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George Lester

George Lester arbeitet als Autor und freier Lektor, ist Musical- und Disney-Fan und begeistert auf der Bühne als Drag Queen mit dem Namen That Girl. Er lebt mit seinem Partner in Twickenham, London. Auf YouTube und Instagram (@ thegeorgelester) spricht George unter anderem über Bücher und übers Schreiben. In all seinen Farben ist sein Debüt bei ONE.

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Interview

»Als die erste Drag Queen Cheryl Hole auf der Bühne war, saß ich weinend neben meiner Freundin und mir wurde klar, dass Drag das war, was ich mein Leben lang machen wollte. Ich wollte wie Cheryl sein.« | 05.07.2021

In Deinem Buch geht es um Widerstand, Freude, Toleranz und Selbstverwirklichung. Aber Du greifst darin auch Gewalt und Diskriminierung, Intoleranz und Homophobie auf. Hast Du solche Anfeindungen selbst erlebt?Ich bin in Essex aufgewachsen und habe all das als Teenager erlebt. Ich denke, so geht es v...

In Deinem Buch geht es um Widerstand, Freude, Toleranz und Selbstverwirklichung. Aber Du greifst darin auch Gewalt und Diskriminierung, Intoleranz und Homophobie auf. Hast Du solche Anfeindungen selbst erlebt?
Ich bin in Essex aufgewachsen und habe all das als Teenager erlebt. Ich denke, so geht es vielen Kids; auch, weil das Schulsystem meiner Meinung nach nicht geeignet ist, damit umzugehen. Bei Mobbing wurde uns oft geraten, Anfeindungen zu ignorieren – dabei sollte doch die Lehrkraft etwas unternehmen. Wir sollten uns nicht verstellen müssen, nur um dazuzugehören, aber oft gibt es keine andere Möglichkeit.
Es ist schwer, damit umzugehen und sich davon nicht beeinträchtigen oder klein machen zu lassen. Ich habe das Gefühl, dass sich die Zustände langsam bessern, oder zumindest hoffe ich das – denn es gab Zeiten, da wollte ich einfach nicht in die Schule gehen. Nur in meinen Schauspiel- und Tanzkursen konnte ich wirklich ich selbst sein, und dafür werde ich den Lehrpersonen immer dankbar sein.
Es gibt einen kurzen Moment, in dem Robin zögert, sein Gegenüber zu fragen, ob er schwul ist – eine heikle Frage. Für all unsere LGBTQIA+ Anfänger da draußen: Wie fragt man, ob jemand queer ist, ohne zu fragen, ob jemand queer ist?

Sich als queere Person zu outen ist etwas, das wir unser ganzes Leben lang machen werden (es sei denn, die Gesellschaft verändert sich noch massiv) und, ehrlich: herauszufinden, ob jemand queer ist, fühlt sich an wie ein Minenfeld. Es ist aufdringlich, jemanden direkt zu fragen, ob er queer ist, wenn man denjenigen nicht gut kennt. Die Person fühlt sich vielleicht nicht wohl dabei, ist vielleicht nicht in einem safe space, weiß vielleicht immer noch nicht, ob sie queer ist oder nicht. Du hast kein Recht, diese Frage zu stellen.

Die Szene war auch schwer zu schreiben. Vielleicht ist der einzige Grund, warum Robin in »In all seinen Farben« damit durchkommt, der, dass sie in einem Schwulenclub sind – also ist die Frage in der Umgebung wohl eher gerechtfertigt. Aber selbst dann ist es schwierig. Mein Rat: Fragt Menschen, die ihr nicht wirklich kennt, nicht nach ihrer sexuellen Orientierung, bis sie euch diese Information bereitwillig geben. Ich persönlich gehe sehr offen mit meinem Queer-sein um; es steht in all meinen Social Media Profilen, ich erwähne es bei jeder Gelegenheit, weil ich stolz darauf bin. Aber nicht jeder ist schon an diesem Punkt. Also BITTE fragt niemanden danach, der die Info nicht von sich aus preisgibt. Seid achtsam und sobald die Person sich wohl genug fühlt, wird sie es euch schon sagen.

Als Robin zum ersten Mal den Club Dragcellence besucht, ist er fasziniert und stellt fest, dass er selbst Drag machen möchte. Gab es in Deinem Leben auch so eine besondere Show?
Was Robin in diesem Moment im Dragcellence erlebt, habe ich beinahe genau so erlebt. Ich hatte mir den Besuch in einem solchen Club selbst geschenkt, nachdem ich meine eigene Drag-Show an der Uni performt und den dazugehörigen Essay eingereicht hatte. Als die erste Drag Queen Cheryl Hole auf der Bühne war, saß ich weinend neben meiner Freundin Hannah und mir wurde klar, dass Drag das war, was ich mein Leben lang machen wollte. Ich wollte wie Cheryl sein. Das war ein einschneidendes Erlebnis, das ich unbedingt auch im Buch festhalten wollte.
Aber als queere Person kann der Besuch eines queeren Ortes generell einen enormen Eindruck hinterlassen. Es fühlt sich auf merkwürdige Weise sicher an. Ich habe es kürzlich wieder gemerkt, als ich meine erste Drag-Show nach dem Lockdown besucht habe. Ich hatte ganz vergessen, wie es sich anfühlt, wenn man sich an einem Ort derartig willkommen fühlt und die Drag Queen direkt vor deinen Augen auftritt. Alles verblasst und man wird an einen völlig anderen Ort transportiert. Es ist wie eine andere Welt!
Hast oder hattest Du selbst einen Menschen wie Mrs Hepburn, der Dich empowert und ermutigt?
Mrs Hepburn ist meiner wunderbaren Schauspiellehrerin nachempfunden. Sie war ein wenig wild (so wie Schauspiellehrerinnen eben sind) und hat mich immer ermutigt, meine Ziele zu verfolgen. Sie hat mich für meine Vorsprechen am National Youth Theatre und an der Schauspielschule gecoacht, sogar nachdem ich nicht mehr an der Schule war. Ich kann ihr gar nicht genug danken, dass sie mit ihrem Schauspielstudio über all die Jahre einen Zufluchtsort für mich geschaffen hat.
Auch in meinem weiteren Lebenslauf sind es viele Personen aus dem Schauspielkosmos, die mich unterstützt und empowert haben: Regisseure und Schauspielkolleginnen und -kollegen von Amateurproduktionen, mein unglaublicher Mentor Dr. Joe Parslow, der meine Drag Identität That Gurrrl gefördert hat – die Liste ist endlos. Es ist unglaublich, einen solchen Support zu haben.
Aber so gut es auch tut, solche Leute hinter dir zu haben, die dich unterstützen und antreiben, deine Träume wahrzumachen – man muss auch selbst an sich glauben. Das ist hart und funktioniert nicht immer. Es wird sicher Tage geben, an denen man kaum aus dem Bett kommt, und dann wird es Tage geben, an denen man sich fühlt, als könne man die Welt erobern. Es ist eine unaufhörliche Reise. Umgib dich mit Personen, die hinter dir stehen, aber versuche auch hin und wieder, an dich selbst zu glauben.
Wer sind Deine Vorbilder?
Ich habe mit Drag angefangen als Teil meines Musical-Masterstudiums. Wir mussten eine Soloshow aufführen und ich beschloss, dass ich Drag machen wollte. Aus der Idee entstand meine Show Who's That Gurrrl? (meine Drag-Persona war That Gurrrl); eine Erkundung meiner queeren Identität unter Einflüssen meiner psychologischen Drag-Mütter (RuPaul und Lady Gaga) und der queeren Ikonen, die mich in meinem jungen Leben und in meinem Drag-Leben beeinflusst haben.
RuPaul ist sicherlich nicht unumstritten und ich würde sie kaum als Vorbild bezeichnen, aber man kann ihren Einfluss und ihre Wirkung nicht leugnen. Meine Drag-Identität würde ohne Drag Race nicht existieren und viele der Queens, die ich so sehr liebe, hätte ich gar nicht entdeckt. Aber wenn man etwas für Drag übrig hat, schuldet man es sich selbst, sich über Drag Race hinaus damit zu beschäftigen, bitte! Im Drag-Bereich gibt es noch viele weitere Menschen, die ich als einflussreich und als Vorbilder bezeichnen würde. Queens, die meine Drag-Identität immer weiter prägen: Me and Herr und all die Queens der Me-Family (Tayce, Joyless, Ophelia Love, Kitty Scott Claus, Cheryl Hole, Baby und viele mehr). Wenn ich sie performen sehe, sehe ich die Queen, die ich einmal sein möchte. Die Performances sind intelligent, leidenschaftlich ausgeführt und oft völlig lächerlich, was es so wunderbar zum Anschauen macht.
Lady Gaga ist auch ein großer Teil meines Lebens. Als Teenager habe ich Freiheit und Queerness erst durch sie wirklich entdeckt (Born This Way wird dieses Jahr 10 Jahre alt – jetzt fühle ich mich alt!). Und sie hat seit jeher einen großen Einfluss auf mich.
Aber jeder, der da draußen die authentischste Form seiner Selbst ist, mit offenen Armen durchs Leben geht und dafür einsteht, was er ist und einmal sein möchte – ich verneige mich vor euch. Ihr inspiriert Menschen, vielleicht sogar ohne es zu wissen. Weiter so!
Wenn Du Dein Buch in Liedern beschreiben müsstest, welche würdest Du wählen?
Don’t Rain On My Parade von Barbra Streisand kommt auch im Buch vor und hat sich wie ein Wendepunkt für Robin angefühlt. Außerdem How Will I Know von Whitney Houston, für bestimmte Momente zwischen Robin und einer gewissen anderen Person. Und Dance With Me von Kelly Clarkson: Jedes Mal, wenn das Lied lief, hatte ich eine Szene im Kopf, die es zum Glück auch ins Buch geschafft hat. Tatsächlich gibt es auf Spotify eine Playlist mit allen Songs, die das Buch inspiriert haben und die Robin gefallen würden.
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