Eva Almstädt erzählt im Interview von ihrer neuen Kriminalroman-Reihe AKTE NORDSEE, in der die Rechtsanwältin Fentje Jacobsen und der Journalist Niklas John in Nordfriesland ermitteln.Text: Bettina Laude17 Krimis sind von Ihnen bisher erschienen, und sie spielen alle an der Ostsee. Jetzt geht es mit...
Eva Almstädt erzählt im Interview von ihrer neuen Kriminalroman-Reihe AKTE NORDSEE, in der die Rechtsanwältin Fentje Jacobsen und der Journalist Niklas John in Nordfriesland ermitteln.
Text: Bettina Laude
17 Krimis sind von Ihnen bisher erschienen, und sie spielen alle an der Ostsee. Jetzt geht es mit AKTE NORDSEE - AM DUNKLEN WASSER nach Nordfriesland. Ist die Ostsee leergeschrieben? Oder haben Sie dort keine geeigneten Schauplätze mehr gefunden?
Nein, die Ostsee-Reihe rund um Pia Korittki wird weitergehen, denn da gibt es noch einige Schauplätze, die ich spannend finde. Ich wollte gern eine neue Reihe starten, mit neuen Protagonisten. Ich wollte weg vom Polizei-Krimi, vom reinen Ermittler-Krimi. Bei Pia Korittki muss ich ja immer darauf achten, was Kommissarinnen eigentlich dürfen, an welche Regeln sie beim Ermitteln gebunden sind. Jetzt wollte ich meine Figuren mal freier ermitteln lassen.
Was ist noch anders in der neuen Reihe?
Ich hatte große Lust auf ein Ermittler-Duo. Ganz andere Protagonisten in einer anderen Landschaft. Es sollte etwas Neues, Frisches sein. Und als Norddeutsche kenne ich die Nordsee seit meiner Kindheit. Der Reiz besteht darin, sich in die Recherchen zu stürzen und auch etwas ganz Neues zu sehen.
Wie sind Sie vorgegangen?
Ich habe mir überlegt, dass eine Protagonistin auf einem Schafhof leben soll. Also habe ich mir Schafhöfe angesehen, mir von den Schafbauern viel erklären und erzählen lassen. Aber meine Hauptfigur Fentje Jacobsen ist nur Teilzeit-Schafbäuerin, eigentlich ist sie Anwältin, aber zurück nach Nordfriesland gezogen, um ihre Großeltern zu unterstützen. Ihre Großmutter wird langsam dement. Der zweite Ermittler ist ein Journalist. Er lebt in einer schicken Wohnung mit Meerblick in St. Peter-Ording. Sein Vater wiederum lebt auf Föhr. So habe ich auch die Nordseeinseln einbezogen.
Das klingt nach einem cleveren Konzept. Das angesagte St. Peter-Ording, im Kontrast dazu das Ländlich-Weite der Halbinsel Eiderstedt mit seinen alten Höfen, dazu noch eine Nordseeinsel ...
Ich sehe mir viele Orte an und lasse mich inspirieren. Am Ende geht es aber darum, was zur Geschichte passt. Für Akte Nordsee habe ich tatsächlich ganz konkret nach Schauplätzen gesucht, bei denen mir mein Gefühl sagt: Hier passt es. Das war bei der Ostsee-Reihe um Pia Korittki ganz anders. Da ist der Schauplatz ganz organisch gewachsen durch meinen damaligen Wohnort.
Wie findet die neue Ermittlerin Fentje ihre Fälle?
Durch ihre Kanzlei. Sie möchte Menschen helfen, die Wahrheit herauszufinden oder deren Unschuld beweisen. Im ersten Band stolpert sie buchstäblich über einen Mandanten, der bewusstlos auf ihrer Schafweide liegt. Er wird des Mordes verdächtigt. Der Journalist möchte darüber berichten und fängt ebenfalls an zu recherchieren. So findet sich mein Ermittler-Duo – wobei sie anfangs eher Gegner sind.
Klingt, als ob Liebe mit im Spiel sein könnte ...
Ja, das schwingt etwas mit. Aber wie es mit den beiden weitergeht, weiß ich noch nicht.
Wie schreibt es sich so, an der Nordsee entlang?
Es hat mir viel Spaß gemacht, und die Menschen waren unglaublich hilfsbereit. Außerdem habe ich viel gelernt: über Schafzucht, Tageszeitungsjournalismus, über alte Haubarge. Das sind diese Friesenhäuser mit den riesigen Dächern, wo sich alles unter einem Dach befand. Die sind so gebaut, damit man nach einer Sturmflut, wenn alle Mauern weggespült worden sind, zumindest noch ein Dach über dem Kopf hat.
Wieviel Landschaft muss einfließen in einen Regionalkrimi?
So wenig wie möglich. In einem Krimi haben lange Landschaftsbeschreibungen nichts zu suchen. Es ist viel besser, kurze prägnante Details einzustreuen. Atmosphäre: ja. Aber das muss sich so nebenbei ergeben.
Aber kaufen die Leser:innen die Bücher nicht auch genau wegen des Settings?
Ja, aber das muss ganz selbstverständlich in die Handlung integriert sein.
Wie wichtig ist es für die Leser:innen von Regional- oder Urlaubskrimis, dass sie Orte wiedererkennen? Zum Beispiel die, an denen sie selbst gern Urlaub machen oder nach denen sie Sehnsucht haben?
Es ist schon gut, wenn man Orte auch mal ganz konkret benennt. St. Peter-Ording zum Beispiel oder Föhr. Das ist ein schöner Wiedererkennungseffekt. Und es macht den Leser:innen auch Spaß, wenn sie sagen können: Das kenne ich. Der Konflikt für mich als Autorin ist eher, wenn ich sehr kleine Ort beschreibe wie in den Pia-Korittki-Krimis. Da benenne ich die Dörfer dann um, damit sich die Leute, die dort wohnen, nicht plötzlich als potenzielle Mordopfer fühlen. Die Leser:innen, die sich dort gut auskennen, erkennen es natürlich trotzdem.
Wie sind Sie zum Schreiben gekommen? Haben Sie es sich selbst beigebracht oder irgendwo gelernt?
Der Auslöser war meine Situation zu Hause mit kleinen Kindern. Ich wollte arbeiten, Geld verdienen, aber mir die Zeit flexibel einteilen. In meinem erlernten Beruf als Innenarchitektin war das schwierig. Ich habe als Schülerin schon gern geschrieben, damals gemeinsam mit einer Freundin, die heute Richterin ist. Ihr habe ich mein erstes Ostseekrimi-Manuskript auch als Erstes zum Lesen gegeben.
Wann war das, und wie ging es damals weiter?
Ich habe das Manuskript an alle Verlage geschickt, die deutschsprachige Krimis veröffentlichen, und hatte tatsächlich drei Verlage, die interessiert waren. Das war 2002. Mit der Lektorin des Lübbe Verlages, die mich damals „entdeckt“ hat, arbeite ich heute noch zusammen.
Ein Glücksfall? Können? Oder beides?
Es war natürlich auch Glück dabei. Damals konnte noch keiner ahnen, dass sich die Regional- und Urlaubskrimis so entwickeln würden. Aber schon mein erstes Manuskript war sehr planvoll konzipiert. Ich bin eine absolute Planerin. Ich habe nicht einfach drauflos geschrieben, sondern habe erstmal Sekundärliteratur gelesen. Wie baut man einen Krimi auf? Wie funktioniert das Genre? Dann habe ich Szene für Szene durchgeplant und alles aufgeschrieben. Bis ich dachte: Jetzt ist es fertig, besser kann ich es nicht.
Hatten Sie literarische Vorbilder?
Wie gesagt, die Regionalkrimis gab es in dieser Form damals noch nicht. Aber ich mochte schon immer die britische Krimi-Tradition. Britische Krimis, die auf dem Land spielen, die finde ich ganz zauberhaft. Meine Idee war: Ich verfasse einen Krimi, der hier spielt, in einem Dorf im Hinterland der Ostsee, aber in der britischen Tradition geschrieben ist. Ein bisschen wie Elizabeth George zum Beispiel.
Warum ist gute Planung für einen Krimi so wichtig?
Weil ich zu jedem Zeitpunkt den Überblick haben muss über: was weiß wer. Was weiß die Polizei, was weiß der Täter, was wissen die Leser:innen. Daraus muss ich einen Spannungsbogen entwickeln. Manchmal pinne ich mir ein Zeitschema an die Wand, meistens sammle ich aber alle relevanten Informationen in Dateien auf meinem Rechner.
Welche Rolle spielt in diesem Spannungsbogen das Grauen? In Krimis geschehen furchtbare Dinge. Wie bringen Sie Menschen dazu, dass sie so etwas gern lesen möchten?
Das ist eine Frage der Grundstimmung. Ich muss eine Faszination des Grauens aufbauen, diese aber abfedern mit Humor und anderen menschlichen Themen. Wichtig ist auch, dass Lösungen angeboten werden. Es gibt ein Problem, aber auch eine Lösung, und die Sachen werden zu einem Ende geführt.
Wie wichtig ist es, dass sich Leser:innen in den Hauptfiguren wiederfinden können? Ihre Kommissarin Pia Korittki ist alleinerziehend, vieles läuft nicht rund in ihrem Leben. Fentje Jacobsen dagegen, ihre neue Protagonistin, wirkt zupackend und ausgeglichen ...
Pia Korittki habe ich damals eher intuitiv angelegt. Teile aus meiner Lebenswelt fließen da natürlich auch ein, aber ich bin nicht Pia. Und schon gar nicht Fentje. Die neue Figur ist leichter und jünger konzipiert. Pia habe ich im Laufe der Jahre viele Hindernisse in den Weg gelegt. Ob ich das mit Fentje auch so machen werde, weiß ich noch nicht. Die Leser:innen meiner Krimis sind eher in meinem Alter, denke ich. Fentje ist mit Anfang dreißig deutlich jünger. Dieses Alter habe ich gewählt, weil ich als Autorin mehr Möglichkeiten habe. Fentje ist noch nicht gebunden, hat noch keine Kinder. Mit Anfang dreißig ist noch vieles offen.
Was wünschen Sie sich für Ihre neue Nordsee-Reihe rund um Fentje Jacobsen?
Dass sie noch viele AKTEN NORDSEE öffnen kann. Und natürlich auch abschließen.