Chris Geletneky - Autor
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Autor

Chris Geletneky

Chris Geletneky, Jahrgang 1972, zieht nach einem erfolgreich abgebrochenen Studium der Theater-, Film- und Fernsehwissenschaft in Leipzig und Berlin nach Köln, um dort als TV-Autor zu arbeiten. Er wird Headwriter und Creative  Producer von preisgekrönten Comedyformaten wie Ladykracher, Pastewka und Sketch History – obwohl er bis heute nicht weiß, was ein Creative Producer genau macht. Er lebt und grillt mit seiner Familie in einem spießigen Häuschen in Köln, besitzt im Gegensatz zu seinem Helden aber wenigstens keinen Rasentraktor. Noch nicht.

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Interview

Im Interview: Chris Geletneky über "Midlife-Cowboy" | 21.03.2016

Ihr Buch trägt den Titel Midlife-Cowboy. Was hat es damit auf sich?Der Titel ist eine Reminiszenz an den 70er-Jahre-Film Midnight Cowboy, die aber eigentlich überhaupt keinen Sinn ergibt, denn in dem Film geht es um etwas komplett anderes. In meinem Buch geht es ja – wie man vielleicht ahnen kann – ...


Ihr Buch trägt den Titel Midlife-Cowboy. Was hat es damit auf sich?
Der Titel ist eine Reminiszenz an den 70er-Jahre-Film Midnight Cowboy, die aber eigentlich überhaupt keinen Sinn ergibt, denn in dem Film geht es um etwas komplett anderes. In meinem Buch geht es ja – wie man vielleicht ahnen kann – um einen Typen in der Midlife-Crisis, und solche Leute benehmen und fühlen sich dann ja gerne mal wie Cowboys, deswegen Midlife-Cowboy. Ich fand, das klingt irgendwie cool und trifft es ganz gut.
Der Protagonist des Romans ist Tillmann Klein, 39 Jahre alt, zweifacher Familienvater samt hübscher Frau und Hund, Geschäftsführer im Fertighauspark in Hannover-Laatzen, Besitzer eines Fertighauses mit Gartenteich, Stelzenhaus und John-Deere-Rasentraktor. Was für ein Typ Mensch ist er?
Tillmann bezeichnet sich ja selbst als das personifizierte Mittelmaß, und genau darunter leidet er – denn er will eigentlich gar nicht so ein Durchschnittstyp sein. Und er fragt sich, ob er vielleicht auch deswegen heute so ein Durchschnittstyp ist, weil er früher in seinem Leben die falschen Entscheidungen getroffen und nicht oft genug das Risiko gesucht hat. Ich glaube, so geht es vielen Männern in dem Alter. Man fragt sich: Hab ich wirklich genug erlebt, genug Frauen ins Bett gekriegt, genug Geld verdient? Und am Ende steht dann meist die nüchterne Erkenntnis, dass all das nicht unbedingt glücklicher macht und man eventuell schon alles hat, um glücklich zu sein. Aber man muss halt auch was dafür tun.
Auf der anderen Seite glaube ich, dass tatsächlich acht von zehn Paaren nur noch deswegen zusammen sind, weil sie den Kredit für ihr Haus noch nicht abbezahlt haben und man ja zusammen Kinder hat. Obwohl die Luft aus der Beziehung schon lange raus ist. Und da hilft dann auch keine Paartherapie mehr, sondern nur noch der Gnadenschuss.
Wie ist die Idee zum Buch entstanden?
Eine Freundin hat mich überredet, endlich auch mal ein Buch zu schreiben, da ich – glaube ich zumindest – mittlerweile der letzte TV-Comedy-Autor in Deutschland bin, der noch keinen lustigen Roman geschrieben hat. Ich habe dem Verlag dann drei Ideen vorgestellt, die sie alle scheiße fanden. In dieser Zeit brachen in meinem Bekanntenkreis einige Ehen und Beziehungen auseinander, und immer, wenn ich mit Kumpels einen trinken war, ging es eigentlich direkt oder indirekt auch um dieses Thema. Da kam ich auf die Idee, ein umgekehrtes Desperate Housewives zu machen, ein deutsches Desperate Housemen quasi. Und das fanden dann alle gut – irgendwie lag das Thema in der Luft. Ich hatte einfach den Wald vor lauter Bäumen nicht gesehen.
Konnten Sie bei Ihren Feldstudien Unterschiede zwischen der Midlife-Crisis einer Frau und der bei Männern feststellen?
Meine Feldstudien begrenzen sich ja auf eine (auch im Buch zitierte) ARTE-Doku und meine Gespräche mit Bekannten und Freunden. Ich glaube aber, dass der größte Unterschied zwischen der Midlife-Krise einer Frau und einem Mann der ist, dass die Männer tatsächlich ihren Fokus darauf lenken, was sie alles verpasst haben könnten und wie man das jetzt am besten noch schnell nachholt, solange der Lack noch nicht ganz ab ist. Deswegen fangen Männer plötzlich mit schwachsinnigen Extremsportarten wie Paragliding und Kitesurfen an, obwohl das gar nicht mehr zu ihrem Alter passt, kaufen sich Oldtimer und versuchen parallel, die jungen Kolleginnen im Büro flachzulegen. Ich glaube, Frauen machen das nicht in dem Maß – sie sind eher frustriert durch ihre Situation. Die schauen dann abends nach links zur Couch, sehen ihren aus dem Leim gegangenen Mann und denken sich: „Super, jetzt hab ich den faulen Fettsack da sitzen! Tolle Entscheidung damals, Britta!“
Ihr Roman spielt u.a. in einem Fertighauspark. Was hat Sie daran besonders fasziniert?
Wenn ich früher entweder auf der A2 bei Hannover oder auf der A4 bei Köln-Frechen an so einer Musterhaussiedlung vorbeigefahren bin, habe ich mir immer gedacht: Was für ein seltsamer Mikrokosmos. Eigentlich steht da ein komplettes Dorf – komplett eingerichtet, so dass jeden Moment Leute einziehen können. Aber es wohnt halt niemand drin, weil es ja nur ein Musterdorf ist. Eine Plus-Energie-Geisterstadt direkt an der Autobahn – das fand ich gleichzeitig faszinierend, aber auch irgendwie gruselig. Und tatsächlich habe ich mich schon immer gefragt, ob die Häuser nicht regelmäßig nachts als Partylocation oder heimliche Liebesnester missbraucht werden. Und das hat sich bei meinen Recherchen dann auch bestätigt ...
Sie sind als Produzent und Autor für verschiedene preisgekrönte Comedyformate tätig. Welche Bedeutung hat Humor in Ihrem Leben?
Na ja, wenn man seinen Beruf danach ausrichtet, dann sollte Humor schon einen gewissen Stellenwert für einen haben. Außerdem kann ich leider nichts anderes – jedenfalls nicht gut genug, dass sich damit Geld verdienen ließe. Deswegen bin ich im Humor-Biz gelandet. In Sachen Humor liegt die Latte in Deutschland ja praktischerweise nicht ganz so hoch, so dass man schon mit wenig glänzen kann – frei nach meinem chinesischen Lieblingssprichwort „Wenn die Sonne tief genug steht, werfen auch Zwerge lange Schatten“. Wenn das keine Lebenseinstellung ist?! Ich sollte Seminare dazu geben!
Was sind Ihre liebsten Hobbies?
Ich habe nur ein Hobby, nämlich meine Kölner Band De Imis. Uns gibt es seit 2004, und wir treten maximal einmal im Jahr auf, weil wir unsere Termine nicht besser koordiniert kriegen. Die Band besteht größtenteils aus Autorenkollegen aus der Comedybranche, und Carolin Kebekus ist unsere Sängerin. Seit Carolin so erfolgreich ist, mussten wir unser Auftrittspensum allerdings noch mal etwas runterfahren – deswegen wollen wir jetzt ein oder zwei Auftritte im Jahr streichen. Aber WENN wir mal spielen, ist es natürlich der Hammer!
Haben Sie privat schon einmal, wie Tillmann Klein in Midlife-Cowboy, Bekanntschaft mit einem Naseneisen gemacht?
Ich nicht, aber ein Freund von mir, dessen Leidensgeschichte ich im Prolog quasi eins zu eins wiedergebe. Er ist im Jahr 2009 nach einer Weihnachtsfeier in Berlin an einer Straßenbahnhaltestelle von einem Besoffenen nach allen Regeln der Kunst vermöbelt worden, weil er es gewagt hatte, auf dessen Plastiktüte zu schauen, und da es einen Tag vor Heiligabend war, hat der Arzt ihn vor die Wahl gestellt: entweder über die Weihnachtstage stationär ins Krankenhaus und eine OP unter Vollnarkose – oder jetzt sofort ohne Narkose. Dafür mit Naseneisen. Da er Heiligabend unbedingt bei seiner Familie sein wollte, hat er sich für die zweite Option entschieden. Und sie bitter bereut.
Was für Träume haben Sie noch in Ihrem Leben?
Ehrlich gesagt sehr wenige. Im Gegensatz zu meinem Helden im Roman habe ich begriffen, dass es mir viel besser gar nicht gehen kann: Ich habe die beste Familie der Welt, ich habe ein Dach über dem Kopf, jeden Tag genug zu essen und muss nicht täglich Angst haben, dass irgendwelche gehirngewaschenen Schwachmaten mir die Rübe absäbeln – das kann nur ein Bruchteil der Menschheit von sich behaupten und sollte es als großes Glück ansehen. Allerdings – wenn ich etwas auf den Wunschzettel schreiben müsste: vielleicht etwas mehr Zeit zu reisen und etwas weniger Musik von Revolverheld und Boss Hoss im Radio.
Haben Sie sich mittlerweile einen Rasentraktor zugelegt?
Nein, etwas viel Besseres: einen Rasenmäh-Roboter. Meiner Meinung nach die wichtigste Erfindung seit der Dampfmaschine und dem Dosenöffner, denn der Kollege dreht friedlich alleine seine Runden, während man ihm mit einem Bier in der Hand von der Terrasse aus zusehen kann. Gold, Gold, Gold!
Sie arbeiten mit Künstlern wie Bastian Pastewka und Anke Engelke zusammen. Wie inspirieren Sie diese Künstler?
Wenn man für solche Ausnahmetalente wie Bastian und Anke schreibt, hat man das große Privileg, dass das, was gedreht wurde, meistens besser ist als das, was man geschrieben hat – weil die beiden einfach alles aus den Texten rausholen und ihnen eine Komik und eine Tiefe geben, die vielleicht so gar nicht im Text stand. Das ist bei vielen meiner Autorenkollegen genau umgekehrt, und deswegen weiß ich mein Glück, mit den beiden arbeiten zu dürfen, sehr zu schätzen. Außerdem sind die beiden sack-professionell und unfassbar unkompliziert. Und wir kennen uns mittlerweile so lange, dass wir gegenseitig von unseren Stärken und Schwächen wissen. Wobei ich natürlich keine Schwächen habe ...
Wann war für Sie klar, dass Bastian Pastewka der Sprecher des Hörbuchs werden soll?
Für mich von Anfang an. Ich konnte mir keinen besseren Sprecher für das Buch vorstellen. Denn einerseits ist Bastian natürlich generell ein fantastischer Sprecher, aber wir teilen durch unsere lange Zusammenarbeit nun mal auch den gleichen Humor. Und deswegen wusste ich, dass er der Hauptfigur wie kein anderer Leben einhauchen, ihr dabei aber auch eine große Glaubwürdigkeit und emotionale Tiefe verleihen würde. Man hat von tausend guten Gags nichts, wenn einen die Geschichte nicht auch emotional kriegt. Das hab ich selbst beim Fernsehen schon gelernt.
Haben Sie einen Lieblingsautor?
Ich muss zugeben, dass ich nicht wirklich viel lese und gelesen habe. Wie Bastian bin ich ein Kind des Fernsehens und habe als Jugendlicher lieber Ein Colt für alle Fälle und Simon & Simon geguckt, als die bestimmt sehr poetische Welt von Paulo Coelho zu entdecken. Außerdem lese ich einfach extrem langsam, weswegen es sich bei mir über Wochen und Monate zieht, bis ich mal ein Buch durch habe. Aber wenn ich einen Lieblingsautor nennen soll, wäre es nach wie vor John Irving. Owen Meany ist ein geradezu magisches Buch und ganz große Erzählkunst – wenn ich das als Wenigleser überhaupt bewerten kann. An neuen Sachen hat mich Neil Gaimans Der Ozean am Ende der Straße ziemlich umgehauen.
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