Gergana Muskalla - Sprecher
© Margarita Brenner-Grigorova

Sprecherin

Gergana Muskalla

Gergana Muskalla, 1979 in Sofia geboren, studierte Schauspiel an der Folkwang Universität der Künste in Essen und arbeitete 8 Jahre lang an verschiedenen Bühnen des Landes. Seit 2013 ist sie hauptberuflich als Sprecherin tätig und in zahlreichen Produktionen des Hessischen Rundfunks, dem ZDF, arte, 3Sat und dem SWR zu hören. Sie hat u. a. den Kommentar für Marcin Wierzchowskis Dokumentation "Hanau – eine Nacht und ihre Folgen" gesprochen, die 2022 mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet wurde. Zudem hört man ihre Stimme in vielen Hörbüchern, Hörspielen und Synchron-Produktionen.

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Interview

»Ich versuche, die Bilder hinter den Worten lebendig werden zu lassen« | 20.09.2023

Liebe Frau Muskalla, Ihre Stimme ist Teil vieler Hörbücher, auch unterschiedlicher Genres. Was reizt Sie an einem humoristischen Spannungstitel wie DER COCKTAILMÖRDERCLUB von Colleen Cambridge?Reizvoll ist es, weil es einerseits um die Aufdeckung eines Mordfalles geht und man im Zuge der Ermittlunge...

Liebe Frau Muskalla, Ihre Stimme ist Teil vieler Hörbücher, auch unterschiedlicher Genres. Was reizt Sie an einem humoristischen Spannungstitel wie DER COCKTAILMÖRDERCLUB von Colleen Cambridge?
Reizvoll ist es, weil es einerseits um die Aufdeckung eines Mordfalles geht und man im Zuge der Ermittlungen unentwegt spekuliert, wer die Täterin oder der Täter sein könnte. Und andererseits offenbaren sich die Beziehungen zwischen den Figuren Stück für Stück, es kommt zu Wendungen, Abgründe werden sichtbar, aber die Leichtigkeit des Erzählens geht dabei nie verloren.
Sie haben bereits den ersten Teil der Phyllida-Bright-Reihe, DIE DREITAGEMORDGESELLSCHAFT, gelesen. Freuen Sie sich darauf zu Agatha Christies Haushälterin zurückzukehren?
Ja, absolut. Es ist schön mit dem Roman in die Vergangenheit einzutauchen, zumal das Setting überhaupt nicht verstaubt wirkt. Man wird von einer selbstbewussten, emanzipierten Frau, die sich in der damaligen Männerwelt geschickt durchmanövriert, an die Hand genommen. Das macht einfach Spaß! Zudem freue ich mich, dem großen Personenaufgebot meine Stimme zu geben. Die Figuren sind liebevoll und detailreich umschrieben, und das regt die Fantasie der Erzählerin, also meine, besonders an. Auch die Sticheleien zwischen der Haushälterin Phyllida Bright und dem Butler Mr. Dobble sind mir stets ein großes Vergnügen.
Neben Ihrer Tätigkeit als Hörbuchsprecherin sind Sie zudem in zahlreichen Dokumentationen zu hören, unter anderem in HANAU – EINENACHT UND IHRE FOLGEN, 2022 mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet. Was unterscheidet die Arbeit als Sprecherin für ein Hörbuch von der an einer filmischen Produktion?
So einiges. Die Vorbereitung auf ein Hörbuch ist viel intensiver. Je nach Lektüre lese ich das Buch erst einmal komplett durch und mache mir in einem zweiten Durchgang Notizen. Dabei markiere ich die Adjektive, die die wörtliche Rede umschreiben, um die Sätze entsprechend zu gestalten. Bei DER COCKTAILMÖRDERCLUB erstelle ich mir eine Liste mit allen Personen, die darin vorkommen, und kopiere mir in diese Liste dann auch die Beschreibungen zum Äußeren und zu ihrem Gebaren. So entstehen Bilder in meinem Kopf, die mich inspirieren, automatisch meine Stimme färben und die Art und Weise des Sprechens beeinflussen. Trotzdem geschieht vieles von allein, sobald ich in die Lektüre einsteige und in einen Erzählfluss komme.
Bei einer Doku habe ich oft die Gelegenheit, die Filme vorher zu sehen, um einen Eindruck zu bekommen, welche Stimmung vermittelt werden soll. Dann lese ich den Text und mache mir Betonungszeichen. Anschließend mache ich mit dem Sender oder dem Studio die Aufnahme. Der zeitliche Aufwand ist also recht überschaubar. Zudem nehme ich in einer Doku zwar unterschiedliche Haltungen als Sprecherin ein — mal neutral, mal deutlich kommentierend —, aber ich bin stets nur eine Stimme. Bei einem Hörbuch muss ich viel mehr jonglieren zwischen den einzelnen Figuren. Manchmal sitze ich sechs oder sieben Stunden pro Tag an der Hörbuchaufnahme und muss diese Flexibilität stets beibehalten. Mein Kopf wird stark gefordert.
Gibt es auch Gemeinsamkeiten?
Bei beidem ist meine persönliche Herangehensweise rein psychologisch betrachtet recht ähnlich. Ich versuche in die Perspektive der erzählenden Figur einzutauchen — ob Doku oder Hörbuch. Diese persönliche Erzählweise ist für mich bei beiden Genres von entscheidender Bedeutung.
Wie schaffen Sie es, mit Ihrer Stimme die Atmosphäre des Hörbuchs einzufangen? Wie vermitteln Sie die Spannung des Kriminalromans?
Die Worte geben es meist schon vor. Und natürlich habe ich als Sprecherin ein gewisses Handwerkszeug — wie zum Beispiel an bestimmten Stellen Pausen einzubauen, mit der Lautstärke zu arbeiten, das Tempo zu erhöhen oder zu verlangsamen, aber vieles entsteht automatisch durch das Eintauchen in die Geschichte und die Empathie, die ich für die Figuren entwickle.
Wie transportieren Sie beim Sprechen der Phyllida-Bright-Reihe den britischen Humor, ohne dass die notwendige Ernsthaftigkeit der Kriminalhandlung verloren geht?
Der britische Humor ist ein feiner Humor. Daher zeichnet sich auch die Reihe eher aus durch kleine Spitzen und situative komische Momente, keine Schenkelklopfer. Man findet sehr schnell zur Handlung zurück, selbst wenn es mal Dialoge gibt, die eine gewisse Komik bergen. Ich achte speziell darauf, mich nicht in der Darstellung der Figuren zu verzetteln.
Neben der Protagonistin Phyllida Bright kommen viele weitere Figuren im Hörbuch vor. Wie finden Sie für alle Charaktere die passende Stimme?
Bei dieser Vielzahl an Figuren war es auch für mich nicht leicht, beim Lesen den Überblick zu behalten, gerade mit Namen in einer fremdenSprache. Also brauche ich meine Liste. Wenn ich die Figuren dann klar vor Augen habe und sie individuell gestalte, kann ich den Hörer:innen dabei helfen, die Figuren sofort zu erkennen und der Geschichte zu folgen.
Was hat Ihnen beim Einlesen von DIE DREITAGEMORDGESELLSCHAFT am meisten Spaß gemacht?
Ich habe gern aus der Sicht von Phyllida erzählt. Und ich mochte die Spitzfindigkeiten zwischen ihr und dem Chauffeur, der mit seinem Hund in der Garage wohnt. Sie regt sich über ihn auf, aber irgendetwas fasziniert sie auch an ihm. Außerdem ist mir Phyllidas Schlussmonolog im Gedächtnis geblieben, in dem sie den Fall von allen Seiten betrachtet und Stück für Stück aufdeckt. Das hat großen Spaß gemacht, weil ich ganz in die Figur eintauchen konnte.
Erinnern Sie sich noch daran, was für Sie beim Einlesen des ersten Bandes der Phyllida-Bright-Reihe die größte Herausforderung war?
Für jede Figur eine individuelle Färbung zu finden. Ich habe mich gefragt, welche Haltung sie hat, was hinter ihren Worten steckt, hinter ihrem Verhalten. Allerdings ist die Handlung stets die wichtigere Komponente. Und die Herausforderung ist natürlich auch, nichts zu verraten — obwohl ich weiß, wer die Täterin oder der Täter ist. Ich möchte die Hörer:innen genauso auf die falsche Fährte locken wie dieAutorin. Ich versuche also einerseits wissend zu sein, den Hörer:innen einen kleinen, versteckten Schritt voraus, aber jungfräulich in der Darbietung.
Was macht gute Hörbuchsprecher:innen Ihrer Meinung nach aus?
Viele denken, dass eine angenehme Stimme genügt, aber es ist weitaus mehr, was es braucht, um einen Text so zu gestalten, dass er spannend, traurig, lustig oder dramatisch rüberkommt. Man kann das ganz gut damit vergleichen, wenn Zuschauer:innen nach einer Theatervorstellung staunen sagen: Wahnsinn, wie sich die Darsteller:innen so viel Text merken können! Dabei ist das gar nicht so schwer, wenn man in den Proben gemeinsam acht Wochen lang jede Szene von allen Seiten beleuchtet. Nicht das Was ist entscheidend, sondern das Wie. Genauso ist es auch beim Hörbuch. Ich versuche durch ein angemessenes Tempo, Dynamik in den Sätzen, Wärme oder Kälte in der Stimme, düstere oder freudvolle Haltung die Bilder hinter den Worten lebendig werden zu lassen. Ich muss dem Gesagten mit meiner Stimme Authentizität und Lebendigkeit verleihen, in dem ich mich mit den Personen des Buches identifiziere. Das ist es, worauf es ankommt!
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