Interview mit Kira Licht zum Auftaktband ihrer neuen Trilogie "Kaleidra - Wer das Dunkel ruft" | 27.10.2020
In Deinen eigenen Worten: Worum geht es in Deinem Buch?
Es geht um en ganz normales Mädchen, das gerade seinen Schulabschluss macht – ganz normal ist sie aber nur, bis sie mit ihrer Klasse ein Museum besucht. Dort stellt sie fest, dass sie das legendäre Voynich-Manuskript lesen kann, das als unlesbar gilt. Bald darauf wird ihr klar, dass ihre Fähigkeit Aufsehen erregt haben muss: Sie fühlt sich erst verfolgt und lernt dann sehr schnell mysteriöse Menschen kennen, die sich als Alchemisten einer Loge herausstellen. Sie wird in eine ganz neue Welt geworfen, ist am Anfang völlig überrannt von dem, was hinter ihrer gewohnten Realität passiert. Aber sie versteht, dass sie der Schlüssel zu einem wichtigen Geheimnis ist, das die ganze Menschheit betrifft. Sie wächst in der Geschichte an sich selbst und für andere. Am Ende ist sie nicht mehr dieselbe – aber ich glaube, gerade diese Selbstentwicklung wird viele Leser*innen mitreißen.
Mit welchem Gefühl möchtest Du Deine Leser*innen nach der letzten Seite zurücklassen?
Bei dem Cliffhanger am Ende des Buches: erstmal atemlos und völlig am Boden zerstört (lacht). Es wird am Ende noch sehr turbulent und ich würde mich freuen, wenn sie das Buch atemlos zuschlagen und es erst einmal zwei, drei Tage auf sich wirken lassen, alles Revue passieren lassen, vielleicht noch einige Dinge nachschlagen – das wäre schön.
Wie bist Du auf das Voynich-Manuskript aufmerksam geworden?
Mein Mann und ich haben eine Dokumentation über die größten Rätsel der Menschheit geschaut. Darin wurden Bilder aus dem Manuskript gezeigt und mein Interesse war sofort geweckt. Nach kurzer Recherche war ich Feuer und Flamme, habe mir das Buch zu Weihnachten gewünscht – und dann gab es kein Halten mehr. Ich habe tagelang die Nase darin vergraben, mir Gedanken gemacht, wie es sich strukturieren und einteilen lässt. Es war um mich geschehen und die Idee zu Kaleidra geboren.
In deinem Buch steckt viel Wissen über Rom, seine Geschichte, über Chemie und das Voynich-Manuskript – wie viel Recherchearbeit steckt dahinter?
Insgesamt waren das sicherlich vier, fünf Monate. Ich habe viel in und über Rom recherchiert, habe chemische Details überprüft, sodass die Prozesse im Buch alle sauber sind und Sinn ergeben. Aber die größte Arbeit war tatsächlich, das Voynich-Manuskript in eine geschichtliche Umgebung zu verorten: Wo war die Hochburg der Alchemie, wie passt das mit meinem Setting im Buch zusammen? Wie passt die Entstehung des Manuskripts im 15. Jahrhundert in meine Geschichte, wie bette ich die Theorie des Manuskripts in meinen Plot ein? Da flossen eine Menge Herzblut und mehrere Ordner Recherchematerial hinein.
Deine Protagonistin hat ein Faible für Mathe und Chemie – geht es Dir auch so?
Durch mein Studium kenne ich mich auch gut mit (Bio-)Chemie aus. Daran habe ich auch Spaß und fand die Elemente und die Möglichkeiten, die sie einem eröffnen, schon immer cool. Darum wollte ich schon immer mal ein Buch über ein Thema schreiben, bei dem eigentlich zwei Drittel der Leser*innen am liebsten schreiend davonlaufen würden – und es so verpacken, dass sie doch dranbleiben und es gut finden. Im Laufe des Lektorats haben wir auch einiges gestrichen, damit es nicht zu viel wird. Ich hatte einige Sachen drin, die wirklich creepy waren (lacht): Ich habe zum Beispiel auf NASA-Seiten recherchiert, wie man Tarnumhänge baut – das geht wirklich! – aber das driftete zu sehr ins Technische ab. Also ja, meine Begeisterung für Naturwissenschaften ist groß.
Wie viel von Dir selbst steckt in deiner Protagonistin?
Das frage ich mich bei anderen auch immer (lacht). Genau wie Emilia interessiere ich mich für Naturwissenschaften, was für Mädchen – traurigerweise – immer noch untypisch ist. Und wie sie auch schaffe ich es, mich auf Situationen einzulassen, auch wenn ich erst einmal lautstark protestiere. Auch im familiären Umfeld sind einige Parallelen: Ich habe eine innige Beziehung zu meiner Mutter und liebe meinen Hund sehr.
Dein Buch spielt in Rom. Hast Du selbst einmal in Rom gelebt oder warst für Recherchezwecke dort?
Mein Mann und ich waren zwei Mal in Rom, einmal extra zur Recherche. Dann wollten wir im April diesen Jahres ein drittes Mal hin, das hat sich leider zerschlagen. Aber ja, ich kenne Rom und mag die Stadt unwahrscheinlich gern. Auch die Geschichte Italiens, das Römische Reich etc. finde ich sehr spannend.
Wie plottest Du eine Geschichte?
Zunächst überlege ich, welche Zeitspanne ich in einem Buch erzählen möchte. Danach teile ich die Tage ein, zunächst nur im Kopf, dann bepflastere ich die Wände meines Arbeitszimmers mit unzähligen Zetteln, auf denen ich die Tage abhandle. Das ist auch im weiteren Schreibprozess praktisch: Wenn ich einmal feststecke, kann ich einfach auf den entsprechenden Tag schauen und mir werden die Zusammenhänge wieder klarer.
Einige Autor*innen berichten immer wieder, dass ihre Charaktere ein Eigenleben entwickeln. Geht es Dir auch so?
Bei den Protagonist*innen gebe ich die Zügel nicht so gern aus der Hand. Aber meine Nebenfigur Larkin beispielsweise hat sich sehr viel bunter entwickelt, als ich eigentlich dachte. Ihn habe ich dann noch ein wenig skurriler gezeichnet, als er eigentlich geplottet war – das hat sich gelohnt, finde ich.
Ist Schreiben eine einsame Arbeit?
Ich bin jemand, der sich nie einsam fühlt. Ich bin wahnsinnig gern allein und genieße das Schreiben daher sehr.