»IRGENDWANN WERDEN DIE JETZIGEN CHEF:INNEN BLOSS TOURIST:INNEN IN UNSERER WELT SEIN!« | 01.02.2023
Dein aktuelles Buch trägt den Titel „Sinnmaximierung. Wie wir in Zukunft arbeiten“. Was gibt Arbeit einen Sinn?
Das Problem: Wir sehen Arbeit sehr getrennt von unserem Leben. Man arbeitet, um zu leben. Ich finde das deprimierend. Als Menschen verspüren wir ein tiefes Bedürfnis, unser Umfeld, und damit die Gesellschaft, zu verändern und zu verbessern. Und das löst Dopamin aus und macht uns glücklich. Etwas zu finden, das man so liebt, dass sich die manchmal anstrengenden Teile von Arbeit nicht wie Arbeit anfühlen – das muss der Anspruch sein, damit sie für uns einen Sinn macht. Es ist immer alles mit Augenrollen und Anstrengung assoziiert, und ich will da ein anderes Bild aufzeigen: dass es sich lohnt, der Arbeit nachzugehen, die einem Spaß macht, in der man gut ist und die am Ende des Tages auch Geld generiert, von dem man leben kann.
Wann sind Menschen mit ihrem Job glücklich?
Wenn sie ihn eben nicht als „Job“ verstehen, als etwas Kurzzeitiges, das sie davor bewahrt, zu verhungern und zu erfrieren. Wir müssen weg von Jobs hin zu Berufen, in denen man seiner Berufung näherkommt. Meine Überzeugung: Jeder hat eine Passion. Was ich am Begriff Work-Life-Balance so tragisch finde: Er impliziert, dass man etwas Negatives (Work) mit etwas Positivem (Life) aufwiegen muss.
Was können andere Generationen von der Deinen in Bezug auf die Arbeitswelt lernen?
Was unsere Generation macht: Wir hinterfragen, wir stellen die Sinnfrage, wir können auch mal laut werden und protestieren. Wir rebellieren gegen den Status Quo, und das müssen die älteren Generationen ernst nehmen. Denn irgendwann werden die jetzigen Chef:innen bloß Tourist:innen in unserer Welt sein. Gerade wenn es um das Thema Arbeitszeit geht, sieht man ja ganz hart, wie stringent das gefahren wird. Die Älteren denken meist noch sehr industriell: Du musst acht Stunden absitzen – du musst da sein, ich schaue dir auf die Finger –, aber im Großteil der Berufe kann niemand acht Stunden lang produktiv sein. Heute regt man sich auf, dass wir von 40 Wochenarbeitsstunden runter wollen auf 32. Früher waren es 60. „Am Samstag gehört der Papa mir!“, das war ja der gewerkschaftliche Slogan. Doch wenn die Arbeitszeit reduziert wird, und wir nur noch vier Stunden unseres Tages der Arbeit schenken, dann sind wir entspannter, glücklicher und ausgeglichener. Allerdings: Die neuen Arbeitskonzepte – weniger Arbeitszeit, Homeoffice, flexibles Arbeiten –, die setzt man ja nicht um, weil es chilliger ist, weil keiner mehr arbeiten will, sondern weil es produktiver ist. Da muss man sich einfach die Zahlen anschauen. Deshalb heißt mein Buch auch „Sinnmaximierung“ – ein Mix aus etwas Weichem wie Sinn und etwas Kaltem wie Wirtschaftlichkeit, Effizienz. Und das ist sehr gut kombinierbar, weil man ja auch immer Menschen anstellt, nicht Positionen oder Berufe.
Was sollte ein Unternehmen bieten, um junge Leute für sich zu gewinnen?
Es sollte schon nach außen hin signalisieren: Wir haben verstanden, wo die Arbeitswelt hingeht, was ihr braucht. Meine größte Empfehlung für Unternehmen lautet, Leute aus den verschiedenen Generationen in die Führungsstrukturen einzubauen – dann umgeht man ganz viele Probleme. Sitzt einem Bewerber aus der jüngsten Generation Z beim Vorstellungsgespräch ein Marketing-Chef aus derselben Generation gegenüber, sagt das viel darüber aus, wie das Unternehmen denkt. Das soll aber nicht heißen, dass die ganze Firma übernommen wird von einer Meute an Jüngeren. Die Aufgabe ist, eine sinnvolle Kombination aus Erfahrung und gelegentlich auch Weisheit sowie Innovationswillen und einem gewissen Rebellentum hinzubekommen.
Du hast das Buch deinem Vater Matthias Horx gewidmet, dem Gründer des Zukunftsinstituts, für das auch Du tätig bist. Was ist ihm an der Einstellung Deiner Generation zur Arbeit fremd?
Gar nichts. Er hat nie seine Mission und sein Privatleben getrennt. Dass der mal einen Tag nicht arbeitet, das habe ich noch nie gesehen. Aber beim Mittagessen Thesen weiterzuentwickeln sieht er auch nicht als Arbeit an. Ich setze mich so für Work-Life-Blending ein, weil ich weiß, dass es funktioniert. Dabei vermischen sich Arbeit und Privatleben organisch. Dann kann ich problemlos auf dem Weg zur Arbeit mein Kind in die Kita bringen, und wenn ich auf dem Weg zum Fitnessstudio mit einem Kunden telefoniere, geht die Welt auch nicht unter.
Was war früher besser?
Die älteren Generationen sind in einer Zeit aufgewachsen, da konnte man mit 40 Stunden die Woche über die Runden kommen und ziemlich ok seine Familie ernähren. Man hat auch mal ein bisschen mehr Geld bekommen, einen dickeren Firmenwagen. Diese Realität stimmt schlicht und ergreifend für die Jüngeren nicht mehr. Sie steigen in den Beruf ein und müssen zwei Drittel ihres Gehalts für Fixkosten ausgeben, und werden dann noch beschuldigt, dass sie selbst dran schuld sind, weil sie zu faul sind. Früher war Loyalität gegenüber einem Unternehmen wertvoller. So eine Kontinuität, die sich auch in der Entlohnung darstellt, das gibt es nicht mehr. Wenn du heutzutage eine Gehaltserhöhung haben möchtest, musst du drohen zu kündigen oder dich abwerben lassen. Deswegen knarzt es da auch gerade so.
Du bist ein international gefragter Speaker zu Themen wie New Work. Wie siehst Du deine Rolle?
Ich sehe mich als eine Mischung aus Wanderprediger und Hofnarr. Um meine Mission unters Volk zu bringen, fliege ich die ganze Zeit durch die Gegend und schlafe in Hotels. Aber das ist ein Preis, den ich gerne dafür zahle. Ich rede vor C-Levels wie ein Hofnarr, der den Königen den Spiegel vorhält. Natürlich provoziere ich, aber produktiv. Die gute Nachricht: Auch wenn mich Manager eigentlich total ätzend finden, müssen sie mir zuhören. Wegen des Arbeits- und Fachkräftemangels richten sich immer mehr Führungskräfte danach, was die Jüngeren wollen. Aber es gibt halt ein Drittel, da hast du meiner Erfahrung nach keine Chance, etwas zu bewegen. Aber das sind auch die Unternehmen, die früher oder später Hopps gehen werden, weil ihnen schlicht und ergreifend die Nachwuchstalente fehlen. Dieses Problem wird der Markt lösen.