Autorin

Susanna Leonard

Susanna Leonard wuchs in Karlsruhe und in Paris auf. Ihre Bewunderung für mutige Frauen brachte sie auf die Idee, biographische Romane über Frauen zu schreiben, die unsere Welt nachhaltig verändert haben. Nach Marie Curie beschäftigt sich Susanna Leonard in ihrem zweitem Roman mit dem bewegenden Leben der Gorillaforscherin Dian Fossey.

Interview

„Eine Frau mit dem Mut, Grenzen zu überschreiten“ | 25.07.2022

Wann bzw. warum ist bei Ihnen der Wunsch entstanden, biographische Romane über Frauen, die unsere Welt nachhaltig verändert haben, zu schreiben?Meine Eltern haben uns Geschichten von Astrid Lindgren vorgelesen. Die habe ich geliebt und liebe sie heute noch. Als ich größer wurde, habe ich mich gefrag...

Wann bzw. warum ist bei Ihnen der Wunsch entstanden, biographische Romane über Frauen, die unsere Welt nachhaltig verändert haben, zu schreiben?
Meine Eltern haben uns Geschichten von Astrid Lindgren vorgelesen. Die habe ich geliebt und liebe sie heute noch. Als ich größer wurde, habe ich mich gefragt, was das wohl für ein Mensch sein mag, der solche tollen Geschichten erzählen kann, als heranwachsendes Mädchen ist frau ja immer auf der Suche nach Vorbildern. Irgendwann fiel mir dann eine Biographie dieser wunderbaren Autorin in die Hände. Ich glaube, da wurde der Keim für den Wunsch gelegt, nach dem Sie fragen.
Nach MADAME CURIE haben Sie sich in Ihrem zweiten Roman über eine mutige Frau für Dian Fossey entschieden – was hat Sie an ihrer Person gereizt?
Die Hartnäckigkeit, mit der Fossey ihre Ziele verfolgt hat, ihre Verweigerung üblicher Karrierekonzepte und Rollenzuschreibungen und ihr Mut, Grenzen zu überschreiten, um ihrer Sehnsucht zu folgen.
Wie würden Sie Dian Fossey in drei Worten beschreiben?
Leidenschaftlich, eigensinnig, willensstark.
In welcher Szene im Buch erleben die Leser:innen die Protagonistin als besonders mutig?
Die, in der sie beim Scheinangriff eines Silberrückens einfach stehen bleibt, weil sie es so bei einem Kollegen gelesen hat? Oder vielleicht die, in der sie sich gegen Soldaten wehrt, die sie vergewaltigen wollen? Oder eher die, in der sie trotz Gelenkschmerzen und Asthma den Mikeno hinaufsteigt? Vielleicht doch die Szene, in der sie den Entschluss fasst, ihr gewohntes Leben aufzugeben und Professor Leakey zu überreden, sie, die Beschäftigungstherapeutin, als Forscherin in die Wildnis des Kongos zu schicken.
Welche Quellen haben Ihnen bei der Recherche besonders geholfen? Haben Sie sich den Film GORILLAS IM NEBEL ebenfalls für Ihre Recherche angeschaut?
Habe ich, klar, hatte den Film auch früher schon gesehen. Eine Hollywoodschmonzette halt, aber mit starken Bildern und die haben mir geholfen, mich in die zentralafrikanische Flora und Fauna hinein zu fühlen.

Das gleichnamige Buch von Dian Fossey kann als klassische Quelle gelesen werden, was natürlich bedeutet, dass man mit Beschönigungen, Verzerrungen und dem Verschweigen von persönlichen Einzelheiten rechnen muss, die der Autorin peinlich waren.

Einige Bücher zitieren immerhin hilfreiche Quellen – der Fotoband von Camilla de la Bédoyère (Briefe aus Afrika) etwa Briefe und Notizen, oder der Autor Farley Mowat (Das Ende der Fährte) Tagebuchaufzeichnungen. Im Netz findet man auch allerhand.

Die hilfreichste „Quellesammlung“ war mir Harold Hayes‘ hervorragende Biographie (Dian Fossey). Bei ihm kommen zwei oder drei Jahre nach Dian Fosseys Tod Augenzeugen zu Wort: Dians Exverlobter Alexie Forrester etwa; oder der Hotelier Walter Baumgärtel, der ihr bei der Flucht aus dem Kongo beistand; oder langjährige Freunde aus Tansania, Ruanda und den USA, die sie teilweise schon seit ihrer Arbeit im Kinderkrankenhaus kannten; oder einige ihrer Studenten und natürlich ihr Geliebter Robert Campbell. Ohne Harold Hayes‘ Arbeit wäre mein Buch ein anderes, weniger vielschichtiges geworden.

Waren Sie selbst schon einmal in Ruanda oder wie ist es Ihnen gelungen, das Setting des Romans so bildhaft wiederzugeben?
Ich kenne nur Liberia und Namibia aus eigener Anschauung, Ruanda oder den Kongo nicht. Doch da konnte ich auf Filme und Fotos in Büchern und im Netz zurückgreifen. Und Gorillas im Nebel wurde ja an Originalschauplätzen – und teilweise mit echten Gorillas – gedreht.
Wie lief für Sie der Schreibprozess?

Einerseits empfand ich es beglückend, in Haut und Herz einer anderen zu schlüpfen, oder es zumindest zu versuchen; andererseits als mühsam bis qualvoll, denn Dian Fossey war alles andere als das immer nette und gut gelaunte American girl, sie war ein eigenwilliger, ja sperriger Charakter. Nach allem, was ich über sie erfahren konnte, litt sie zeitlebens unter unglücklichen biographischen Brüchen und hat es selbst ihren Freunden nicht immer leicht gemacht.
Welche Rolle spielten die Themen des Arten- und Naturschutzes im Allgemeinen und das der Berggorillas im Besonderen im Leben von Dian Fossey?
Sie traf ihre Berufswahl sechs Jahre, bevor der Club of Rome seinen Weltzustandsbericht (Die Grenzen des Wachstums) veröffentlichte. Da war Naturschutz und dergleichen noch das Hobby einiger Exoten. Dian Fossey liebte Tiere und zwar nicht irgendwie, sondern mit Haut und Haaren. Diese Leidenschaft für Tiere trieb sie zu den Gorillas. Sie lernte sie lieben, hat dem Überleben dieser Menschenaffen ihre ganze Kraft und etliche moralische Regeln geopfert und sich so zur Naturschützerin entwickelt.
Wie wichtig sind die von ihr gewonnenen Erkenntnisse für die heutige Verhaltensforschung/Biologie?
Kennen Sie das Buch von Charles Foster Der Geschmack von Laub und Erde? Dieser Wissenschaftler lebte wochenlang nackt in Erdhöhlen und -gängen, um das Leben von Dachsen zu studieren. Ich wüsste nicht, dass solche Forschungsmethoden schon vor Dian Fossey praktiziert wurden.
Konnte sie durch ihren Einsatz für die Berggorillas, den sie mit dem Tod bezahlte, das Aussterben der Tiere verhindern?
Es gab Primatologen, die überzeugt davon waren, dass die Berggorillas noch im gleichen Jahrhundert aussterben werden, in dem sie entdeckt wurden, also im zwanzigsten. Dass diese Männer sich getäuscht haben, ist Dian Fosseys Verdienst: Als sie im Dezember 1967 in die Virungas hinaufstieg, gab es noch etwa 200 Berggorillas, heute sind es wieder um die tausend.
ANNIE LONDONDERRY – DIE RADFAHRERIN erscheint im Frühjahr 2023. Worauf können sich die Leser:innen bei diesem Roman besonders freuen?
Wiederum auf eine eigensinnige Frau, die den Mut aufbrachte, gängige Grenzen zu überschreiten und zu tun, was man zu ihrer Zeit, also um 1890, als anständige Frau nicht tat: dem Gatten für 15 Monate die Kinder überlassen, um einmal um die Welt zu radeln etwa, oder Männerkleider tragen. Im Grunde ist es eine Geschichte über die Mühe, zu sich selbst zu stehen und das Glück, das eine Frau empfindet, der das gelingt. Und natürlich – wie schon bei Dian Fossey – über den Preis, der dafür zu bezahlen ist.
Planen Sie weitere Geschichten zu mutigen Frauen – vielleicht auch aus der deutschen Geschichte?
Planen ist zu viel gesagt, doch meine Gedanken kreisen um eine Tänzerin und eine Goldgräberin, und letztere war sicher keine Deutsche. Schau‘n wir mal, dann seh‘n wir schon, wie die Bayerin sagt. Oder haben Sie eine gute Idee?
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