Des Kummers Nacht
 - Ralph Knobelsdorf - PB
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16,90

inkl. MwSt.

Lübbe Belletristik
Paperback
Krimis
623 Seiten
Altersempfehlung: ab 16 Jahren
ISBN: 978-3-7857-2730-0
Ersterscheinung: 27.08.2021

Des Kummers Nacht

Von der Heydens erster Fall
Band 1 der Reihe "Ein Fall für Wilhelm von der Heyden"

(9)

Erleben Sie mit Wilhelm von der Heyden die Entwicklung der preußischen Kriminalpolizei im Berlin des 19. Jahrhunderts!

Berlin, 1855: Wilhelm von der Heyden steht kurz vor dem Abschluss seines Studiums, als er Zeuge einer Explosion wird. Die Fenster der gegenüberliegenden Wohnung sind zerstört, eine Frau hängt leblos im Zaun. Um ihr zu helfen, eilt er an den Unglücksort – und gerät selbst in Verdacht. Der Wachtmeister hat sein Urteil schon gefällt, der Chef der Kriminalpolizei ist jedoch von Wilhelms Beobachtungsgabe begeistert und stellt ihn ein. Talentierte neue Mitarbeiter werden in der noch jungen preußischen Ermittlungsbehörde  dringend benötigt. Doch Fingerspitzengefühl ist gefragt, denn bald schon führen die Ermittlungen Wilhelm und seine Kollegen in die höchsten Kreise ...

Pressestimmen

 „Der Historiker Knobelsdorf zeichnet ein vielschichtiges Bild der Gesellschaft jener Zeit. […]  Neben dem historischen Bild liefert der Roman auch eine interessante Krimihandlung.“

„Mit profunden historischen Kenntnissen ausgestattet gibt sich der Autor akribisch der Beschreibung des zeitgenössischen Milieus hin, was diesem Kriminalroman seinen unwiderstehlichen Reiz gibt und dazu führt, dass man - wenn man so will – von einem «seriösen» Krimi sprechen kann.“

Rezensionen aus der Lesejury (9)

Buchbesprechung Buchbesprechung

Veröffentlicht am 11.12.2021

Historisch sehr gut, Spannung verbesserungswürdig

REZENSION – Aufbau und Entwicklung der preußischen Kriminalpolizei vor dem Hintergrund des politischen und gesellschaftlichen Umfelds zur Mitte des 19. Jahrhunderts ist Kern des historischen Kriminalromans ... …mehr

REZENSION – Aufbau und Entwicklung der preußischen Kriminalpolizei vor dem Hintergrund des politischen und gesellschaftlichen Umfelds zur Mitte des 19. Jahrhunderts ist Kern des historischen Kriminalromans „Des Kummers Nacht“, des im August vom Lübbe Verlag veröffentlichten Romandebüts von Ralph Knobelsdorf (54). Es ist ein unterhaltsamer, historisch gut recherchierter und informativer Roman um den ersten Fall des vom Berliner Polizeidirektor für die kürzlich gegründete Kriminalpolizei angeworbenen Jura-Absolventen und Gutsbesitzerssohn Wilhelm von der Heyden in Berlin.
Wilhelm von der Heyden steht 1855 kurz vor dem juristischen Examen. Von seiner Berliner Studentenbude aus wird er Zeuge einer Explosion im Haus gegenüber. Eine junge österreichische Gräfin mit familiären Verbindungen in die Bukowina, dem Grenzgebiet zu Russland, wie sich später herausstellt, kommt dabei zu Tode. Bei der anschließenden Zeugenvernehmung ist Herford, Chef der Kriminalpolizei, von Wilhelms Beobachtungsgabe begeistert, der zuvor die Wohnung der Gräfin auf der Suche nach weiteren Opfern durchsucht hatte, und stellt ihn als polizeiliche Hilfskraft ein, da talentierte Mitarbeiter bei der Kripo dringend benötigt werden. Sein Talent wird umso wichtiger, entwickelt sich doch der Mordfall unerwartet zum Politikum, dessen Spuren in die höchsten Kreise bis an den Hof des preußischen Königs Friedrich Wilhelm IV. Führen. Der kränkliche König kann kaum noch die Regierungsgeschäfte wahrnehmen, weshalb einflussreiche Kreise insgeheim schon seine Nachfolge vorbereiten. Zudem erschweren politische Interessen Preußens die Ermittlungsarbeit mitten im Krimkrieg zwischen Russland und dem Osmanischen Reich.
„Fakt oder Fiktion? … Der historische Kriminalroman bewegt sich immer in einem Spannungsverhältnis von Dichtung und Wahrheit“, hat sich der Autor die Frage selbst im Nachwort beantwortet und damit das Problem seines Debütromans angesprochen. Knobelsdorf hat mit seinem Erstlingswerk einen ausgezeichneten historischen Roman vorgelegt, der die politische und gesellschaftliche Situation zur Mitte des 19. Jahrhunderts aus mehreren Blickrichtungen treffend und wirklich interessant schildert, so dass sich die Lektüre schon deshalb lohnt. Doch obwohl ein Kriminalfall als Handlungsfaden die verschiedenen historischen Fakten zu einer verständlichen Einheit verknüpft, fehlt es an Spannung, um ihn als Krimi durchgehen zu lassen. Allzu bald kommt man dem Täter auf die Spur, und auch der Abschluss des Falles ist etwas lieblos runtergeschrieben.
Doch lässt man diesen in folgenden Bänden auszumerzenden Kritikpunkt unberücksichtigt, ist „Des Kummers Nacht“ ein rundum empfehlenswerter historischer Roman. Knobelsdorf gelingt es hervorragend, mit fiktiven und im jeweiligen Charakter treffend skizzierten realen Personen wie dem preußischen Gesandten Otto v. Bismarck und dem russischen Botschafter v. Budberg, den Schriftstellerinnen Fanny Lewald und Gisela v. Arnim, den Hof-Günstlingen und Lobbyisten-Brüdern v. Gerlach oder auch dem ehrgeizigen Leiter der politischen Polizei Wilhelm Stieber eine überzeugend stimmige Szenerie zu schildern, wozu der wohlklingende Sprachstil des Autors mit der zu den historischen Persönlichkeiten passenden Dialog-Wortwahl beiträgt. Auch die Berliner Örtlichkeiten (Stadtvogtei, Charité mit Leichenschauhaus), die politischen Umstände (Krimkrieg, Bukowina, Königshof) und die auch nach der Revolution von 1848 noch herrschende Drei-Klassen-Gesellschaft (Adel, Bürgertum, Arbeiterschaft) lassen die Mitte des 19. Jahrhunderts in Berlin vor dem lesenden Auge lebendig werden.
Abschließend stellt Wilhelm von der Heyden fest, dass „sein erster Fall nicht zu seiner Zufriedenheit gelöst“ ist. Dieser Meinung kann man sich als Leser anschließen: So gut der historische Aspekt gelungen ist, muss an der für eine Krimireihe erforderlichen Spannung in den Folgebänden etwas nachgebessert werden. „Das Spiel ist noch lange nicht vorbei, Wilhelm. Es hat gerade erst so richtig begonnen“, heißt es am Schluss. Lassen wir uns also gern überraschen und auf den zweiten Band „Ein Fremder hier zu Lande“ freuen, der für Juli 2022 angekündigt ist.

Diese Rezension stammt aus unserer Community Lesejury, in der lesebegeisterte Menschen Bücher vor allen anderen lesen und rezensieren können. Hier kannst du dich kostenlos registrieren.

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Veröffentlicht am 11.10.2021

Kriminalpolizei im 19. Jahrhundert



Als Student hat Wilhelm von der Heyden sich in Berlin eingerichtet. Er wohnt zur Untermiete bei einer Witwe, seine Tage sind erfühlt von Gleichmäßigkeit. Doch dann erschüttert eine Explosion die Straße. ... …mehr



Als Student hat Wilhelm von der Heyden sich in Berlin eingerichtet. Er wohnt zur Untermiete bei einer Witwe, seine Tage sind erfühlt von Gleichmäßigkeit. Doch dann erschüttert eine Explosion die Straße. In der Wohnung ihm gegenüber ist dieses Unglück geschehen. Eine Frau wurde dabei aus dem Fenster geschleudert, sie hängt nun leblos am Gartenzaun. Wilhelm eilt zum Ort des Geschehens, um zu helfen. Schnell entdeckt er Dinge, die ihm seltsam vorkommen. Der zuständige Wachtmeister allerdings fällt sein eigens Urteil, ohne auf jemanden zu hören. Anders hingegen der Chef der Kriminalpolizei, dieser findet die Argumente von Wilhelm interessant und fordert ihn auf, sich an der Aufklärung zu beteiligen. Für Wilhelm beginnt eine interessante Zeit an der Seite der noch jungen Kriminalpolizei Berlins.

Mitte des 19. Jahrhunderts ist die Polizeiarbeit in Berlin noch gar nicht so einfach. Die Art und Weise, wie man seine Ermittlungen führen darf, wollen gut durchdacht sein. Wilhelm von der Heyden findet trotzdem schnell gefallen an der Sache, obwohl seine Familie eigentlich einen anderen Berufsplan für ihn vorgesehen hatte, beschließt er, diesen Fall zu lösen. Seine Ermittlungen führen ihn in die Oberschicht und gleichzeitig konfrontieren sie ihn mit seiner eigenen Vergangenheit. Mir hat gut gefallen, wie der Autor hier die Auflösung der Tat schildert und gleichzeitig Einblicke in das Leben von Wilhelm von der Heyden gewährt.

Der junge Mann löst ja nicht nur einfach diesen Fall, sondern hat selbst noch so einiges zu bewältigen, dies alles schildert Ralph Knobelsdorf ausführlich. Ebenso wie den politischen Hintergrund dieser Jahre. Allerdings war es an manchen Stellen auch schon etwas zu ausschweifend, vor allem, wenn Wilhelm auf bekannte Protagonisten, wie zum Beispiel Otto von Bismarck traf und diese ausführlich die politische Lage schilderten. An diesen Stellen hätte es gern etwas weniger ausführlich sein dürfen, wobei das gesamte politische Bild dieser Zeit dadurch näher gebracht wurde.

Dem Autor sind seine Charaktere wunderbar gelungen. Gerade die Menschen rund um Wilhelm machen die Geschichte zu einem Lesevergnügen. Seine Wirtin zum Beispiel ist so ein herzlicher Charakter, der mir gut gefallen hat oder sein Freund, der ihm auch hilfreich zur Seite steht, hat mir gut gefallen. Diese Mischung aus historischem Roman und Krimi fand ich gut. Nicht nur, dass sich der Fall so nach und nach klärt, auch der historische Hintergrund wird gut beleuchtet und das Privatleben der Protagonisten kommt auch nicht zu kurz.

Ein ausführliches Nachwort, welches Fiktion und Wahrheit trennt, beendet diesen Krimi dann und war auch noch mal sehr informativ. Ich lese so ein Nachwort immer sehr gern am Ende.


Fazit:

Dem Autor Ralph Knobelsdorf ist mit diesem historischen Kriminalroman sein Debüt gelungen. Mir hat „Des Kummers Nacht“ gut gefallen und ich bin gespannt, wie es mit Wilhelm von der Heyden weitergeht. Nicht nur der Kriminalfall war interessant, sondern auch das Leben dieses jungen Adligen hat einiges Geheimnisvolles zu bieten.

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Veröffentlicht am 23.10.2021

Zu detailliert, aber sehr atmosphärisch

Berlin 1855. Die beiden Freunde Wilhelm von der Heyden und Johann Schmidt haben ihr Studium in Jura und Medizin erfolgreich abgeschlossen. Wilhelm, der von einem Gutshof im Osten nach Berlin gezogen ist, ... …mehr

Berlin 1855. Die beiden Freunde Wilhelm von der Heyden und Johann Schmidt haben ihr Studium in Jura und Medizin erfolgreich abgeschlossen. Wilhelm, der von einem Gutshof im Osten nach Berlin gezogen ist, hat sich mittlerweile in der Hauptstadt eingerichtet. Eines Tages gibt es im Nachbarhaus gegenüber eine Explosion. Dabei wird eine junge Frau aus dem Fenster geschleudert und hängt leblos am Gartenzaun. Wilhelm vermutet noch weitere Bewohner im Haus und eilt zu Hilfe. Dabei fallen ihm in der Wohnung der Toten einige Ungereimtheiten auf. Sein Verhalten macht ihn aber zuerst verdächtig, doch der Chef der Berliner Kriminalpolizei fällt Wilhelm's Kombinationsaufgabe auf und bietet ihm eine Stelle als Polizeihelfer an. Die preußische Ermittlungsbehörde sucht dringend talentierte junge Männer für den Polizeidienst. Für diesen Fall nimmt Wilhelm an, obwohl "gewöhnliche" Ermittlungsarbeit seinem Stand eigentlich nicht angemessen ist. Ihm zur Seite wird der erfahrene Kommissar Vorweg gestellt, der ihm so einige Einblicke in die Polizeiarbeit gewährt.

Der historische Roman mit Krimianteil (so würde ich ihn lieber nennen) führt uns in die Anfänge der preußischen Polizeiarbeit. Diese steckt noch in den Kinderschuhen und so ist es nicht verwunderlich, dass Wilhelm nach seinem Jurastudium mit offenen Händen aufgenommen wird bzw. als Kollege erwünscht ist. Seine Fähigkeit ein fotografisches Gedächtnis zu haben, wäre für die Polizei natürlich von großem Vorteil. Dadurch, dass die Tote eine österreichische Gräfin ist, befürchten die Ermittler eine politische Tat. Doch ist es das wirklich?
Der Fall ist komplex und die Polizei tappt lange Zeit im Dunkeln. Die Ermittlungen sind sehr preußisch. Man versucht über Beziehungen und Salonbesuche in der gehobenen Gesellschaft besser hinzuhören und eventuell wichtige Dinge aufzuschnappen, die den Ermittlungen zugute kommen könnten. Dadurch beginnt der Spannungsaufbau etwas langsam und braucht seine Zeit....

Für mich hatte deshalb die erste Hälfte leider einige Längen. Zu detailverliebt schreibt der Autor über alle möglichen Themen, die sehr ausgereizt werden. Man merkt dabei aber auch seine penible Recherche.
Immer wieder versucht man das Tatmotiv zu erkunden. Ist die Tat nun politisch motiviert? Ein Liebesdrama oder hätte der Anschlag jemand anders gegolten?

Die Sprache ist der Zeit angepasst. Der Autor fängt die Atmosphäre und das Lebensgefühl der damaligen Zeit perfekt ein. Man fühlt sich mitten im Geschehen und in der Zeit gefangen.

Beim Lesen bekommen wir detaillierte Einblicke in die gehobene Gesellschaft und in die Innenpolitik der damaligen Zeit. Dabei treffen wir auch auf Otto von Bismarck, der 1855 noch am Anfang seiner Karriere steht. Am Ende des Buches findet man einen Anhang des Autors, in dem er über Fakt und Fiktion spricht, über Preußen und Berlin im Jahre 1855, sowie über historische Persönlichkeiten und fiktive Personen aufklärt. Am Cover innen (vorne und hinten) befindet sich eine sogenannte Standes Liste.
Der Titel ist aus einer Textzeile eines Gedichtes von David Kalisch (ein Vierzeiler steht am Beginn des Buches) und betrifft die Stadt Berlin.

Etwas schade finde ich, dass ein sehr persönliches Detail von Wilhelm noch nicht aufgeklärt wurde. Ich hoffe, dass es einen weiteren Teil geben wird und dieser wichtige Umstand aufgeklärt wird. Ich werde den nächsten Teil trotzdem noch lesen, denn ich will wissen, was in Wilhelms Vergangheit passiert ist.

Fazit:
Ein historischer Roman mit Krimianteil und einem sehr sympathischen Ermittler, der eher zufällig zur Polizeiarbeit gekommen ist. Sehr detailliert erzählt und perfekt recherchiert, jedoch mit einigen Längen, die vorallem zu Beginn etwas ermüden....vorallem bei der Seitenanzahl.

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Veröffentlicht am 30.10.2021

Fokus auf historischen Umständen

Ein historischer Kriminalroman mit viel Liebe zum Detail, angenehmen Charakteren und einem tiefen Einstieg in das Berlin des Jahres 1855.

Der Schreibstil liest sich recht angenehm, leicht altertümlich, ... …mehr

Ein historischer Kriminalroman mit viel Liebe zum Detail, angenehmen Charakteren und einem tiefen Einstieg in das Berlin des Jahres 1855.

Der Schreibstil liest sich recht angenehm, leicht altertümlich, aber damit passend zur Epoche, in der die Handlung spielt.
Positiv hervorzuheben ist, mit welchem Tiefgang der Autor die Umstände der damaligen Zeit auf vielen verschiedenen Gebieten herausgearbeitet hat. Es wirkt alles absolut authentisch und es kommen Personen, Orte und Geschehnisse vor, die so tatsächlich existiert haben.

Obwohl ich mich wirklich für Geschichte interessiere, fand ich es sehr schade, dass dadurch die Kriminalgeschichte und auch die Ausarbeitung der Charaktere teilweise in den Hintergrund gerückt ist. Die Erzählungen waren oft sehr ausschweifend, man bekam zwar viele Informationen über die damalige Zeit, diese waren aber oft unerheblich für den Verlauf der eigentlichen Geschichte und sind eher Nebeninformationen gewesen. So entstand der Eindruck, dass scheinbar alles Wissen geradezu in das Buch hinein gequetscht wurde. Das wiederum hat natürlich den Lesefluss gestört, da die Erzählung irgendwie den roten Faden verliert und damit die sich aufbauende Spannung hemmt.
Ich habe aber dadurch auch das ein oder andere Neue und Interessante gelernt.

Außerdem hat mir gut gefallen, dass es zwei große Handlungsstränge gab, quasi einen bezüglich des geschäftlichen Lebens des Hauptprotagonisten und einen auf privater Ebene.
Gegen Ende hat es dann doch nochmal richtig an Fahrt aufgenommen und war wirklich spannend, auch wenn die Enthüllung irgendwie nicht wirklich eine Enthüllung war, da man vieles durch zwei verschiedene Perspektiven bereits zuvor erfahren hatte.

Allgemein kann ich das Buch denjenigen empfehlen, die sich für die Umstände in Berlin Mitte des 19. Jahrhunderts und insbesondere für die Geschichte der Polizei u.Ä. interessieren.

(unbezahlte Werbung | Rezensionsexemplar)

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Werkstattgespräch mit Ralph Knobeldsdorf

TEXT: Margarete von Schwarzkopf

Ralph Knobeldsdorf
Ralph Knobeldsdorf
© peterpaullorenz.de

»Ich lege viel Wert auf Genauigkeit und auf Details, vor allem, was die Schauplätze betrifft«

Angefangen hat alles mit der britischen Kultserie DOWNTON ABBEY. Ralph Knobelsdorf, geboren 1967 in Halle/Saale, hat zwar Geschichte mit dem Schwerpunkt Deutschland im 19. Jahrhundert studiert. Doch der Informatikkaufmann, der inzwischen in Erfurt lebt, liebt diese englische Serie, die ihn, wie er sagt, „beeinflusst hat“. „Diese wunderbare Mischung aus historischen Ereignissen, gepaart mit der Geschichte einer Familie, hat mich beeindruckt und inspiriert. Mir schwebte schon lange vor, eine Art Familiensaga zu schreiben. Da ich aber auch Kriminalromane liebe und mich Sherlock Holmes schon früh begeistert hat, verbanden sich bei der Idee für einen eigenen Roman diese beiden Elemente: Familiendramen und Kriminalfälle vor der historischen Kulisse des 19. Jahrhunderts“. Warum er gerade dieses Jahrhundert und die Epoche zwischen 1855 und 1880 gewählt hat, die er in mehreren Fortsetzungen mit den Abenteuern seines fiktiven Helden Wilhelm von der Heyden Revue passieren lassen möchte? „Viele tausend Jahre hat sich die Menschheit eher gemächlich entwickelt. Doch dann plötzlich, um die Mitte des 19. Jahrhunderts, hat es einen gewaltigen Aufschwung gegeben. In der Wissenschaft, der Technik, der Medizin. Für mich eine faszinierende Zeit. Dazu befand sich Deutschland in einem enormen politischen Umschwung. Die Napoleonischen Kriege waren vorüber, die Revolutionen um 1850 vorbei, und in Preußen entwickelte sich die allgemeine bürgerliche Ordnung, aber auch die Polizei als Schutzmacht dieser Ordnung sehr rasch. 1809 wurde die Polizei in Berlin gegründet, ursprünglich sogar nach englischem Vorbild. In der Zeit, in der mein erstes Buch DES KUMMERS NACHT spielt, nämlich im Jahr 1855, gab es 36 Reviere mit Kriminalkommissaren und ihnen zugeordneten Schutzmännern. Es ging meist um Prostitution und um die Überwachung verdächtiger Personen, zu denen zum Beispiel Landstreicher zählten“. Diese Frühzeit der Polizeiarbeit in Berlin hat Knobelsdorf mehr gereizt als einen „modernen“ Krimi zu schreiben. Und auch die Ära zwischen 1900 und 1930 ist nicht „sein Ding“. „Romane über Berlin um 1900 und nach dem Ersten Weltkrieg gibt es inzwischen recht viele“, sagt er. Für ihn war die Anfangszeit der Polizeiarbeit spannender. „Überall herrschte Aufbruchsstimmung und es gab erstaunliche Neuerungen. In Berlin fuhr damals schon eine Pferdebuslinie mit festem Fahrplan, in der Charité trafen sich die besten Mediziner der Zeit, weshalb in einem der nächsten Bände auch Berühmtheiten wie Rudolf Virchow auftreten werden. Die Polizei war gut ausgerüstet, und selbst wenn es die moderne Forensik noch nicht gab, fanden sie andere Mittel und Wege, der Kriminalität weitgehend Herr zu werden. So gab es durch die Initiative von Männern wie Wilhelm Stieber, einem kompetenten Kriminalisten und geschickten Organisator der Polizei, ein recht ausgefeiltes System an Informanten, eigentlich eher schon Spitzeln“.

"Des Kummers Nacht" von Ralph Knobelsdorf

»In Berlin fuhr damals schon eine Pferdebuslinie mit festem Fahrplan, in der Charité trafen sich die besten Mediziner der Zeit«

Wie ihre britischen Kollegen trugen die Kriminalbeamten keine Schusswaffen, sondern nur Schlagstöcke mit sich. Privat durften sie aber eine Waffe besitzen. Zu ihren Aufgaben gehörten damals die Versorgung von Armenkindern, die Überwachung der Insassen in der Stadtvogtei und im Zuchthaus, die Beobachtung der rund viertausend Bettler sowie die Kontrolle der etwa zwölftausend bereits bekannten Ganoven. Berlin war seinerzeit eine rasant wachsende Stadt, da hier die Industrie um 1830 ihre erste Blüte erreichte, und deshalb immer mehr Menschen auf der Suche nach Arbeit in die Stadt strömten. Geradezu der ideale Nährboden für Verbrechertum. Hier beginnt die Geschichte des jungen Wilhelm von der Heyden, der einem alten Adelsgeschlecht entstammt, in dem sich das Vorbild von DOWNTON ABBEY widerspiegelt. Denn die Familienstrukturen von Wilhelms Familie sind komplex, und es gibt noch eine zweite Familie, deren Geschick mit Wilhelms Familie eng verbunden ist. Darüber lastet ein Geheimnis, das, so Knobelsdorf, nach und nach gelüftet werden soll. Viele Irrungen und Wirrungen also, die nicht unbedingt mit Wilhelms Arbeit als Ermittler zu tun haben, aber die der Freude des Autors am Fabulieren entsprechen. „Ich mag Krimis, in denen Nebenhandlungen eine Rolle spielen und bei denen sich nicht alles nur auf den eigentlichen Kriminalfall konzentriert“. Deshalb liebt er die Romane von Elizabeth George, Donna Leon und Andrea Camilleri, in denen es auch immer wieder um familiäre Strukturen und die Entwicklung der Hauptfiguren geht. Der historische Kriminalroman, der natürlich auch den Regeln des Krimis folgen muss in der Hinsicht, dass Konflikte plausibel geklärt werden sollten und der Inhalt stimmig sein muss, bietet zusätzlich den Reiz, fiktive Personen mit realen zu konfrontieren. Es gibt kaum mehr ein Zeitalter, das nicht schon thematisiert wurde und als Bühne für diverse Verbrechen diente – die Antike, das Mittelalter, die frühe Neuzeit. Und wir haben schon Cäsar und Kleopatra, diverse Kaiser und Könige als Mitstreiter in Krimis erlebt. Das 19. Jahrhundert in Preußen aber ist im Vergleich dazu noch eher Brachland, obwohl es in dieser Zeit viele spannende Persönlichkeiten gegeben hat, die Knobelsdorf geschickt in seinen Plot einbaut. „Natürlich ist es eine große Herausforderung, diese realen Personen mit den fiktiven zu vermischen. Man darf sich bei der Darstellung der historischen Figuren keine Phantasie erlauben und plötzlich aus Bismarck zum Beispiel einen Sozialisten machen. Gerade diese Möglichkeit, die Realität mit der Fiktion zu verbinden, ist ein großer Ansporn für mich“. Aber vor allem auch viel Arbeit mit ausführlichen Recherchen im Internet und in Archiven, wobei die Erschwernisse der diversen Lockdowns den Zugang zu Bibliotheken verhindert haben. „Wie gut, dass es inzwischen ausgefeilte digitale Archive gibt, so dass ich auf alte Zeitungsberichte, frühe Fotos und Dokumente zurückgreifen konnte“ sagt Knobelsdorf. „Noch während des Schreibens ging die Recherche ständig weiter. Ich lege viel Wert auf Genauigkeit und auf Details, vor allem, was die Schauplätze betrifft. Denn ich nehme die Leserinnen und Leser mit auf eine Reise durch das Berlin vor gut 180 Jahren und besuche mit ihm den Tiergarten, den Molkenmarkt, die Universität und das Berliner Schloss und die engen Gassen und dunklen Seiten der Stadt“.

Personalakte von Wilhelm von der Heyden
Personalakte von Wilhelm von der Heyden

»Ich nehme die Leser mit auf eine Reise durch das Berlin vor gut 180 Jahren«

Für seinen Wilhelm, der für seine Aufgabe als Ermittler ein sogenanntes eidetisches Gedächtnis (fotografisches Gedächtnis) mitbringt, hat Knobelsdorf kein reales Vorbild. Wilhelm ist eine fiktive Figur, der er in den schon geplanten Fortsetzungen viele Möglichkeiten zur weiteren Entwicklung einräumt, sowohl in beruflicher Hinsicht als auch privat. Berlin wandelt sich, und die Figuren gemeinsam mit der Stadt. Auch für die in DES KUMMERS NACHT geschilderten Kriminalfälle gibt es keine Vorbilder in der Wirklichkeit, wobei ein Ereignis dann doch als eine Art Trigger diente: Der sogenannte Potsdamer Depeschendiebstahl, den auch Bismarck später in seinen GEDANKEN UND ERINNERUNGEN aufgreift. Zwei Kammerdiener des königlichen Generaladjutanten Gerlach hatten über Monate hinweg ihrem Herrn Dokumente entwendet und verkauft. Ein sehr heikler Fall, in den auch Polizeipräsident Hinckeldey verwickelt war. Aber die Täter in DES KUMMERS NACHT finden ein noch wesentlich „überzeugenderes“ Mittel, um sich ihren Zielen zu nähern. Spannungsmomente bezieht Knobelsdorfs Roman natürlich auch aus der Aufklärung von Verbrechen. Aber die Familiengeheimnisse der von der Heydens und Wilhelms Biografie lesen sich ebenfalls packend. Soziale Probleme von damals gleichen manchem, was uns heute wieder umtreibt. Das alte Motto, dass die Zeiten sich ändern, der Mensch sich treu bleibt, trifft auch hier zu. Und doch bringen veränderte Umstände natürlich auch immer neue Verbrechen hervor, denen Knobelsdorf in seiner Reihe nachspüren möchte. Dabei lehnt er Gewaltszenen ab, die nur dem Effekt dienen, und manche Themen vermeidet er. Kindesmord zum Beispiel wird man bei ihm, der selbst Vater von zwei Kindern ist, glücklicherweise nicht finden. An Fällen wird es dem findigen Wilhelm von der Heyden nicht mangeln. Wenn der Autor seinen Plan umsetzt und die Entwicklung Preußens weiterhin als Bühne für Kriminalfälle nutzt, lernen wir nicht nur en passant viel über die deutsche Geschichte, sondern erleben vielleicht im letzten Band, der nach der Entstehung des Deutschen Reichs spielen soll, einen reifen Wilhelm von der Heyden als (fiktiven) Polizeipräsidenten von Berlin. Wir werden es sehen!

Wissenswertes aus dem Berlin der 1850er Jahre

Autor

Ralph Knobelsdorf

Ralph Knobelsdorf - Autor
© peterpaullorenz.de

Ralph Knobelsdorf, Jahrgang 1967, wurde in Löbau/Sachsen geboren. Der Informatikkaufmann studierte in Halle an der Saale Philosophie, Jura und Geschichte mit dem Schwerpunkt Deutschland im 19. Jahrhundert. Nach Tätigkeiten in Werbe- und Internetagenturen arbeitet er gegenwärtig in einem Unternehmen der IT-Branche. Mit Des Kummers Nacht legt er sein Debüt als Autor historischer Kriminalromane vor. Der begeisterte Eishockeyanhänger und bekennende Liebhaber von Downton Abbey lebt mit Frau und …

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