Ethan Cross - Autor
© Kylee Kidd

Autor

Ethan Cross

Ethan Cross ist das Pseudonym eines amerikanischen Thriller-Autors, der mit seiner Frau, drei Kindern und zwei Shih Tzus in Illinois lebt. Nach einer Zeit als Musiker wandte Ethan Cross sich dem Schreiben zu und bereicherte die Welt fiktiver Serienkiller prompt um ein ganz besonderes Exemplar: Francis Ackerman jr. Seitdem bringt Ackerman zahlreiche Leser um den Schlaf und geistert durch ihre Alpträume. Neben der Schriftstellerei verbringt Ethan Cross viel Zeit damit, sich sozial zu engagieren, wobei ihm vor allem das Thema Autismus sehr am Herzen liegt.

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Interview

Interview | 11.12.2013

Was geht in einem Serienmörder vor? Warum ist er dazu geworden und wie entwickelt man einen solchen Charakter? Ethan Cross weiß die Antwort. Im Interview zu »Ich bin die Nacht« spricht der Autor über seine Faszination, Thriller zu schreiben und wie er es schafft, sich in Figuren wie Francis Ackerman...

Was geht in einem Serienmörder vor? Warum ist er dazu geworden und wie entwickelt man einen solchen Charakter? Ethan Cross weiß die Antwort. Im Interview zu »Ich bin die Nacht« spricht der Autor über seine Faszination, Thriller zu schreiben und wie er es schafft, sich in Figuren wie Francis Ackerman hineinzuversetzen und trotz aller Brutalität und Psycho-Spielchen selbst ganz normal zu bleiben.
Welcher Serienkiller fasziniert Sie am meisten?
Spontan fällt mir da Ted Bundy ein. Er war der Typ Mensch, den du jahrelang kennst und zu deinen Freunden zählst, der aber in Wirklichkeit ein Serienkiller ist – das stereotypische Monster von nebenan.
Ihr Schreibstil ist sehr temporeich, beinahe wie im Film. Hatten Sie während des Schreibens Filmszenen im Kopf?
Ich denke definitiv in Sequenzen und Filmszenen. Allerdings glaube ich nicht, dass das Schreiben eines Buchs bedeutet, einen Film im Kopf abzuspielen und so die Geschichte zu erzählen. Es bedeutet vielmehr, sich selbst in einen der Charaktere dieses Films zu verwandeln und die eigene Geschichte zu erzählen. Bücher sind so viel intimer, weil wir uns selbst in den Köpfen der Charaktere befinden und genau das miterleben, was sie erleben.
Wenn es einen Film zum Buch gäbe, wen würden Sie gerne in der Rolle des Francis Ackerman spielen sehen?
Das ist eine schwierige Frage, weil ich beim Schreiben nie einen Schauspieler vor Augen hatte. Allerdings ist es auch eine Rolle, mit der ein guter Schauspieler viel Spaß haben würde. Viele meiner Leser beschreiben ihn als einen weniger gebildeten Hannibal Lecter. Er ist gerissen, unbarmherzig, äußerst intelligent, charmant, gutaussehend und vollkommen wahnsinnig. Ich denke, Michael Fassbender (X-Men, Prometheus) würde in dieser Rolle glänzen. Aber auch Matthew Goode, Brad Pitt, Matt Damon und Johnny Depp wären Kandidaten für die Rolle, wenn sie nicht schon das passende Alter überschritten hätten. Und, als Ass im Ärmel, Michael Keaton. Er ist mittlerweile viel zu alt, aber wenn der Film vor 15 Jahren gedreht worden wäre, wäre er großartig gewesen.
Welche Filme schauen Sie gerne?
Eigentlich alle und das auch schon immer! Ich habe meine Eltern manchmal gezwungen, zwei oder drei Filme an einem einzigen Wochenende mit mir anzusehen. Wir waren oft erst in der Nachmittagsvorstellung, sind danach direkt weiter zum Drive-In und sind abends noch mal zurück ins gleiche Kino in die Abendvorstellung. Auf der High School lieh ich mir dann jeden Abend ein paar Filme aus der Videothek aus – ich habe aber trotzdem Mädchen getroffen, in einer Rock Band gesungen und Gitarre gespielt, Sport getrieben und war nicht nur Oberstufensprecher, sondern auch Abschiedsredner. Kurz nach dem College habe ich dann zusätzlich noch meine große Leidenschaft für das Lesen entdeckt. Filme und Bücher sind für mich ein magisches Erlebnis.
Haben die SAW-Filme eine Rolle bei der Inspiration Ihres Buches gespielt?
Nicht wirklich. Das Beste an den SAW-Filmen ist, dass die Charaktere darin gezwungen werden, unmögliche Entscheidungen zu treffen. Dies ist ein Konzept, an dem Ackerman ebenfalls festhält, dessen Umsetzung er jedoch ganz anders handhabt. Während in den SAW-Filmen viel Blut und theatralische Todesszenen im Mittelpunkt stehen, beschreiben meine Bücher solch extreme Szenen viel intimer, da ich den Fokus auf die Charaktere und deren Reaktionen darauf setze.
Was ist das Beste daran, ein Autor zu sein?
Das Vermögen, der Ruhm und die Groupies. Ach Moment, das gilt ja nur für einen Rockstar. Nein, im Ernst, ich denke das Beste am Autorendasein ist das Kreative. Ich bin glücklich, wenn ich die Kunst von anderen erlebe darf oder selbst etwas erschaffen kann. Aus dem Nichts etwas Neues zu formen, indem nur die eigene Vorstellungskraft genutzt wird, ist eine sehr therapeutische und erfüllende Erfahrung.
Warum haben Sie sich dazu entschieden, Thriller zu schreiben?
Ich bin mir nicht sicher, woher meine Faszination für Krimis und Thriller stammt, aber ich kann zu beinahe hundert Prozent sagen, dass ich noch nie ein Buch gelesen habe, in dem niemand getötet oder kein Verbrechen begangen wurde. Das, klingt ziemlich düster, aber ehrlich gesagt ist es doch so: Je mehr auf dem Spiel steht, desto höher ist der Grad der Spannung. Mein Ziel beim Schreiben ist es, ein Buch zu erschaffen, das ich selbst gerne lesen würde – und Krimi-/Actionthriller sind die Sorte Buch, die ich aufregend finde.
Ich vermute, meine Vorliebe zu diesem Genre beruht auf der Tatsache, dass ich selbst ein ziemlich normales Leben führe. So geht es wahrscheinlich den meisten Lesern von Krimis und Thrillern. Wir erleben im Normalfall keine Leben-oder-Tod-Situationen, wir wurden nie eines Mordes beschuldigt, sind nie einem Serienmörder begegnet usw. Aber das sind Ängste und Situationen, die wir durch die Welt der Bücher entdecken können. Ein talentierter Autor oder Filmemacher kann uns in die Schuhe von jemandem stecken, der Dinge erlebt, von denen wir nur träumen können oder die wir am meisten fürchten.
Wer darf Ihre Bücher als Erstes lesen?
Meine Mutter ist gewöhnlich die erste Person (neben meinen Lektoren), die meine Bücher liest. Der Grund dafür ist hauptsächlich, dass sie eine sehr schnelle Leserin ist und mir so relativ schnell ihren ersten Eindruck schildern kann. Und sie ist nicht die Sorte Mutter, die der Überzeugung ist, dass alles, was ich tue, großartig ist. Sie ist meine härteste Kritikerin!
Sie beschreiben viele brutale Szenarien sehr detailliert – auch im Hinblick auf psychologische Prozesse. Wie schaffen Sie es, auf diese Art zu schreiben? Wird man dabei nicht selbst verrückt?
Nein, das beeinflusst mich nicht. Es macht sehr viel Spaß, in den Kopf eines Mörders zu schlüpfen und sich die Welt durch ein anderes Paar Augen vorzustellen, aber das ist vielmehr so, wie wenn ein Schauspieler seine Rolle spielt. Ich werde deshalb nicht zu einem Killer oder lasse mich von dunklen Gedanken beherrschen. Ich glaube, jeder von uns hat eine dunklere Seite (ich offensichtlich mehr als andere), und ich fühle einfach in diesen Teil meines Gehirns hinein. Aber das ist auch die coole (und therapeutische) Sache am Schreiben: Ich kann jeden meiner Charaktere verkörpern, gut oder böse, Held oder Schurke.
Glauben Sie an das Gute im Menschen und dass selbst ein Serienkiller seine ganz persönlichen Gründe haben kann, um zu töten?
Wenn wir uns die Nachrichten ansehen und Schlagzeilen über Serienmörder lesen, fragen wir uns sofort “Wie kann ein Mensch nur so etwas tun?” oder “Was hat ihn nur dazu getrieben?”. Bei dem Versuch, diese Rätsel zu lösen, betrachten Ermittler oft die Vergangenheit der Person. Sie suchen nach einem Vorfall oder einer Reihe von Ereignissen, die diese scheinbar normale Person dazu getrieben haben könnten, aus dem Reich der sozialen Akzeptanz in die Welt des kriminellen Wahnsinns abzurutschen. Doch dann müssen wir uns fragen, ob hinter diesen Taten nicht noch mehr im Gange ist, als eine traumatische Kindheit oder eine Reihe unglücklicher Erlebnisse. Die meisten Forscher geben zu, dass das unnormale Verhalten von Serienkillern aus einer Kombination vieler einzelner Faktoren resultiert. Bis heute gibt es darauf keine einfache Antwort, doch viele unterstützen die Vorstellung, dass die Umstände, in die eine Person hineingeboren wird, ihre Persönlichkeit bestimmen.
In einer Studie, die vom FBI erhoben wurde, fanden Forscher heraus, dass 74% der untersuchten Mörder in ihrer Kindheit entweder physische oder psychische Misshandlungen erfahren hatten. 43% berichteten, dass sie hauptsächlich sexuellen Missbrauch durchlebt hatten. Das missbrauchte Kind, das zu einem Serienkiller heranwächst, ist längst zu einem Klischee in unserer Gesellschaft geworden, und noch heute wird eine Verbindung zwischen dem Missbrauch im jungen Alter und dem gewalttätigen Verhalten im späteren Leben gesehen. Allerdings besteht die Tatsache, dass die meisten Menschen, die als Kind missbraucht wurden, nicht zwangsweise zu einem Ted Bundy werden – außerdem gibt es viele Mörder, die eine normale Kindheit hatten. Missbrauch und äußere Umstände sind definitiv Faktoren dafür – aber es muss noch mehr hinter diesem Wahnsinn stecken.
Ich glaube, dass alle Serienmörder, unabhängig von verschiedenen Lebensverhältnissen und Genen, einen gemeinsamen Charakterzug haben. Ihnen allen wohnt eine Dunkelheit inne – eine Dunkelheit, die durch ihre furchtbaren Taten strahlt.
Ackerman sieht sich selbst als "Die Nacht", quasi als das Gegenstück zu "dem Guten". War das die grundlegende Idee für das Buch – Eine Geschichte über Gut und Böse?
Ich fand diese Idee der Dunkelheit und die Fragen, die sich damit ergeben, schon immer faszinierend. Könnte der schlimmste Mörder diese Dunkelheit überwinden und eine Art Erlösung finden? Könnte er lernen, die Dunkelheit zu kontrollieren, trotz der Barrieren, die gegen ihn arbeiten? Was passiert mit einem rechtschaffenen Mann, der der Dunkelheit mit den besten Absichten und unter dem Banner der Gerechtigkeit entgegentritt? Es sind unter anderem solche Fragen, die ich zwischen den Seiten von »Ich bin die Nacht« untersuche. Und diese Elemente spielen ebenso eine Rolle in meinen kommenden Romanen, wie »The Prophet« – das zweite Buch zu »Ich bin die Nacht«.
Was mögen Sie an Francis Ackerman?
So seltsam es klingt, ich liebe Ackerman. Er ist ein komplexer Charakter, der mehr Schmerz erfahren hat, als irgendjemand ertragen könnte und ein Teil von ihm will noch immer mehr sein, als das, was er ist. Er möchte einer von den Guten sein, aber seine verkrümmte Weltanschauung und seine Gier nach Schmerz machen dies unmöglich.
Wann sind Sie ihm zum ersten Mal begegnet?
Die Idee zu Ackerman kam während der Recherche zu Serienkillern und der Diskussion um Natur und Kultur. Ich stellte mir vor, welche Ergebnisse aus wissenschaftlicher Sicht herauskämen, wenn man die Auswirkungen von Schmerzen und Traumata in der Kindheit untersuchen und miteinander vergleichen würde. Dies könnte natürlich niemals umgesetzt werden, denn wer, der bei klarem Verstand ist, würde ein Kind bereitwillig solchen Schrecken aussetzen? Aber was wäre, wenn es eine solche Person gäbe, die nicht ganz bei Verstand ist? Was, wenn ein verrückter Psychologe beschloss, einen solchen Versuch an seinem eigenen Kind durchzuführen? Und so wurde Ackerman geboren. Er ist eine Mischung aus all dem Schmerz, der von den schlimmsten Mördern der Welt erfahren wurde. Er ist ein Kind von Monstern.
Wie entwickeln Sie Ihre Charaktere und Handlungsstränge?
Ich beginne gewöhnlich, indem ich mir einfach überlege, was in dem Buch alles passieren soll (charakteristische Momente, Actionszenen usw.). Dann fange ich an, die einzelnen Teile zusammenzufügen. Ich habe eine abwischbare Tafel und eine Korkpinnwand. An der Tafel brainstorme ich und hänge dann Notizzettel an der Korkwand auf. Diese Notizen beinhalten gerade genug Informationen für mich, um den groben Verlauf der Geschichte zu rekonstruieren und zu verstehen, wie die einzelnen Teile zueinander passen. Dann fertige ich einen Entwurf an.
Ich bin ein besessener Entwerfer. Für »The Prohet« habe ich einen 170-seitigen Entwurf geschrieben, der in Form von zwei Manuskripten mit Feedback von meinen Lektoren zurückkam. Dieser Entwurf beinhaltet so ziemlich alles, was in dem Buch passieren wird, sogar Gedanken, Recherche und Dialogfetzen.
Für mich ist das der härteste Teil. Wenn dies einmal geschafft ist und das „Schreiben“ beginnt, fließen die Dinge einfach und ich kann mich auf die Feinheiten konzentrieren. Nachdem der Entwurf fertig war, schrieb ich die restlichen 125.000 Wörter des Buchs innerhalb von eineinhalb Monaten.
Haben Sie viel recherchiert?
Ich recherchiere immer sehr viel für meine Bücher. Eine der aufregendsten Seiten daran, ein Schriftsteller zu sein, ist, die Möglichkeit zu haben, neue Dinge zu erkunden, interessante Menschen zu treffen und an faszinierende Orte zu reisen. Das geschieht natürlich nur im Rahmen der Recherche. Wir alle kennen das Sprichwort „Schreibe, worüber du etwas weißt“, aber ich denke es sollte vielmehr heißen „Schreibe, worüber du gerne etwas wissen willst“. Mit dieser Denkweise kann ein Autor sein Leben anreichern und seinen Horizont erweitern und gleichzeitig seine Leser an Orte führen, von denen sie nicht einmal wussten, dass sie sie besuchen wollten.
Für »Ich bin die Nacht« habe ich viel zum Thema Polizeiverfahren und Gedankengänge von Serienkillern recherchiert. Ich hatte das Glück, Hilfe von einigen Gesetzeshütern bekommen zu haben, u.a. ATF-Agenten und der Colorado State Patrol. Außerdem habe ich einen Schwager, der einmal als Polizist gearbeitet hat und ich habe einen Freund, der Polizeichef in unserer Stadt war. Ich konnte also viel Zeit auf dem Rücksitz von Polizeiwagen verbringen (nicht unbedingt das, was sich die meisten Leute wünschen).
Der letzte Satz in »Ich bin die Nacht« lautet »Die Spiele sind eröffnet«. Wird es noch weitere Geschichten über Francis Ackerman geben?
Es wird definitiv noch weitere Schäfer-Bücher geben. Das erste aus dieser Reihe ist ein vorläufiger Roman mit dem Titel »Racheopfer«. Hier wird Ackermans Flucht aus einer Hochsicherheits-Psychiatrie geschildert und beinhaltet bis auf Ackerman ausschließlich unbekannte Figuren. Das Buch danach heißt »The Prophet«. Hier werden wieder alle Figuren aus »Ich bin die Nacht« dabei sein…jedenfalls jene, die überlebt haben.
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