige mich in meiner Forschung schon seit einigen Jahren mit den psychologischen Gründen, wieso Menschen überall Verschwörungen wittern und welche Konsequenzen das hat. Lange Zeit wurde das Thema nicht ernst genug genommen und oft belächelt. Als ich für einen Forschungsaufenthalt in Israel war, haben Katharina Nocun und ich einen Ausflug in die Wüste unternommen und dann bei einer Oase über das Thema diskutiert. Wir haben gemerkt, dass unsere beiden Expertisen sich hier sehr gut ergänzen. Die Idee für ein Buch, dass Menschen sowohl über psychologische Erklärungen als auch die Rolle des Internets aufklärt, war geboren.
Warum sind Manche von uns besonders anfällig für Verschwörungserzählungen und Manche weniger?
Interessanterweise spielen die klassischen Dimensionen der Persönlichkeit eher keine Rolle, wenn es darum geht zu erklären, warum Menschen an Verschwörungen glauben. Auch Alter oder Ost-/West sind hier weniger relevant. Einige Studien zeigen eine größere Affinität bei Männern, Verschwörungen zu wittern. Besondere Verbreitung findet der Glaube an Verschwörungen bei Menschen, die sich politisch rechts verordnen. Das bedeutet aber keinesfalls, dass er nur da vorzufinden wäre. Es ist ein Phänomen der gesamten Gesellschaft. Ein Drittel der deutschen Bevölkerung meint beispielsweise, Politikerinnen und andere Führungspersönlichkeiten seien nur Marionetten dahinterstehender Mächte. Knapp zwanzig Prozent sind überzeugt, dass die negativen Effekte von Impfungen absichtlich verschwiegen werden würden und ebenso viele Glauben an eine Verschwörung rund um 9/11.
Welche psychologische Funktion haben solche Erzählungen?
Wenn Menschen das Gefühl haben, keine Kontrolle zu haben, versuchen sie Strategien zu finden, damit umzugehen – und Verschwörungserzählungen können so eine Strategie sein. Die Verschwörungserzählung strukturiert die Welt. Es gibt in dieser Logik die bösen Verschwörer und die, die scheinbar die Wahrheit sehen. Dadurch wird die Welt begreifbarer. Wenn Menschen in Unsicherheit leben, sind sie empfänglicher für Verschwörungsdenken. Wer beispielsweise seine Arbeit verliert oder unter unsicheren Bedingungen arbeitet, meint eher, dass Strippenzieher im Geheimen das Weltgeschehen lenken. Darüber hinaus kann man sich über den Verschwörungsglauben aufwerten. Man ist dann scheinbar die Person, die die "Wahrheit" sieht, während die andere zu "Schlafschafen" oder als Teil der Verschwörung degradiert werden.
Pressestimmen
Ralf Dörwang, titel thesen temperamente, 17.05.2020
Matthias Meisner, Tagesspiegel, 17.06.2020
Thomas Schürmann, HÖRZU, 22.06.2020
Christian Rabhansl, DLF Lesart, 04.07.2020
Matthias Hoffmann, AK-Beiträge, 05/2021