„Rom ist eine Stadt, die an jeder Ecke Geschichten erzählt.“ | 12.10.2020
Roms Straßen, Gebäude und Plätze beschreiben Sie so lebhaft und farbenprächtig, man möchte sich beim Lesen Ihres neuen Romans ES WAR EINMAL IN ITALIEN augenblicklich in den nächsten Zug setzen in diese wunderbare und aufregende Stadt. Was fasziniert Sie besonders an Rom?
Wenn man in Rom geboren ist und dort aufwächst, dann lernt man diese Stadt bald mit allen Stärken und Schwächen kennen und lieben. Die Stadt ist eine große Verführerin. Selbst wenn es Tage gibt, an denen man im Hass auf sie einschläft, wacht man am nächsten Morgen auf und ist bereit, sie wieder zu lieben.
Außerdem ist Rom das größte und umfassendste Geschichtsbuch der Welt. Schon die Etrusker haben hier, noch vor den alten Römern, ihre Spuren hinterlassen. Die Geschichte wird lebendig und begegnet einem überall in der Stadt, ob man als Kind auf mehr als 2000 Jahre alten römischen Überresten Fußball spielt, oder als Teenager hinter einer antiken ägyptischen Säule seine erste Liebe küsst, unter der Kolonnade von San Pietro vor der sengenden Sonne Schutz sucht, oder eine Kirche betritt um einen Caravaggio zu bewundern. Rom ist eine Stadt, die an jeder Ecke Geschichten erzählt. Und ich glaube, das ist der Grund, warum alle Römer gerne Geschichten erzählen, weil sie es von klein auf so gelernt haben.
Außerdem ist Rom das größte und umfassendste Geschichtsbuch der Welt. Schon die Etrusker haben hier, noch vor den alten Römern, ihre Spuren hinterlassen. Die Geschichte wird lebendig und begegnet einem überall in der Stadt, ob man als Kind auf mehr als 2000 Jahre alten römischen Überresten Fußball spielt, oder als Teenager hinter einer antiken ägyptischen Säule seine erste Liebe küsst, unter der Kolonnade von San Pietro vor der sengenden Sonne Schutz sucht, oder eine Kirche betritt um einen Caravaggio zu bewundern. Rom ist eine Stadt, die an jeder Ecke Geschichten erzählt. Und ich glaube, das ist der Grund, warum alle Römer gerne Geschichten erzählen, weil sie es von klein auf so gelernt haben.
Nella, Pietro und Marta verbindet die Erfahrung, als Waisen aufgewachsen zu sein. Die Sehnsucht nach Liebe und Zugehörigkeit, das ist der rote Faden, der die Figuren verbindet. Was bedeutet es, Teil einer Familie zu sein?
In ES WAR EINMAL IN ITALIEN wollte ich den sehr wichtigen historischen Moment beschreiben, in dem eines der ältesten Völker unserer westlichen Zivilisation zu einer Nation wurde. „Wir sind Italiens Fleisch und Blut“, lautet der Ausruf der Patrioten im Buch. Die Geburt unserer Nation war der Weg zur Wiedervereinigung einer ‚Familie‘, die seit Jahrhunderten zerbrochen war. Meine Figuren folgen dem gleichen Schicksal wie Italien. Sie sind einsame Menschen, Opfer des Schicksals, das ihnen durch ihre Geburt vorbestimmt wurde. Familie bedeutet zuallererst Solidarität, Schutz, aber noch mehr Liebe und Zuneigung und eine Wiege, in der die eigenen Träume und Ambitionen wachsen und Wirklichkeit werden können.
Melo bezeichnet den Zirkus als Familie. Armandina La Bella, die selbst kinderlos ist, wird zur Mutter aller Kinder, die der Zirkus auf seinem Weg durch Italien aufnimmt. Wofür steht der Zirkus Callari noch?
Der Zirkus Callari stellt für mich das wahre Wesen Italiens und der Italiener dar. Farbenfrohe, funkelnde, fröhliche, scheinbar oberflächliche Menschen. Aber unter dieser schillernden farbenfrohen Oberfläche stecken bei genauerem Hinsehen enorme Überraschungen. Nicht nur Talent und Kreativität, sondern auch die Fähigkeit, sich in schwierigen Zeiten zusammenzuschließen. Und vor allem der Wille, niemanden zurückzulassen.
Melo und Nella teilen eine Gabe – sie reden mit Pferden und haben scheinbar eine besondere Verbindung zu den Tieren. Sind Sie selbst ein Pferdefreund?
Ich liebe alle Tiere, weil ich die Natur als Ganzes liebe und mir wünsche, dass jeder sein Möglichstes tut, um sie zu schützen und zu bewahren. Melo und Nella haben die Gabe, mit Pferden zu ‚reden‘, das heißt, mit der Natur zu sprechen. Die Natur ist nicht etwas, das von uns getrennt ist, sondern wir sind alle Teil der Natur. Wenn wir nicht lernen, die Natur zu respektieren, ist es so, als würden wir uns selbst nicht respektieren.
Mit dem Principe Stefano Chiodetti diskutiert Pietro immer wieder über die Kunst der Fotografie – darüber, was sie gegenüber der Malerei auszeichne und ob der Sinn der Kunst im Allgemeinen darin bestehe Schönheit abzubilden. Der geschenkte Fotoapparat wird zur Geste des Großmuts des Principe, der ein elitäres Kunstverständnis vertritt, denn ist die Schönheit nicht den Reichen vorbehalten?
Mein Großvater Rinaldo war ein wohlhabender Chemiker mit einer großen Leidenschaft für die Kunst. Er war selbst Maler. Wenn er morgens mit seinem Hund in den Reisfeldern rund um Novara spazieren ging, besuchte er die Bauern. In seiner Tasche hatte er dann immer Zeichenpapier, Stifte, Pinsel und Farben bei sich. Die Bauern kannten ihn und boten ihm einen Stuhl und eine Tasse Milch an. Er öffnete dann seine große Tasche und rief die Kinder zu sich, die ebenfalls wie ihre Eltern dazu bestimmt waren, später als Bauern ihr Leben zu fristen. Er gab ihnen ein Blatt Papier und einen Stift und lud sie zum Zeichnen ein. Wenn er einem Kind mit besonderem Talent begegnete, nahm er sich diesem an, ließ es Zeichnen, Malerei und Skulptur studieren. Auf diese Weise schuf er eine Generation von Künstlern, die in der Lage waren, mit ihrem Talent ihre Familien zu ernähren. Dies ist die Lehre meines Großvaters Rinaldo: Die Fähigkeit, Schönheit zu sehen, ist nicht nur den Wohlhabenden vorbehalten, aber sicherlich müssen sozial benachteiligte Menschen darin unterstützt werden, sie zu entdecken. Das ist unsere Aufgabe, wenn wir eine ‚Familie‘ sind.
Marta gegenüber spricht Pietro vom „Wahrheitsapparat“ – und die Wahrheit ist es, die er mit seinen Fotos zeigen will. Glauben Sie daran, dass man mit der Kunst die Welt verändern kann?
Victor Hugo, den ich in meinem Roman zitiere, sagte im Vorwort von Les Miserables „solange auf der Erde Unwissenheit und Elend bestehen, dürfen Bücher wie dieses nicht vergeblich und unnütz sein“. Jeder kann die Welt verändern mit den Instrumenten, die ihm zur Verfügung stehen. Warum es also nicht versuchen?
Das Komitee der Jugend zur Befreiung Roms, die jungen Adeligen vom Café Perilli, die Lupi und auch Albanese mit seiner Bande, sie alle kämpfen für dieselbe Sache – ein vereintes Italien. Und doch können sie sich nicht für einen gemeinsamen Weg im Kampf einigen. Inwieweit spielt der Generationenkonflikt eine Rolle?
Der Generationenkonflikt ist ein wichtiges Element in einer Gesellschaft. Es beinhaltet im Grunde genommen denselben Kampf, der in jedem einzelnen Menschen stattfindet und er zeigt sich darin, dass man als Junge und als alter Mann kaum über dieselbe Vision von der Welt verfügt. Das Generationsproblem ist nur dann ein solches, wenn eine Seite die Oberhand über die andere gewinnt. Die Wahrheit liegt immer in der Fähigkeit aller Beteiligten, die Welt auch mit den Augen der anderen zu sehen. Diese Perspektivenvielfalt bringt auf der einen Seite Stärke und Innovation, auf der anderen Seite Erfahrung und Wissen mit sich. Wie das Sprichwort besagt, ist jeder einzelne Finger einer Hand nicht sehr nützlich. Aber alle fünf zusammen können außergewöhnliche Dinge vollbringen.
Was erzählt uns Ihr Roman ES WAR EINMAL IN ITALIEN über die Gegenwart?
Ich bin überzeugt, dass das Erzählen von historischen Geschichten immer auch mit der Gegenwart selbst zusammenhängt. Dies ist der Grund, weshalb die Einheit Italiens für mich in Zusammenhang mit der Einheit Europas steht, einer Gemeinschaft, in der wir unsere Identitäten bewahren und uns gleichzeitig als Brüder fühlen können.
Dasselbe gilt meiner Ansicht nach für die Zeit im Rom des 19. Jahrhunderts, die ich in ES WAR EINMAL IN ITALIEN beschreibe. Wenn eine Gesellschaft nicht in der Lage ist, den Schwächsten zu helfen, dann ist sie keine ‚Familie‘. Dann ist sie keine Gesellschaft, die fähig ist, dieses große und sehr edle Gefühl zu erleben, auf das die alten Römer so stolz waren und das sie ‚Pietas‘ nannten.