Text: Christiane von Korff

AKI UND MILLA OLLIKAINEN IM PORTRÄT

Foto Aki und Milla Ollikainen
© Marja Kokkonen

Es war mitten in der Nacht. Milla Ollikainen lag im Bett und konnte nicht schlafen. Kein Wunder, denn sie dachte über verschiedene, schreckliche Arten gewaltsamer Tode nach. Einer davon war das Ertrinken in einem dunklen, geschlossenen Raum aus dem es kein Entkommen gab. Am nächsten Morgen erzählte sie ihrem Mann Aki davon. Sie diskutierten eine Weile und entwickelten die Idee, wie das Opfer in ihrem Krimi ermordet würde. Die Frau schrie. Der Schrei prallte zurück und geisterte durch die dreidimensionale Finsternis, bis er schließlich verstummte, nachdem er oft genug an dieselben unsichtbaren Wände gestoßen war… Ihre Finger stießen gegen einen runden Gegenstand aus Metall, der durch das Loch geschoben worden war. Es war das Ende eines Rohrs, und in dem Moment, als ihr das klar wurde, begann das Wasser aus dem Rohr zu strömen. Mit voller Kraft. So beginnt DIE TOTE IM CONTAINER, ein fesselnder Kriminalroman, der in fünfzehn Ländern erscheinen wird und Auftakt einer fünfteiligen Reihe ist.

Es ist das erste Buch, das Aki und Milla gemeinsam unter dem Pseudonym A.M. Ollikainen geschrieben haben. Das finnische Ehepaar ist seit 23 Jahren verheiratet und wohnt mit seinem 17-jährigen Sohn und der 14-jährigen Tochter in Lohja, einer Stadt am Ufer eines großen Sees, sechzig Kilometer von Helsinki entfernt. Zuvor haben sie elf Jahre lang in Lappland gelebt. Milla war Chefredakteurin einer Lokalzeitung und erfolgreiche Autorin von Krimis. Mit einem ihrer Bücher hat sie den finnischen Krimipreis der FINNISH DETECTIVE SOCIETY gewonnen. Aki hat seinen Beruf als Journalist zugunsten des Schreibens von Romanen aufgegeben. Sein Debüt wurde gleich mit einem renommierten Literaturpreis ausgezeichnet, zwei weitere Bücher standen auf der Auswahlliste des MAN BOOKER PRIZE und des PRIX FEMINA.

Schon länger hatten sie den Plan, gemeinsam einen Kriminalroman zu schreiben. Das Genre eigne sich dazu, denn „ein Krimi“ so Aki, „ist wie ein Puzzle, dessen Teile man mit jemand anderem zusammenzufügen kann“. Dabei reizte ihn der Gedanke, zu zweit eine ganz neue Stimme zu erschaffen, einen „A.M.-Stil“ zu entwickeln, bei dem der Leser nicht errät, wer welches Kapitel geschrieben hat. „Wir sind“, sagt Milla Ollikainen, „ziemlich unterschiedlich, nicht nur als Schriftsteller, sondern auch als Menschen. Ich bin ein sehr direkter Typ, schnell in fast allem, was ich tue und ich rede gern und viel. Aki ist ein eher schweigsamer Mensch.“ Wohl deshalb, darin sind sich beide einig, ergänzen sie sich gut, auch was ihren Schreibstil betrifft. „Sein Stil“, so Milla, „sei poetisch, er schreibe schöne, gehaltvolle Texte, die eine Art zeitlosen Charakter hätten.“ „Millas Texte“, sagt Aki, „rollen reibungslos vorwärts. Eine Sache führt zur nächsten. Sie driftet niemals ab und behält ihr Ziel im Auge.“

DIE TOTE IM CONTAINER, ein Fall, den das Helsinki Team zu lösen hat, ist ein klassischer Whodunit. Den Ermittlern läuft der Schweiß, nicht nur, weil die Sonne brennt am Mittsommertag in Helsinki. In einem Frachtcontainer wird eine ermordete junge Schwarze gefunden, qualvoll ertrunken, nachdem der Container mit Meerwasser gefüllt wurde. Ihre Identität ist zunächst unbekannt. Als das Team unter der Leitung von Kommissarin Paula Pihlaja beginnt, den Fall zu untersuchen, führen die Spuren zur Familie Lehmusoja, Inhaber eines Konzerns, der mit korrupten Praktiken Geschäfte in Afrika betreibt. So wird neben Finnland auch Namibia zum Schauplatz eines jahrzehntelang vertuschten Verbrechens. Finnland hat einen historischen Bezug zu Namibia. „Wir hatten zwar“, so Aki, „keine eigenen Kolonien, aber zumindest in den Köpfen der Finnen war Namibia unsere geistige Kolonie. Denn Ende des 19. Jahrhunderts gingen die ersten finnischen Missionare in den nördlichen Teil Namibias, nach Ovamboland. Die Ovambos sind die größte Bevölkerungsgruppe in Namibia, zu ihnen gehört die Hälfte der rund zwei Millionen Einwohner. Rauha Kalondo, die Tote im Container, stammt aus Ovambo. Ihr Vorname ist ein finnischer, was nicht ungewöhnlich ist. Als die Missionare begannen, die Ovambos zu taufen, gaben diese oft ihren alten Namen auf und wählten stattdessen einen finnischen. So ist auch heute noch Selma der häufigste Frauenname in Namibia.“ Eine enge Freundin Millas, die zehn Jahre in dem Land gelebt hat, erwies sich bei der Recherche als hilfreich: „Sie hat uns viel über die Situation in dem Land, auch über finnische Entwicklungshilfe erzählt. So haben wir einiges erfahren, das offiziell nicht so bekannt ist und das wir im Krimi thematisieren.“

Brutale Gewaltszenen, die nur dem Effekt dienen, lehnt Milla ab, und über manche Themen wie Pädophilie würde sie niemals schreiben. Ein Krimi sollte nach Millas Ansicht packend und dabei unterhaltsam sein, was nicht hieße, dass es nicht um ernste Themen gehen könne. Gemeinsam mit ihrem Mann entwickelt sie die Handlung und die Figuren, aber jeder schreibt für sich. Während der Pandemie war das nicht immer einfach. „Das Meiste“, so Aki, „schreibe ich im Kopf, wenn ich gehe oder auf dem Sofa liege. Ich denke die ganze Zeit nach, und wenn ich mich dann endlich hinsetze und anfange zu tippen, kenne ich die Geschichte. Während verschiedener, wochenlanger Lockdowns fiel es mir schwer zu arbeiten, weil wir alle vier zuhause waren. Ich war es gewohnt, am Küchentisch zu schreiben, und plötzlich gab es keine Minute Ruhe mehr. So fand ich mich auf meinen Knien sitzend neben unserem Bett wieder, das ich als Arbeitstisch in unserem winzigen Schlafzimmer benutzte.“ „Und ich“, erzählt Milla lachend, „bin es gewohnt, mich in unserer Familie um alles zu kümmern. Deshalb war es nicht leicht für mich, loszulassen und zu sagen, dass ich jetzt schreibe und in den nächsten Wochen für nichts Anderes zuständig bin.“

Milla schrieb zunächst die Geschichte, Aki war für das Ausschmücken zuständig. Soweit der Plan. Immer wieder musste Milla ihren Mann bremsen, nicht zu viel zu verraten. „Eines der Dinge, die ich von Milla beim Schreiben von DIE TOTE IM CONTAINER gelernt habe, ist, dass jedes Kapitel eine Art Überraschung oder eine neue Information enthalten muss, so dass man unbedingt weiterlesen will.“

Das ist den beiden gelungen, denn der Fall nimmt immer neue Wendungen. Es bleibt spannend bis zur letzten Seite, wenn Paula, Renko, Hartikainen und Karhu, die vier Ermittler des Helsinki Teams nach möglichen Tätern suchen. Wichtig waren dem Autorenduo sympathische Charaktere, die „wir mögen und mit denen wir gern zusammen sind, denn sie sind für uns fast wie Kollegen. Wir hatten recht bald ein gutes gegenseitiges Verständnis von allen Protagonisten, wie sie sind, was sie wollen und wie sie reagieren. „Nach Paula“, erzählt Aki, „wurde zuerst Renko geboren; wir wollten eine männliche Figur haben, die viel redet oder fast schon plappert, womit sie nicht dem Stereotyp eines finnischen Mannes entspricht.“

Die Leiterin des Teams, Kommissarin Paula Pihlaja ist blond, mit ihren 1,90 Metern ziemlich groß und durchsetzungsstark. Milla hatte die Vorstellung einer großen, schweigsamen, ein wenig amazonenhaften Frau. Sie sollte eine Hauptfigur sein, die ihre eigene dunkle Geschichte hat. Während der Ermittlungen wird Paulas Leben von alten Erinnerungen überschattet, die nach den jüngsten Ereignissen wieder auftauchen: Als sie jünger war, musste sie ihr Baby zur Adoption freigeben. Der Junge, ihr Sohn, ist jetzt in den Zwanzigern und steht unter Mordanklage. Paula wird nicht nur von ihren Schuldgefühlen wegen der Adoption gequält, sondern macht sich auch Sorgen darüber, was aus ihrem Sohn werden wird. „Mütter von Mördern“, sagt Milla, „sind ein Thema, das mich schon immer beschäftigt hat.“

Mit Paula haben Aki und Milla eine starke Frau geschaffen. Die DIE TOTE IM CONTAINER endet mit einem Cliffhanger. Nachdem der Mordfall geklärt ist, hat Paula eine Fähre nach Tallinn gebucht, um Geheimnissen in ihrer eigenen Vergangenheit auf die Spur zu kommen. Ihre Geschichte wird sich weiter enthüllen, im zweiten Band der Reihe, an dem die Autoren noch schreiben. Einzelheiten wollen sie natürlich nicht verraten. Aber Hochspannung ist garantiert.

zum Buch